Schuld und Sühne – Österreichs Verbrechen an den Juden

Das Hissen der israelischen Fahne am österreichischen Bundeskanzleramt während dem Höhepunkt des letzten Gaza-Krieges ist pure Heuchelei. Antisemitismus ist Grundbaustein der zweiten Republik. Die österreichischen Parteien von ÖVP über SPÖ bis zur KPÖ taten alles, um den überlebenden Jüdinnen und Juden das Leben zur Hölle zu machen. Der Zionismus profitierte von diesen Verbrechen und der Weigerung der USA Jüdinnen und Juden bei sich aufzunehmen.
15. Mai 2021 |

Juli 1947, beim Tauernhaus über den Krimmler Wasserfällen kommt am frühen Morgen eine Gruppe von 150 jüdischen Flüchtlingen an, völlig erschöpft und schlecht ausgerüstet. Um zwei Uhr früh sind sie nach einer abenteuerlichen Reise in Krimml angekommen und sind fünf Stunden an den Wasserfällen vorbei ins Krimmler Achental marschiert. Dabei waren Babys, die in Kartons gelegt und umgebunden wurden und kleine Kinder. Der schwierigste Teil ihrer illegalen Fluchtroute stand aber noch vor ihnen. Sie würden nach kurzer Rast aufbrechen über den Tauernpass nach Kasern in Italien im südtirolerischen Ahrntal. Gegen Einbruch der Nacht erreichten sie die 2634 Meter hohe Tauernhöhe und mussten ohne Laternen den schwierigen Abstieg nach Italien schaffen um nicht aufzufallen. In Salzburg war amerikanische Besatzungszone, in Italien britische. Die Amerikaner unterstützten die jüdische Emigration nach Palästina, die britischen Kolonialherren Palästinas wehrten sich dagegen. Deshalb mussten die jüdischen Flüchtlingszüge heimlich durch Italien an die Häfen geschleust werden. Aber italienische Beamte waren ihnen meist sehr freundlich gesonnen.

Die Mörder in Freiheit

Im Juli, August und September 1947 gingen wöchentlich drei solcher Transporte vom Displaced Persons Camp in Saalfelden im Pinzgau über Krimml nach Kasern in Italien – insgesamt dürften es um die 5500 – 5700 Menschen auf dieser Route geschafft haben, den tristen Bedingungen der Lager zu entfliehen. Es wird viel zu selten erzählt, aber die wenigen Überlebenden des Genozids an den europäischen Juden wurden nach dem Krieg meist fürchterlich behandelt. Sie bekamen nicht selbstverständlich ihre Wohnungen, oder ihr geraubtes Hab und Gut ersetzt. Sie durften sich nicht selbstverständlich niederlassen. Sie erlebten kaum jemals die Genugtuung, ihre Peiniger aus den KZs der gerechten Strafe zugeführt zu sehen. Vor allem österreichische Nazis kamen so gut wie immer ungeschoren davon. Bis 1955 wurden in Österreich 136.000 Verfahren gegen meist schwer belastete Nazis behandelt. Nur bei einem Fünftel, also 28.000 Fällen kam es überhaupt zu Anklageerhebungen. 13.000 Naziverbrecher wurden schuldig gesprochen und mild bestraft und sogar diese Urteile wurden oft wie¬der abgemildert oder aufgehoben. Und nur in 42 Fällen wurde die Todesstrafe ver¬hängt, in 30 Fällen wurde diese auch vollstreckt.

Bruno Furch, ein junger Kommunist, der 1945 aus dem KZ nachhause kehrte, erinnert sich in Erzählte Geschichte: „Das war nicht bloß ein Buhlen um die Stimmen der 600.000 NSDAP-Mitglieder, später, bei der nächsten Wahl im 49er-Jahr, sondern das begann schon 1945. Es ging nicht nur um die Stimmen, sondern es ging darum, dieses Reservoir, diese Kraft zu erhalten. Am Anfang war es noch so: Da, in dieser Siedlung, gab es einen jungen Genossen, ein Jude, der aus der englischen Emigration nach Hause gekommen ist, ich glaube 1946, der verübte Selbstmord. Er war verliebt in die Tochter eines hohen burgenländischen sozialistischen Funktionärs – ich will den Namen nicht nennen -, die Eltern waren gegen diese Liaison und gegen eine Heirat, weil er Jude war. Der junge Mann hat das nicht verkraftet, dass nach dem Sieg über die Hitlerei in den höheren Rängen der wiedergeborenen sozialistischen Partei noch der Antisemitismus in dieser Form vorhanden sein kann. Es ist ja absurd, das hält ja keiner aus. So war es. Es gab nicht den geringsten Versuch, den Nationalsozialismus aus den Köpfen der Menschen hinauszubringen, den Antisemitismus, den Rassismus, den Deutschenwahn usw., nicht den geringsten Versuch; Alibigeschichten hat es gegeben.“

Ungebrochener Antisemitismus

Sich den ehemaligen Nazis anzudienen, und es den jüdischen und linken Heimkehrern nach dem Krieg möglichst schwer zu machen wieder Fuß zu fassen, dafür waren die beiden führenden SPÖ-Politiker Adolf Schärf und Oskar Helmer verantwortlich. Noch 1957 kursierte im Präsidentschaftswahlkampf der Slogan: „Wer einmal schon für Adolf war, wählt Adolf (Schärf) auch in diesem Jahr!“ Sie stellten zusammen mit Karl Renner die Spitze der sogenannten Rechtssozialisten und waren unter anderem dafür verrufen, dass sie es sich während der Nazidiktatur gemütlich einrichten konnten, während andere Sozialisten ermordet wurden, ins KZ kamen oder fliehen mussten. Dem Anführer der sozialistischen Partei im Untergrund (die Sozialdemokraten hatten sich kurzerhand in Revolutionäre Sozialisten umbenannt) und wahrscheinlich populärsten Sozialdemokraten der (Nach)-Kriegszeit, Joseph Buttinger, wurde die Heimkehr überhaupt jahrelang unmöglich gemacht.

SPÖ Innenminister Oskar Helmer hat sich innerhalb der Nachkriegsregierung als offen judenfeindlich hervorgetan. Einmal gab er zu Protokoll: „Ich sehe überall nur jüdische Ausbreitung wie bei der Ärzteschaft, beim Handel vor allem in Wien. Die Sache (der Rückerstattung jüdischen Vermögens) ist aber auch eine politische. Auch den Nazis ist im Jahre 1945 alles weggenommen worden und wir sehen jetzt Verhältnisse, dass sogar der nationalsozialistische Akademiker auf dem Oberbau arbeiten muss.“
Der SPÖ-Innenminister war auch persönlich dafür verantwortlich, dass so viele Holocaust-Überlebende bis zuletzt keine Entschädigung erhalten haben. Helmer: „Ich bin dafür, dass man die Sache in die Länge zieht. Es gibt schon Leute, die das verstehen. Die Juden werden das selbst verstehen, da sie im Klaren darüber sind, dass viele gegen sie Stellung nehmen.“

Organisierte Flucht

Das Bild von Helmer wird erst vollständig, wenn man seine Rolle bei der Tauernflucht kennt. Helmer war persönlich in das Gelingen der offiziell illegalen Transporte involviert. Einer der ersten LKW aus dem DP-Lager in Saalfelden wurde nahe Krimml von der Gendamerie aufgehalten, die nicht recht wusste, was sie von der Sache halten sollte. Laut dem Postenkommandanten von Krimml, Helmut Kraut, und einem Interview mit einem der Flucht-Organisatoren, dem KZ-Überlebenden Marko Feingold, hat man zuerst in Salzburg und dann bei Innenminister Helmer in Wien nachgefragt, was zu tun sei. Helmer hat Anweisung gegeben: „die Gendarmen sollen die Fenster zumachen, Vorhänge zuziehen, das geht sie nichts an“, und die Menschen im LKW-Transport sollten „nicht zum Fenster rausschauen.“ Er war also schon von den Vorbereitungen der Flucht nach Palästina informiert, genauso wie die amerikanischen Besatzungsbehörden. Die stellten der zionistischen Fluchthilfeorganisation Bricha LKWs zur Verfügung und unterstützten die gezielte Verlagerung jüdischer Flüchtlinge. In das DP-Lager Givat Avoda in Saalfelden wurden von der Bricha fast ausschließlich junge Leute, die den Marsch über die Berge schaffen konnten und die in Palästina in der zionistischen Armee Haganah dienen konnten, gebracht. Ohne Absprache mit den Amerikanern war das ganze Unternehmen in dieser Form nicht machbar.

Daran wäre nichts Verwerfliches, hätte man den heimatlosen Jüdinnen und Juden nicht gleichzeitig das Leben in Österreich (und ganz Europa) oder die Aufnahme in die Ausreiseländer ihrer Wahl so unheimlich schwer gemacht. Nur 16.000 entwurzelte jüdische Menschen bekamen ein Visa in die USA. Die USA waren das Zielland Nummer Eins für die dem Krieg Entflohenen und die Überlebenden. Der zionistische Organisator Chaplain Klausner vermerkte in einem später für den Amerikanischen Jüdischen Kongress verfassten Bericht, dass die meisten Flüchtlinge trotz dieser intensiven und stark emotionalisierten Kampagne in die Vereinigten Staaten reisen wollten. Tatsächlich verrät Klausners eigene Einstellung das unmenschliche Gesicht des Zionismus. Er schloss seinen Bericht mit den Worten: „Ich bin der Überzeugung, dass die Menschen gezwungen werden müssen, nach Palästina zu gehen.“ Österreich stellte sicher, dass die jüdischen Ankömmlinge keine Wurzeln schlagen konnten und die Bricha sorgte gemeinsam mit einigen der führenden Weltmächte dafür, dass die Überlebenden keinen anderes Land fanden, in das sie gehen konnten. Ob die überlebenden Jüdinnen und Juden wollten oder nicht, sie wurden dazu gezwungen sich am Aufbauprojekt eines kolonialen Siedlerstaates zu beteiligen. Ruti Katz, eine israelische Lehrerin, deren Vater bei den Tito-Partisanen kämpfte, erzählt über ihren Vater: „Er war kein Zionist, er wurde aus der KP ausgeschlossen und konnte nach dem Krieg nirgendwo sonst hingehen!“

Antisemitische Hungerdemonstrationen

Antisemitismus gab es in allen politischen Lagern. Am 20. August 1947 zog eine „Hungerdemonstration“ in Bad Ischl vor das Hotel Kreuz, das als Lager für entwurzelte jüdische Menschen in Bad Ischl diente. Fensterscheiben wurden eingeworfen und Rufe wie „Aussi mit den Juden!“, oder „Schlagt die Juden tot!“, „Hängt die Saujuden auf!“ und „Nieder mit den dreckigen Juden!“ waren zu hören. Eine Frau rief während der Demonstration „Heil Hitler!“ und vor dem Hotel „Hoch Stalin!“. An die Spitze des Demonstrationszugs hatten sich lokale KPÖ-Mitglieder gesetzt. Die Lagerinsassen erinnerte es an die „spontanen“ Demonstrationen, die die SA zu den Novemberpogromen neun Jahre zuvor im ganzen deutschen Reich organisiert hatte. Fünf KP-Mitglieder und ein Nazi wurden verhaftet und von einem US-amerikanischen Militärgericht zu drakonischen Haftstrafen zwischen einem und fünfzehn Jahren verurteilt.

Die KPÖ und das offizielle Österreich gaben sich empört und intervenierten bei General Keyes, dem Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Österreich. Der beugte sich dem Druck: Das Lager wurde aus Bad Ischl nach Linz verlegt und die Haftstrafen wurden auf maximal ein Jahr gesenkt. Antisemitismus hat also wieder einmal triumphiert. Die kommunistische Volksstimme unterstellte in der bewährten antisemitischen Manier den jüdischen Flüchtlingen weiterhin, Schleichhändler gewesen zu sein. In der Ausgabe vom 14. September 1947 hieß es, dass sich „in den Fenstern des Hotels die Butterstriezel stapelten.“ Das Lager sei eine „Schleichhändlerzentrale“ gewesen. Bundesminister Karl Altmann (KPÖ) beschwerte sich, dass „jede Kleinigkeit schon als Antisemitismus angesehen werden muss. Mir scheint das sehr gefährlich, wenn jetzt obendrein noch von Regierungsseite erklärt wird, dass es sich in Ischl um antisemitische Demonstrationen gehandelt hat.“ Der Hass habe sich ja „nicht gegen die Juden“ gerichtet, sondern „nur gegen die Schleichhändler“.

„Es gab nicht den geringsten Versuch, den Nationalsozialismus aus den Köpfen der Menschen hinauszubringen, den Antisemitismus, den Rassismus, den Deutschenwahn usw., Alibigeschichten hat es gegeben.“
Bruno Furch

Leider war Bad Ischl kein aus dem Ruder gelaufener Einzelfall: am 28. August 1947 organisierten in Braunau wieder KPÖ-Mitglieder eine „Hungerdemonstration“. Auf dieser wurde gefordert, die jüdischen „Displaced People“ aus dem Lager Ranshofen zu deportieren. Unbekannte haben in der Folge die Behelfssynagoge im Lager Ranshofen fast vollständig zerstört. Der Bericht eines jüdischen Augenzeugen aus Bad Ischl endete mit den Worten: „Man hatte den uralten Prügelknaben der Weltgeschichte, den Juden, wieder einmal in seinen Fängen.“ John Rose, ein jüdischer Sozialist dieser Generation schrieb: „Jüdische Kinder auf der ganzen Welt, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Schatten des Holocaust aufwuchsen, bekamen ein dauerhaftes Bild in ihr frühestes Gedächtnis eingeprägt, das zwei Seiten hatte: von Angst gezeichnete menschliche Skelettgebilde in widerlichen Häftlingsuniformen mit angenähten oder angemalten gelben Sternen, die, kaum noch lebendig, hinter dem Stacheldraht von Ausschwitz darbten — und Israel, das glorreiche Israel, Retter der Juden, jenes von Gottes Wort bekräftigte Versprechen, dass eine solche todbringende Sintflut niemals, aber wirklich niemals wieder über das jüdische Volk hereinbrechen würde.“

Der Schlächter von Wilna

Der steirische SS-Mann Franz Murer war für die Ermordung tausender Juden im Ghetto von Vilnius verantwortlich. Er war Alfred Rosenberg unterstellt, dem Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, der sich die „Ausmerzung des gesamten Judentums in Europa“ zum Ziel gesetzt hatte. Osteuropa war sein Versuchsfeld und Murer einer derjenigen, die das umsetzten. Murer war für seinen Sadismus unter den Opfern berüchtigt. 1947 wurde er, der sich auf seinen Bauernhof in Gaishorn am See im Bezirk Liezen zurückgezogen, von Simon Wiesenthal entdeckt. Die Briten nahmen ihn nur widerwillig fest, die Russen verurteilten ihn zu 25 Jahren Zwangsarbeit, aber schon 1955, zur Unterzeichnung des Staatsvertrags wurde er begnadigt. Die österreichische Justiz stellte vorerst alle Verfahren gegen ihn ein. Erst 1962, wieder auf Intervention von Simon Wiesenthal, wurde aufgrund der zahlreichen neuen Belege gegen ihn, ein neues Verfahren aufgenommen. Dieses Verfahren wurde 2017 unter Titel „Murer – Anatomie eines Prozesses“ verfilmt, und gilt als einer der größten Justizskandale der Zweiten Republik. Zahlreiche Zeugen aus aller Welt reisten nach Graz und schilderten Murers grauenhafte Verbrechen. Manche brachen im Gerichtssaal zusammen, sie wurden vom Anwalt und teils vom Publikum verhöhnt. Murer mimte den Unschuldigen, einen arglosen Bauern, der im Krieg nur seine Pflicht getan hätte. Die Zeugen würden lügen oder seien einfach hysterisch. Sogar der linke Justizminister Christian Broda hat für den Naziverbrecher interveniert. Murer wurde freigesprochen und mit Rosen am Ausgang des Gerichts empfangen. Er lebte weiter als angesehener Großbauer in Gaishorn und war bis zuletzt Bezirksbauernvertreter der ÖVP.

Kreisky gegen Wiesenthal

Simon Wiesenthal war einer der Holocaustüberlebenden, die sich nicht damit abfinden wollten, dass die Naziverbrecher in Österreich gar so ungeschoren davonkamen. Wäre der Krieg von den Alliierten tatsächlich als Krieg gegen den Faschismus geführt worden, dann hätte man erstens alles getan um den überlebenden Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, hätte ihnen die Ansiedlung überall dort ermöglicht wo sie hinwollten, hätte für ihre Entschädigung gesorgt und hätte sie an den Urteilen über die Naziverbrecher mitwirken lassen. Man kann ohne Einschränkung behaupten, dass genau das Gegenteil geschehen ist. Die Opfer wurden weiterhin verfolgt und schikaniert und die Täter wurden nicht nur begnadigt, oft genug wurden sie noch belohnt. Ein solcher Täter war Friedrich Peter, Obmann der FPÖ von 1958 bis 1978. Wiesenthal ging 1975 mit der Nazivergangenheit Peters an die Öffentlichkeit, als Bruno Kreisky einen Pakt mit der FPÖ schloss; Friedrich Peter sollte Vizekanzler werden. Friedrich Peter war SS-Offizier einer Einheit, die 1941 die systematische Erschießung von hunderttausenden Jüdinnen und Juden durchführte. Er wurde für seine besondere „Tapferkeit“ als einer der wenigen dafür vom Naziregime ausgezeichnet. Wie reagierte Bruno Kreisky, der als jüdischer Sozialist selbst vor den Nazis fliehen musste? Er griff Wiesenthal an, und unterstellte ihm sinngemäß, er sei ein Nazi-Kollaborateur gewesen. Der damalige SPÖ-Klubobmann und spätere Bundespräsident, Heinz Fischer, assistierte Kreisky und forderte einen Untersuchungsausschuss gegen Wiesenthal.

Antisemitismus in der zweiten Republik

Österreich vermied nicht nur unmittelbar nach dem Krieg mit allen Mitteln eine Bestrafung der Naziverbrecher und Wiedergutmachung an den Opfern des Nationalsozialismus, die Republik kokettiert bis heute mit Antisemitismus und spielt mit antisemitischen Klischees. Zuletzt Anfang Juni, als ÖVP-Klubobmann einen erleichterten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft mit einem Argument abwehrte, das stark an den antisemitischen Mythos des großen Bevölkerungsaustauschs erinnerte: „Die Links-Parteien wollen mittels Masseneinbürgerungen die Mehrheitsverhältnisse im Land ändern.“ Am offensten bediente sich die ÖVP während der Kandidatur von Kurt Waldheim für die Bundespräsidentschaft antisemitischer Klischees. Waldheim wurde nachgewiesen, dass er als ehemaliger UNO-Generalsekretär ein entscheidendes Detail seiner Biographie ausgelassen hatte. Er war SA-Mitglied und er hatte am Balkan in der Wehrmacht gedient. Waldheim gab sich empört, griff den Jüdischen Weltkongress an, und stritt zuerst alles und beharrte später darauf von keinen Naziverbrechen gewusst zu haben. Der Boulevard machte daraus einen Feldzug einer mächtigen jüdischen Lobby an der Ostküste der USA gegen das arme kleine Österreich. Dieses arme kleine Österreich sieht sich scheinbar gezwungen Israel einseitig zu unterstützen – inmitten eines Kriegs, bei dem alleine im Gazastreifen 248 Palästinenser getötet wurden, gegenüber 12 getöteten Israelis. Kanzler Kurz ließ am Höhepunkt des Kriegs die israelische Fahne am Bundeskanzleramt aufziehen. Er und sein Außenminister Schallenberg erwähnten mit keinem Wort die israelischen Kriegsverbrechen in Gaza, sondern sprachen nur von „Verbrechen gegenüber den Menschen in Israel“.

Sich den ehemaligen Nazis anzudienen, und es den jüdischen und linken Heimkehrern möglichst schwer zu machen dafür waren die beiden führenden SPÖ-Politiker Adolf Schärf und Oskar Helmer verantwortlich.

Der Grund dafür liegt mit Sicherheit, so viel kann man bei Kenntnis der österreichischen Nachkriegsgeschichte sagen, nicht in einer grundsätzlichen Haltung gegen Antisemitismus. Kurz und Co. tarnen zwar ihre einseitige Unterstützung Israels zwar mit Sühne für die österreichische Vergangenheit, sie meinen damit aber nicht die nach dem Krieg fortgesetzte antisemitische Politik der Republik. Vielmehr stellen sie sich damit in den Dienst einer Propagandaschlacht gegen den Islam. Die völlige Missachtung palästinensischer Opfer ist Teil dieser Schlacht. Israel wird vom Westen als sein wichtigster kolonialer Vorposten im Orient behandelt. Kurz kombiniert einfach geschickt und verschlagen antimuslimischen Rassismus mit Israelsolidarität. Das ist Teil seiner Inszenierung als Frontmann der Rechten. Einen schlechteren Freund kann sich jüdische Weltbevölkerung nicht wünschen.