Türkisgrün: Klimaschutz verlangt einen Bruch mit herkömmlicher Politik

Zu lange hat sich die Politik geweigert die nötigen Schritte gegen den Klimawandel zu setzen. Zu lange haben Regierungen Rassismus und damit die radikale Rechte befeuert. Deshalb ist es die einzig richtige Forderung unserer Zeit, endgültig mit der herkömmlichen Politik zu brechen.
5. Januar 2020 |

Es ist schwierig sich auf etwas scheinbar so irrelevantes, kleines, wie die neue österreichische Regierungskoalition zu konzentrieren, angesichts der Brände in Australien, der katastrophalen Eskalation der Klimakrise und dem nur mehr sehr schwierig zu vermeidendem Krieg zwischen Iran und den USA. Aber wir müssen diese Regierung und ihre Vorhaben, die sie soeben in ihrem Regierungsprogramm bekanntgegeben hat, genau aus diesem globalen Blickwinkel bewerten.

Hoher Preis für Klimaschutz?

Ein Aspekt ist klar, sie wird den bisherigen Kurs in Sachen Abbau der Menschenrechte fortsetzen. Das stellen nicht einmal die Grünen wirklich in Abrede. Die Regierung will Unschuldige auf Verdacht (worauf?) einsperren, ein Projekt der FPÖ, das sich Sicherungshaft nennt. Sie wird die Unabhängigkeit der Rechtsberatung für Asylsuchende zerstören und aus Seenot Gerettete in irgendwelche Lager in Drittländer pferchen. Sie wird sich nicht an der Verteilung von Flüchtlingen beteiligen, die in EU-Grenzländern wie Griechenland gestrandet sind. Sie wird subsidiär Schutzberechtigte von Sozialleistungen ausschließen und weiterhin Abschiebungen nach Afghanistan erzwingen. Das sind allesamt Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Es sei der Preis gewesen, den sie für die Durchsetzung von Klimaschutzpolitik zu bezahlen gehabt hätten, sagen die Grünen. Diese Rechtfertigung ist an sich schon absurd, weil es keine Klimaschutzpolitik geben kann, die die vor dem Klimawandel Schutzsuchenden aussperrt. Man kann eben nicht gleichzeitig das Klima und die Grenzen schützen, wie Sebastian Kurz so dümmlich behauptet hat. Man muss Klimaschutzpolitik betreiben und die Grenzen öffnen.

Inadäquate Methoden

Aber kommen überhaupt effektive Klimaschutzmaßnahmen? Wird ein Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft angepeilt? Soeben hat die OMV (mit 124,3 Mio. Tonnen CO2 im Jahr 2015 immerhin auf Platz 82 der hundert größten Emittenten von Treibhausgasen) bekanntgegeben, dass sie ihre umstrittenen Ölförderaktivitäten vor der Küste Neuseelands beginnen und noch ausweiten wird. Dabei muss klar sein, dass die Klimakatastrophe nur verhindert werden kann, wenn wir die fossilen Brennstoffe im Boden belassen („Keep them in the ground!“).

Dazu tragen die bisher angekündigten Maßnahmen der Regierung aber nur marginal bei: kleine Preiserhöhung von Kurz- und Mittelstreckenflügen um ein paar Euro, billigere Öffi-Tickets, Abkehr von Öl- und Kohleheizungen in privaten Haushalten, das ist mehr als bisher versucht wurde, aber in Wahrheit eine Irreführung der Öffentlichkeit. Die OMV ist nur einer der fossilen Giganten der Welt, aber es sind diese größten Treibhausgas-Emittenten bei welchen wir den Hebel ansetzen müssen. Die Ressourcen der Großkonzerne, das Potential seiner Arbeiter_innen, bei ihnen liegt der Schlüssel. Was immer wir als Konsumenten verändern, was immer man uns zumutet, die Wirkung dieses Hebels ist null und nichtig, weil die Mineralölkonzerne die Förderung und Verarbeitung fossiler Brennstoffe weiter betreiben.

Österreichs CO2-Budget

Bis Mitte 2022 will die Regierung eine ökosoziale Steuerreform ausarbeiten. Wir glauben nicht an die Wirkung solcher Reformen, weil sie am Ende doch nur bewirken, dass Kapitalismus weiter bestehen kann, mit seinem blinden Drang Kapital zu akkumulieren, inklusive dem fossilen Kapital.

Aber selbst wenn man es mit den Maßstäben der Verfechter einer CO2-Steuer misst: Sie käme zu spät und die ihr zugesprochene Wirkung wäre viel zu bescheiden. Würde Österreich die weltweit höchste CO2-Steuer von 120 Euro je Tonne CO2 einführen und aggressive Begleitmaßnahmen im Verkehr etc., wäre laut WIFO-Studie bestenfalls eine Einsparung von 2,6 Mio. Tonnen machbar. Das sind nur rund 3 Prozent der über 80 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent, die Österreich im Jahr 2019 emittiert hat. Und völlig unzureichend um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, wenn man das Österreich verbleibende CO2-Budget von ca. 800 Mio. Tonnen Kohlendioxid ab 2020 heranzieht (983 Mio. Tonnen CO2 für den Zeitraum 2017 bis 2050).

Mit 95 km/h Richtung Abgrund

Anders gesagt: Österreich wird die verbleibende Schonfrist mit den von der Türkis-Grünen Regierung vorgeschlagenen Methoden um vielleicht ein Viertel Jahr verlängern. Das ist als würden wir uns damit zufrieden geben mit 95 km/h anstatt mit 100 km/h auf den Abgrund zuzurasen. So dumm sind wir nicht und für so dumm dürfen wir uns nicht verkaufen lassen. Greta Thunberg hat solcher Augenauswischerei schon bei der Klimakonferenz in Madrid die Leviten gelesen: „Ich glaube nicht, dass die wirkliche Gefahr für die Welt in der Untätigkeit liegt, Die wirkliche Gefahr ist, dass Politiker und Firmenchefs so tun, als würde gehandelt, während in Wahrheit so gut wie nichts getan wird, außer schlauer Buchführung und kreativer PR.“

Wollen wir nicht mit 95 km/h weiter auf den Abgrund zurasen, müssen wir die Herrschenden aus dem Cockpit stoßen und selbst das Steuer übernehmen. Klimaschutz verlangt nach revolutionärer Politik.