Klimaprotest in Wien: Alle unterstützen die Schulstreiks!

Wissenschafter_innen, Gewerkschaften und zahlreiche Klimaschutz-Organisationen zeigten ihre Solidarität mit den Streiks der Schüler_innen von Fridays For Future. Insgesamt 3.500 Menschen trotzten am 5. April dem widrigen Wetter und demonstrierten unter dem Motto „Zukunft für alle – Alle für die Zukunft!“ in Wien.
8. April 2019 |

„Das ist nicht Schulschwänzen, das ist Einsetzen für eine ganz wichtige Sache! Wenn ein Kind zum Bürgermeister hereingestürmt kommt und schreit, das Rathaus brennt, beschwert der sich auch nicht, dass das Kind die Schule schwänzt“, stellte sich Helga Kromp-Kolb, renommierte Klimawissenschafterin und Begründerin der Scientist For Future in Österreich, hinter die Schulstreiks.

Seit Herbst letzten Jahres bleiben jeden Freitag unter dem Slogan Fridays For Future Schüler_innen auf der ganzen Welt, nach dem Vorbild der 16-jährigen schwedischen Aktivistin Greta Thunbergs, dem Unterricht fern und streiken für eine radikale Veränderung in der Klimapolitik. Der Wille und die Überzeugung, mit der die jungen Streikenden auftreten, haben sogar Menschen erreicht, die die Welt schon dem Untergang geweiht sahen. Der Guardian-Journalist George Monbiot empfand „angesichts der Streiks mehr Hoffnung als 30 Jahre politische Kampagnen erzeugen konnten.“

© System Change Not Climate Change (Flickr)


Den bisherigen Höhepunkt fand die Schulstreikbewegung am 15. März mit dem weltweiten Klimastreiktag, an dem über 1,6 Millionen Schüler_innen und Solidarische in 125 Ländern und an über 2.000 Protestaktionen teilnahmen. Es ist damit eine nie dagewesene internationale Bewegung, in der direkt die Machtfrage an die Herrschenden gestellt wird. Gerade in der Frage, ob im kapitalistischen System effektive Umweltpolitik möglich ist, kann sich die radikale Linke einbringen und ihre Strategien anbieten.

Solidarische Gewerkschaften

© GPA-djp-Jugend (facebook)

Der wichtigste Schritt für die Klimagerechtigkeitsbewegung war die Beteiligung der Gewerkschaftsjugend und der PRO-GE Produktionsgewerkschaft, die eine Solidaritätsnachricht im Vorfeld verfasst hatte. Die Jugendorganisationen der Gewerkschaft, GPA-djp- und ÖGJ stellten auf der Demonstration einen lauten Block und ihre Bundesjugendvorsitzende Susanne Hofer forderte auf der Abschlusskundgebung: „Statt über Schulschwänzen zu reden, sollte die Regierung ihre Fehlstunden bei der Klimapolitik aufholen. Wenn tausende Jugendliche auf die Straße gehen, um für unser aller Zukunft zu kämpfen, dann gibt es darauf nur eine Antwort: ‚Die Politik muss die Schülerinnen und Schüler ernst nehmen und Worten endlich Taten folgen lassen. Auf einem toten Planeten wird’s keine Jobs geben!‘“ Gewerkschaften müssen in der Frage der Klimagerechtigkeit gute Argumente liefern können, damit Arbeiter_innen nicht auf trojanische Pferde wie den Bau der dritten Flughafenpiste hereinfallen. Die Gewerkschaftsjugend kann hier wichtige Impulse setzen.

Diffamierung der Klimastreiks

Es überrascht allerdings nicht, dass die „Identitären“ in Wien eine Facebook-Seite betreiben, auf der sie behaupten, hinter Aktivistin Greta stünde eine „gewaltige Inszenierung und PR-Kampagne“. Kein Wunder, dass die Neonazi-Truppe, wie sie Armin Wolf nannte, kein Interesse an linkem Aktivismus hat. Dem Großteil der Menschen, der weiß, wie es um unser Klima steht und die Forderungen der Streikenden unterstützt, steht eine Minderheit gegenüber, die versucht, den Aktivismus schlecht zu machen.

Weitere Versuche, die schwedische Schülerin in den Schmutz zu ziehen, kamen aus den Reihen der FPÖ. Die Rechercheplattform FPÖ fails dokumentierte ein ekelhaftes Posting von Marcel Spörk – Burschenschafter der Marko-Germania Graz, „Identitärer“ und Mitglied der FPÖ-Jugendorganisation – in dem er Greta mit der Tochter von Heinrich Himmler verglich. Ausgerechnet am Weltfrauentag hetzte Roland Hofbauer, Chefredakteur des rechtsradikalen FPÖ-nahen Magazins alles roger?, gegen das „hässliche Mäderl mit den fettigen Zöpfen“ und unterstellte ihr, sie leide an einem Fetalen Alkoholsyndrom (FAS). Mit dabei war die ehemalige FPÖ-Pressesprecherin und nunmehr Krone Bunt-Chefin, Edda Graf, wie FPÖ fails aufdeckte.

Klimawandelleugnung

Für einige bietet die Leugnung des Klimawandels die beste Möglichkeit, die Proteste zu diffamieren. Andreas sagte auf der Demo zu uns: „In der Regierung sitzen Personen, die den anthropogenen (menschlichen) Einfluss auf das Klima leugnen, z.B. der Vizekanzler (Strache), der Infrastrukturminister (Hofer), und beim Bundeskanzler (Kurz) bin ich mir auch nicht so sicher.“ Raimundo, 31, Organisationsberater, ergänzte: „Es ist eine Frechheit oder reine Dummheit, wenn Menschen den Klimawandel leugnen. Solche Leute gehören entweder gebildet oder rausgeschmissen oder beides und sollten keinesfalls an der Macht bleiben.“

Lena Schilling, Schülerin und Mitorganisatorin der Schulstreiks in Wien, griff in ihrer Rede diese Klimawandelleugner an: „Wir sind mehr, als ihr Klimawandelleugner denkt. Ich bin es leid, euch zuzuhören. Ihr sorgt dafür, dass in zwanzig Jahren mehr als 200 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssen!“

Antirassismus

Auf der Demonstration beteiligte sich ein starker antirassistischer Block der Plattform für eine menschliche Asylpolitik aus dem Sprüche wie „Say it loud! Say it clear! Refugees are welcome here!“ gerufen wurden. Faika El-Nagashi machte das auch in ihrer Rede klar: „Die EU verfolgt das Ziel der Abschottung gegenüber Migrantinnen und Migranten und ist bereit, dafür schmutzige Deals mit Diktaturen einzugehen. Statt Menschenleben zu retten, wird Not erzeugt und der Kampf ums Überleben wird kriminalisiert. Klimawandel muss ein anerkannter Asylgrund werden.“

https://www.facebook.com/menschliche.asylpolitik/photos/rpp.420896314780853/1052715161598962/?type=3&theater

Auch Matthias, 24, Student der Molekularen Biotechnologie wusste: „Wenn jetzt schon ein einzelner Krieg dazu führt, dass Millionen Menschen ihr Land verlassen müssen, können wir uns denken, was es bedeutet, wenn die Lebensgrundlage von hunderten Millionen Menschen zerstört wird.“

Breite Unterstützung

Lehrer Manuel, 26, war auf der Demonstration mit einigen Kolleg_innen und dem Banner Teachers for Future dabei. Er verteidigte die Streikenden: „Wir wollen als Lehrer Solidarität zeigen, dass wir mit den Schülern definitiv einer Meinung sind und dass man was ändern muss. Die Proteste müssen in der Schulzeit passieren, damit auch mal wer drauf aufmerksam wird und es liegt ja an der Politik was zu ändern und dann müssten auch die Schüler nicht mehr streiken.“ Der bekannte Filmemacher Werner Boote drückte seine Solidarität im Namen der Artists For Future aus und gab einen Ausblick, wie eine Zukunft ohne Klimakrise ausschauen könnte: „Als mündige Bürger und Bürgerinnen müssen wir politisch aktiv und immer mehr werden! Wir brauchen eine neue Wirtschaftsordnung, ein globales, demokratisches Wirtschaftssystem, in dem die Rechte der Natur und der Menschen vor den Profit gereiht werden.“

© Linkswende jetzt

Perspektive für die Zukunft

„Ich glaube, dass es mit dem kapitalistischen System nicht funktioniert, die Klimakrise abzuwenden“, so Vincent. Der 20-jährige Soziologie-Student nennt seine Zukunftsvision: „Mit der Abschaffung des kapitalistischen System wäre das möglich. Demos sind ein guter Anfang, um das Bewusstsein bei mehr Leuten zu erreichen, damit auch die Menschen, die nicht auf Demos gehen, sich den Problemen bewusst werden und sich dafür einsetzen.“

Soziologe und Globalisierungskritiker Jean Ziegler war zwei Tage vor dem Klimaprotest in Wien, wo er vor 1.400 Menschen redete. Er sagte im Interview in der ZiB24: „Entweder wir zerstören den Kapitalismus oder er zerstört uns.“ Dafür wird es die vereinte Kraft von Schüler_innen, Student_innen, Gewerkschafter_innen und Solidarischen brauchen, um das System wirklich herauszufordern. Die Demonstration war ein großartiger Fortschritt, ein Bündnis zwischen diesen Gruppen zu schmieden. Das muss in den nächsten Wochen ausgebaut und gestärkt werden.

https://www.facebook.com/systemchangenotclimatechange.A/posts/2065303763525347