Stellungnahme der „International Socialist Tendency“ gegen die extreme Rechte.

Angesichts der sehr bedenklichen Erfolge, welche die extreme Rechte weltweit einfahren konnte und angesichts der kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament und einigen nationalen Parlamentswahlen, veröffentlichen wir die Stellungnahme der internationalen sozialistischen Strömung (IST).
5. Mai 2024 |

1. Die extreme Rechte ist weltweit auf dem Vormarsch. Javier Milei, der neue „libertäre“ Präsident Argentiniens, vertritt nicht nur eine knallharte neoliberale Wirtschaftspolitik, sondern ist auch ein Apologet der mörderischen Militärdiktatur, die das Land zwischen 1976 und 1983 beherrscht hat. Ein weiterer rechtsextremer Führer, Narendra Modi, kandidiert in Indien für die Wiederwahl. Giorgia Meloni, Italiens faschistische Premierministerin, versucht, die Verfassung zu ändern und die Macht in ihren Händen zu zentralisieren. Geert Wilders wurde zwar daran gehindert, Ministerpräsident der Niederlande zu werden, aber seine Partei für die Freiheit (PVV) erreichte bei den Parlamentswahlen im vergangenen November mit fast 24 Prozent der Stimmen den ersten Platz. Die großen faschistischen Parteien in Deutschland und Frankreich – die Alternative für Deutschland (AfD) bzw. die Nationale Versammlung (RN) – hoffen, bei den Wahlen zum Europäischen Parlament vergleichbar gute Ergebnisse zu erzielen und an ihre Erfolge bei den vergangenen nationalen und lokalen Wahlen anzuknüpfen.

2. Innerhalb der etablierten Rechtsparteien machen zunehmend Leute wie die britische Tory-Politikerin Suella Braverman und Friedrich Merz von der deutschen CDU mit rechtsextremer Rhetorik das Rennen. In Europa könnten die Mitte-Rechts-Parteien versuchen, sich zunehmend auf die Stimmen der Rechtsextremen im Parlament zu stützen. Bei den US-Präsidentschaftswahlen liegt Donald Trump dank seiner starken republikanischen Basis in den meisten Meinungsumfragen vor Joe Biden.

3. Der Vormarsch der extremen Rechten ist eine direkte Folge des Versagens der neoliberalen Parteien von Mitte-Rechts und Mitte-Links. Sie reagierten auf die globale Finanzkrise von 2007-9, indem sie die arbeitende Bevölkerung durch Sparmaßnahmen die Rechnung begleichen ließen. In Griechenland beispielsweise liegt das Pro-Kopf-BIP mit 22.314 Dollar im Jahr 2023 immer noch weit unter seinem Höchststand von 31.902 Dollar im Jahr 2008. Die Löhne wurden durch den Inflationsschub, der durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg verursacht wurde, weiter gedrückt. Dies hat es der extremen Rechten leicht gemacht, die „Eliten“ oder die „Kaste“ demagogisch anzuprangern. Dabei hilft ihnen auch die Tatsache, dass sie beschämenderweise oft die einzigen Parteien sind, die den Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland in der Ukraine kritisieren.

4. Die extreme Rechte versucht, die berechtigte Wut der Bevölkerung darüber, dass sich das Leben der Arbeitnehmer seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise verschlechtert hat, zu verdrängen, indem sie Migranten und Flüchtlinge ins Visier nimmt, obwohl diese zu den größten Opfern der multidimensionalen Krise gehören, in der sich das System jetzt befindet. Schätzungen zufolge haben die imperialistischen Kriege, die von den USA und ihren Verbündeten um die Vorherrschaft im Nahen Osten geführt werden, mindestens 38 Millionen Menschen vertrieben. Die völkermordende israelische Regierung von Benjamin Netanjahu versucht, die Palästinenser aus dem Gazastreifen zu vertreiben. Wenn die Vertriebenen nach Europa entkommen wollen, werden sie zurückgedrängt und schikaniert. 600 Flüchtlinge sind bei einem Schiffsunglück im Mittelmeer vor Griechenland ertrunken, als ihr Boot bei einer Zurückdrängung durch die griechische Küstenwache kenterte.

5. Die Rechtsextremen sind durch die Art und Weise, wie die etablierten Regierungsparteien versucht haben, sie zu beschwichtigen, indem sie Migrationskontrollen verschärft und bürgerliche Freiheiten durch verstärkte Repression angegriffen haben, enorm gestärkt worden. Rishi Sunaks scheiternde Tory-Regierung in Großbritannien versucht verzweifelt, „die Boote“ über den Ärmelkanal zu stoppen, während das Europäische Parlament neue Migranten-feindliche Gesetze verabschiedet und damit die EU-Politik der „Festung Europa“ noch weiter verschärft. Islamophobie diente ursprünglich dazu, die Interventionen des westlichen Imperialismus im Nahen Osten zu rechtfertigen, wurde aber von der extremen Rechten „von unten“ weiterentwickelt. Der bösartige antimuslimische Rassismus, den sie predigen, wurde von den Regierungsparteien in den Mainstream gebracht. Ihre Islamophobie brachte die extremen Rechten dazu, Israel nachdrücklich zu unterstützen, während sie gleichzeitig antisemitische Themen aufgreifen. Die Regierungen stärken sie dabei, indem sie Kritiker Israels als antisemitisch abstempeln und insbesondere Muslime und antizionistische Juden, die sich gegen den Völkermord einsetzen, ins Visier nehmen.

6. Die extreme Rechte und die breit angelegte rassistische Offensive müssen unnachgiebig und in größtmöglichem Umfang bekämpft werden. Da sie ihre größten Fortschritte bei Wahlen erzielt haben, müssen sie auch dort bekämpft werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass, um diese Politik zu bekämpfen, Mitte-Links-Parteien unterstützt werden sollten, die eine neoliberale Politik verfolgen und gleichzeitig die extreme Rechte und deren gegen Migranten gerichteten Rassismus demagogisch unterstützen. Bei den bevorstehenden Wahlen, zum Beispiel zum Europäischen Parlament, rufen wir dazu auf, für Listen oder Kandidaten zu stimmen, die sich gegen Austerität, Rassismus und Krieg aussprechen und sich solidarisch mit dem palästinensischen Volk zeigen.

7. Viel wichtiger als diese Wahlkampfarena ist jedoch der Kampf auf den Straßen und an den Arbeitsplätzen. Wir arbeiten an der Mobilisierung von Massenwiderstand gegen die organisierten Faschisten und versuchen, uns mit unseren Gewerkschaftskollegen, mit politischen Organisationen der Linken und mit kommunalen Organisationen zusammenzuschließen, um faschistische Angriffe und Aufmärsche zu verhindern. Wir bemühen uns um den Aufbau möglichst breiter Massenbewegungen, die all diejenigen vereinen, die sich gegen Rassismus und für Solidarität mit Migranten und Flüchtlingen einsetzen.

8. Die Wurzeln von Rassismus und Faschismus liegen tief im kapitalistischen System, dessen Krise den Aufstieg der extremen Rechten begünstigt. Als Tendenz arbeiten wir für die internationale sozialistische Revolution, die notwendig ist, um die Welt vom Kapitalismus und allen Übeln, die er mit sich bringt, zu befreien und um Gerechtigkeit für alle auf der Grundlage einer echten Demokratie von unten zu erreichen. Die palästinensische Solidaritätsbewegung – repräsentiert durch die inspirierenden Studentenproteste in den Vereinigten Staaten – weist uns den Weg zu der Art von antiimperialistischer und antirassistischer Linker, wie wir sie aufbauen müssen.

Die Koordination der „International Socialist Tendency“ am 2. Mai 2024