Irak: Hunderttausende trotzen dem Staatsterror

Die Protestwelle, die Anfang Oktober in der irakischen Hauptstadt Bagdad begann, verwandelt sich immer mehr in eine umfassende Revolte.
5. November 2019 |

Einer der Demonstrierenden erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Die Regierung hat uns für 15 Jahre bestohlen. Saddam Hussein ging und 1.000 andere Saddams übernahmen die Regierung, um die korrupte Politik fortzusetzen.“ Den Aufständischen geht es nicht um Reformen der bestehenden Ungerechtigkeit, sie wollen „den Sturz des ganzen Regimes“.

Die USA setzte nach ihrer Invasion auf eine Herrschaftsstrategie der sektiererischen Spaltung. Das bedeutet, sie versuchte die unterschiedlichen religiösen und ethnischen Gruppierungen gegeneinander auszuspielen. Den aktuellen Massenprotesten gelingt es, genau diese sektiererische Spaltung zu überwinden. Der Tahrir-Platz in Bagdad ist zum Epizentrum des Aufstandes geworden. Hier versammeln sich tausende Sunnit_innen genauso wie Schiit_innen, um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Gegen diese Geschlossenheit der Bevölkerung kennt die Regierung nur eine Antwort: Mord.

Assad als Vorbild

Die aktuellen Massenproteste im Irak erinnern an die syrische Revolution von 2011. Auf diese reagierte der syrische Staatsapparat nach dem Motto „Assad, oder wir verbrennen das Land“. Der Staat richtete ein beispielloses Blutbad unter den Revolutionär_innen an. Assads mörderische Strategie war von Erfolg gekrönt. Die irakischen Machthaber lernten die Lektion und versuchen die Proteste mit demselben Staatsterror niederzuschlagen.

Regierungsnahe Milizen, die oftmals vom Iran finanziert werden, positionieren sich auf Hochhäusern, um, ausgerüstet mit modernsten Scharfschützengewehren, auf wehrlose Menschen zu schießen. Mindestens 300 Menschen wurden vom Regime ermordet. Die westlichen Regierungen, welche durch die US-Invasion im Jahre 2003 eine Mitschuld an der Lage im Irak tragen, schweigen zu diesen Verbrechen.