Interview mit Rapperin IZRAA: Operation Luxor sollte Muslime kriminalisieren

Linkswende sprach mit Rapperin IZRAA über die Operation Luxor, ihren Sieg beim Protestsongcontest und die politische Rolle von Hip-Hop.
14. August 2022 |

„I’m no criminal! Keep that on your mind!”, ist eine Zeile aus deinem Protestsong „9. November“. Das Lied behandelt die rassistische Polizeioperation Luxor. Kannst du schildern was deiner Familie passiert ist?

Am 9. November 2020, gegen 4 Uhr 20 stürmten Spezialeinheiten, vermummte Polizisten, das Haus meiner Eltern. Ich war nicht von Anfang an dabei, sondern bin erst 15 Minuten später gekommen. Von der Erzählung meiner Mutter und wie ich meine Familie gesehen habe, weiß ich: Das war schrecklich. Meine Mutter hat sich in einem Zimmer versteckt und zugesperrt. Die Polizei hämmerte gegen die Tür und versuchte sie aufzubrechen. Mein Vater und mein Bruder lagen am Boden, auf ihren Kopf waren Waffen gerichtet.

Mein Bruder war damals 16. Mein Vater ist Diabetiker und hat Probleme mit seinem Blutdruck. Die Polizisten haben alles, was im Haus war, auf den Boden geschmissen. Schränke aufgebrochen, sogar Glühbirnen zerschlagen. Von Reistüten bis Kaffeepackungen, die aufgerissen wurden, war die ganze Küche am Boden verstreut. Das sind Details, aber es sind Details, wo man sich denkt, „What the Fuck?“ Sorry, für den Ausdruck, anders kann ich es nicht beschreiben.

Die Akten zu dieser Operation wurden anfangs unter Verschluss gehalten, habt ihr herausfinden können, was in eurem Fall als offizielle Begründung gedient hat?

Ich glaub, für derartige Gewalt gibt es keine Begründung. Ihr habt uns ein ganzes Jahr beobachtet. Ihr wisst, wann wir auf Klo gehen, wann wir nach Hause gehen, wann wir schlafen, wann die Tür offen oder geschlossen ist. Wenn es um etwas anderes gegangen wäre, als Muslime zu schikanieren und zu kriminalisieren, hätte man das anders machen können. Wir haben erfahren, dass mein Vater des Terrorismus bezichtigt wurde oder Terrorfinanzierung, was auch immer. Ich musste das nicht zum ersten Mal erleben, sondern einmal mit 8, einmal mit 10, einmal mit 13 und vor zwei Jahren eben mit 27. Bis heute gibt es nichts Legitimes, das die Aktion begründen könnte. Es war einfach politisch gespielt. Die haben mit uns und unserer Community gespielt, um ihre Politik durchzusetzen. Wir sind ein Spielzeug. Es spielt für sie keine Rolle, wie sehr man uns verletzt.

Wie waren die Reaktionen aus der Zivilgesellschaft und aus der muslimischen Community, als du mit dem Lied den Protestsongcontest gewonnen hast?

Ich kann dir nur einen Satz sagen, den mir jemand geschrieben hat, der selbst von der Operation Luxor betroffen war: „Izraa Danke! Das war wie Balsam für meine Seele.“ Jemand anderes, eine Gruppe von Müttern im Alter von 30 – 35 haben mich in einer gemeinsamen Whatsapp-Gruppe angefeuert. Eine Freundin hat mir Screenshots geschickt. Ich weiß mittlerweile, dass viele das Gefühl hatten: Ja, die Stimme ist draußen.

Viele, für die Musik oder Kunst als Plattform nie in Frage gekommen ist, haben mir gesagt: „Wir hätten nie gedacht, dass man mit Musik so viele Menschen erreichen kann oder die Menschen so berühren kann.“ Und bis dato war mir das selbst nicht bewusst. Ich hab immer Musik gemacht. Das war eine Plattform für mich selber, ein Sprachrohr, aber seit dem Protestsongcontest hat sich viel geändert. Ich hab gesehen, ich kann eine Stimme für viele sein. Meine Musik ist nicht nur etwas, was ich fühle, es ist etwas, das alle mitfühlen können. Es ist eine Message, die ich rüberbringe. Nicht nur Kunst, sondern eine Art, mit der Welt zu kommunizieren und es ist mittlerweile die einzige Art, die funktioniert. Ich war auf der Straße, ich war auf Demonstrationen, ich habe Gedichte geschrieben, ich hab vieles gemacht, aber bei Musik hab ich gemerkt: Die Leute hören zu.

Den Protestsongcontest organisiert FM4. Du hast viel Unterstützung und von Staatsmedien positive Berichterstattung bekommen, andererseits berichtet gerade der ORF rassistisch über Muslim_innen, vor allem wenn es um Palästina geht. Wie ist es dir damit gegangen?

Um ehrlich zu sein, als ich mich beworben habe, dachte ich: Entweder es gibt noch gute Menschen, die meine Story hören wollen, die wissen wollen, was wirklich passiert ist und uns eine Stimme geben wollen oder ich bin vollkommen verloren in einem Rassistenstaat. Und als ich den Anruf bekommen habe, dass der Song weiter ist, war ich megaglücklich, aber vor allem überrascht. Ich hätte nie gedacht, mit meinem Background als Aktivistin und Palästinenserin mit Migrationshintergrund überhaupt wahrgenommen zu werden. Deswegen war ich überrascht und wollte Österreich, vor allem den Menschen, wieder eine Chance geben. Nach der Operation wollte ich einfach nur weg. Ich kann nicht mehr Österreicherin sein, für was, für wen und warum? Das Land will mich nicht, meine Eltern werden seit 30 Jahren verfolgt, verdächtigt und beschuldigt. Für was?

Welche Rolle hat deiner Ansicht nach die Kunst und insbesondere Rap im Widerstand gegen einen rassistischen Staat und eine rassistische Polizei?

Ich persönlich mach ja nichts Neues. Rap war schon immer eine Plattform, auf der Menschen Themen angesprochen haben, die Tabu sind. Rap und Musik bedeutet: Man darf alles sagen. Man darf politisch sein, ohne gleich verurteilt zu werden.  Wenn das Volk es hört, muss es der Staat hören. Das ist die Stärke, die Rap und Musik mitbringen.

Das Interview führte Lisa Hasenbichler