Juli Zeh: Leere Herzen

Luchterhand Literaturverlag. 352 Seiten. 20,30 Euro. ISBN: 978-3-630-87523-1
27. Juni 2018 |

Das Jahr 2015. Die „Besorgte-Bürger-Bewegung“ (BBB), eine fiktive Alternative für Deutschland (AfD), hat die Regierung Merkel abgelöst und schafft mittels sogenannter „Effizienzpakete“ schrittweise die Demokratie ab. Die vielfach ausgezeichnete Autorin Juli Zeh – zuletzt erhielt sie den Bruno-Kreisky-Preis – legt mit ihrem Roman Leere Herzen eine erschreckend reale Dystopie vor – und eine radikale Verteidigung von Prinzipien und der Demokratie.

Die Hauptfigur Britta Söldner, eine Ordnungsfanatikerin, hat sich in einer Welt, in der politische Meinung längst selbst zu einer Ware geworden ist, „produzierbar und verkäuflich“, mit dem System arrangiert. Zusammen mit ihrem Geschäftspartner Babak Hamwi, einem schwulen irakischen Flüchtling, sucht sie im Netz nach potenziellen Selbstmördern, die sie einem Mehrstufen-Programm unterziehen. Überstehen sie die Tests, inklusive der Folter „Water-Boarding“, werden sie als Selbstmordattentäter an Terrororganisationen vermittelt – damit auch ihr Leben noch einen „Sinn“ hat, so die Unternehmensphilosophie.

Das Geschäft ihrer kleinen Firma, der Brücke, läuft riesig, bis ein Anschlag am Leipziger Flughafen misslingt. Mysteriöse Personen verfolgen Britta, eine anderes Unternehmen, die Empty Hearts (Leere Herzen) wollen ihnen den Platz streitig machen. Die junge Julietta, eine besonders entschlossene Selbstmordkandidatin, deren Eltern zu den ersten Unterstützern der BBB gehören, stellt Brittas Leben völlig auf den Kopf. Es beginnt eine tiefgründige Suche nach der Schuld, wie es so weit kommen konnte, und jenen demokratischen Leitsätzen, die Britta vor Jahren über Bord geworfen hat. „Damals war Trump noch nicht Alltag, sondern ein Skandal […] So erstaunlich es Britta aus heutiger Sicht erscheint: Damals gab es etwas, an das sie glaubte.“

Gleich zu Beginn klagt Zeh die Leser an: „Da. So seid ihr.“ Ihr geht es weniger um das Aufspüren der sozialen Ursachen der Wahlerfolge der extremen Rechten. Mit viel Witz und spannend erzählt ist Leere Herzen mehr ein Plädoyer des Widerstands, niemals die Hoffnung aufzugeben, Nein zu sagen, wenn Demokratie und Menschenrechte scheibchenweise geopfert werden, ein Roman über ein modernes Richtig und Falsch. Starke Sätze hämmern sich ins Bewusstsein ein: „Ruhe sanft, öffentlicher Diskurs, du warst der größte Gastgeber aller Zeiten […] Wir bleiben zurück, ungetröstet, vereinzelt, verstört.“

In Zeiten von Trump, AfD und Regierungsbeteiligungen von FPÖ und Lega Nord, ein Roman, den die Gesellschaft verdient hat.