Polizei im Machtrausch

„Wo die Polizei über den öffentlichen Raum entscheidet, treffen Polizeischikanen, Vertreibung und Strafverfolgung vor allem Menschen, die von Armut betroffen sind oder nicht der weißen Mehrheitsgesellschaft angehören“ – so das Fazit der Watchgroup Coview19 zur ausufernden Polizeirepression bei der Durchsetzung der Ausgangsbeschränkungen.
3. Juni 2020 |

Die schwammig formulierten Corona-Maßnahmen (kombiniert mit gezielten Falschmeldungen) haben nicht nur große Unsicherheit in der Bevölkerung erzeugt, sondern auch der Exekutive einen großen Ermessungsspielraum eingeräumt. Diese Macht nutzend, hagelte es Strafen, die nicht gesetzlich gedeckt sind und v.a. Gruppen treffen, die schon vor der Krise im Visier des Staates waren: Migrant_innen und Obdachlose.

Auswahl polizeilicher Strafwut

Die Wienerin Tahereh Nourani saß am 20. März im Erholungsgebiet Steinhofgründe auf einer Wiese und wurde prompt kontrolliert. Die Polizisten behaupteten, ihr Verhalten wäre „illegal und strafbar“ und kündigten eine Strafe von bis zu 3.000 Euro an. Am selben Tag wurde auf Twitter ein weiterer Fall berichtet: „Steinhofgründe, Frau liegt ganz allein in einer riesigen Wiese, Polizei kommt vorbei, 600€ Strafe. Gehts noch?“
Ebenfalls am 20. März waren in einem Vorarlberger Wald mehrere Spaziergänger unterwegs. Wegen dem Verdacht auf eine „Corona-Party“ rückte die Polizei an. Dabei schoss ein Beamter in die Luft – angeblich als Kommunikationsersatz für ein kaputtes Funkgerät. Zuvor behaupteten sie allerdings, einige Spaziergänger seien geflüchtet und die Schüsse hätten diese warnen und Verstärkung rufen sollen.

Auf der Donauinsel wurde am 2. April eine Person angezeigt, weil sie auf einer weder durch Absperrband noch Hinweisschild als verboten gekennzeichneten Sportanlage Klimmzüge machte.
Am 8. April bekam eine alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern eine Strafe von 500 Euro, weil sie auf einer Wiese beim Wiener Maurerwald Ball spielten und die Kinder anderen zu nahe gekommen seien.

In Graz bekamen vier Freund_innen jeweils eine Verwaltungsstrafe von 600 Euro, weil sie mit Abstand in einer Wiese saßen. Ebenfalls in Graz verschafften sich Polizisten am 28. und 30. März unerlaubt Zutritt zu Privatwohnungen. Weil eine der betroffenen Personen schlief, ließ die Polizei einen Schlüsseldienst kommen und stellte die Kosten dem Bewohner in Rechnung. Im zweiten Fall überprüfte die Melde- und Fremdenpolizei ohne Angabe von Gründen die Dokumente der Bewohner. Keiner der Betroffenen befand sich in Quarantäne.

Am 1. Mai kam es zu mehreren Fällen von Polizeigewalt. Ein Teilnehmer der Fahrrad-Demo im Prater wurde aus einem fahrenden Polizeibus heraus eine angrenzende Böschung hinabgetreten. Mehrmals wurden Obdachlose kontrolliert und verjagt, weil sie sich „zusammengerottet“ hätten. Neben solchen Diffamierungen wurden auch Strafen verhängt. Ein Mann soll 3.600 Euro zahlen, weil er wiederholt im Park angetroffen wurde. Ein weiterer bekam eine Strafe von 500 Euro, weil er einen Passanten nach einer Zigarette fragte.

Das sind nur einige Beispiele aus den letzten Wochen. Gepaart mit den Bildern von Polizeikolonnen, die sich „I am from Austria“ schmetternd feiern lassen, bestätigt die Erkenntnis, wie gefährlich es ist, einer Exekutive im Machtrausch freie Hand zu lassen.