Was wirklich gegen die Klimakatastrophe getan werden muss
Der Klimawandel ist kein Phänomen, das erst auf uns zukommt – er findet jetzt gerade statt! Wenn wir sofort alle Emissionen global einstellen, würden wir durch die verzögerte Reaktion des Klimas immer noch auf geschätzte 1,5°C Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit kommen. Selbst wenn man also das Schlimmste abwendet, wird es dennoch zu sicht- und spürbaren Veränderungen kommen. Der Anstieg des Meeresspiegels und Sturmkatastrophen werden zig Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertreiben. Tief liegende Regionen wie Bangladesch könnten komplett überflutet werden. Nach einer Studie der Umweltschutzorganisation WWF werden allein in den Philippinen 13 Millionen Menschen aus den Küstengebieten umgesiedelt werden müssen.
Massenmigration
Man muss sich also auf Millionen Klimaflüchtlinge vorbereiten und auf ihre Wünsche eingehen, wo sie leben wollen, anstatt sie zwangsweise umzusiedeln. Eine Massenmigration ist aber unausweichlich. Beim Bau neuer Siedlungen soll nicht willkürlich vorgegangen werden, sondern auf CO2-intensive Baustoffe wie Zement verzichtet und stattdessen auf nachhaltigere Materialien, wie Holz, Bambus etc. zurückgegriffen werden. Einen natürlichen Schutz vor Überflutungen und Tsunamis können Mangrovenwälder bieten. Diese sind nicht nur Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren, sondern auch natürliche Barrieren gegen Flutwellen. Diese Wälder wirken wie Deichanlagen und müssen daher wieder dort gepflanzt werden, wo sie zuvor für Shrimpfarmen und Luxushotels gerodet wurden. Wo Deiche und Ufermauern jedoch nicht mehr ausreichen, müssen gefährdete Siedlungen aufgegeben und verlagert werden. Kraftwerke und Fabriken in Küstenregionen, die Wasser zur Kühlung einsetzen, müssen abgeschaltet, gesichert oder abgesiedelt werden, weil die Folgen ihrer Zerstörung weitere Katastrophen auslösen würden.
Geo-Engineering: keine Lösung
Dem Argument, dass Geo-Engineering das Klima retten würde, können seriöse Klimaforscher _innen nichts abgewinnen. Gemeint sind Methoden wie Sonnenlicht-reflektierende Stoffe in die Atmosphäre zu bringen, oder CO2 technologisch der Atmosphäre zu entziehen. Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Klimaforschungsinstitut und Matthew England betonen: Geo-Engineering ist entweder zu teuer, zu gefährlich oder beides. Es gibt bereits bessere und günstigere Alternativen. Die Debatte verleitet nur zu dem Irrglauben, dass man die Emissionen nicht schon jetzt reduzieren müsse, da bald technische Lösungen zur Verfügung stehen werden.
Leave them in the ground
Ob Öl, Kohle oder Gas, wenn die vorhanden Vorkommen ausgeschöpft werden sollten, wird die Klimakatastrophe unkontrollierbar (runaway climate change). Kohle ist die schmutzigste Energiequelle von allen. Um einen weiteren Anstieg des CO2-Anteils in der Luft zu verhindern, muss es zu einem Stopp der Öl, Gas- und Kohleförderung kommen. In einem IPCC-Sonderbericht listen Klimaexpert_innen auf, wie vorgegangen werden muss, um das 1,5 Grad-Ziel möglichst noch einzuhalten: Der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids muss bis 2030 um 45 Prozent gegenüber dem Wert von 2010 reduziert werden. 2050 muss der Ausstoß bereits bei null liegen. Außerdem muss der Anteil der Kohle baldigst auf null sinken. Dass sich Politiker trotz aller Expert_innenmeinungen immer noch an Kohle und Co festkrallen, ist ein Verbrechen!
Bei der Energieversorgung ist man nicht auf fossile Brennstoffe angewiesen.
Eine deutsch-finnische Studie bestätigt: Wir könnten bis 2050 den gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen decken, weltweit und zu jeder Zeit. Alleine im Stromsektor würden so weltweit zusätzliche 15 Millionen Arbeitsplätze, insgesamt 35 Millionen, bis zum Jahr 2050 entstehen. Um die 40 Prozent der Energie kann von heute auf morgen eingespart werden, indem man sinnlose Verpackung, Werbung und ähnliche Verschwender ausschaltet. Zusätzlich müssen sofort Gebäude isoliert werden. Das wird auch unzählige Arbeitsplätze schaffen für die Menschen, die bereits arbeitslos sind, oder ihre Jobs in der Fossil-Industrie verlieren werden, wenn wir die Förderung von fossilen Energieträgern einstellen.
Verkehr
Der öffentliche Raum muss so umgestaltet werden, dass im Nahverkehr kein PKW gebraucht wird. Rad- und Fußgängerwege und das Netz des öffentlichen Nahverkehrs werden ausgebaut. Auch der Fernverkehr wird zukünftig nicht vom Auto abhängig sein. Der Güterverkehr wird soweit wie möglich von der Straße auf die Schienen verlegt. Schon heute wird an transkontinentalen Hochgeschwindigkeitszügen, etwa Beijing – London, getüftelt.
Hochgeschwindigkeitszüge, wie„Zefiro“, werden in einem kostruktiv gestalteten Anthropozän für Langstrecken eingesetzt werden © Tahirvanli (CC BY-SA 4.0)
Nahrungsmittelproduktion
Die kapitalistische Form der Nahrungsmittelproduktion ist eine der größten Faktoren des Klimawandels. Eine radikale Umwälzung der gesamten Lebensmittelproduktion ist notwendig. Im britischen medizinischen Fachjournal, The Lancet, veröffentlichte eine internationale Kommission eine Studie mit dem Titel „Food in the Anthropocene“. Das Thema der Forschung: Wie können wir die Lebensmittelindustrie so ändern, dass allen Menschen eine gesunde Ernährung gesichert wird und gleichzeitig die Produktionsbedingungen so geändert werden, dass die Umwelt keinen Schaden nimmt.
Die nachhaltige Herstellung von gesunder Nahrung ist abhängig von einem funktionierenden Ökosystem. Um das zu erhalten, muss wiederum jede Umweltzerstörung sofort eingestellt werden. Außerdem muss bis 2050 laut der Studie der globale Konsum von beispielsweise rotem Fleisch (wie Rindfleisch, dessen Produktion sehr energieaufwändig ist, im Gegensatz zu Fisch und Huhn, die hinsichtlich Energieaufwand sehr ergiebig sind) und Zucker um 50% reduziert werden und gleichzeitig auf eine größtenteils pflanzenbasierte Ernährung umgestiegen werden.
Eine weitere notwendige Forderung ist das Vermeiden der Lebensmittelverschwendung. Weltweit gehen ca. ein Drittel der für die menschliche Ernährung erzeugten Lebensmittel verloren oder werden weggeworfen. Das sind jährlich um die 1,3 Milliarden Tonnen. Land, Saatgut und Wasser soll nicht mehr in den Händen von privaten Konzernen sein, damit wirklich produziert werden kann, was auch benötigt wird.
Planung statt Verschwendung
Diskussionen über Verschwendung konzentrieren sich oft auf das Verhalten der Konsument_innen, dabei ist Ressourcenverschwendung und Ineffizienz Teil des Kapitalismus. Es wird nicht rational produziert und Unternehmen orientieren sich nicht daran, was von der Bevölkerung benötigt wird, sondern am eigenen Profit. Erst wird im Überfluss produziert, dann schafft man Märkte oder wirft übriggebliebene Produkte einfach wieder weg.
Firmen arbeiten nicht zusammen, um Produkte weiter zu verbessern und effizienter zu machen, sondern stehen im Wettbewerb, wer z.B. das bessere Smartphone raus bringt. Geplante Obsoleszenz (absichtlich eingebaute Verkürzung der Lebensdauer) macht Produkte frühzeitig reif für die Müllhalde, obwohl man langlebige herstellen könnte. Die Modeindustrie wirft Fast Fashion auf den Markt, die schnell nur mehr aus Fetzen besteht, damit man sich erneut neu einkleiden muss. Wirtschaft muss demokratisch organisiert und rational geplant werden!
Aufforstung
Aufforstung ist eine Möglichkeit, große Mengen an Kohlenstoff zu binden. Ein Kubikmeter Holz speichert ca. eine Tonne CO2. Aufforstung im großen Stil, global auf wissenschaftlicher Basis geplant und unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung durchgeführt, ist die sicherste und zukunftsträchtigste der bekannten Methoden, CO2 aus der Atmosphäre zu binden, also CO2-Senken zu schaffen. Daneben gelten Humusböden und Feuchtgebiete als sehr effektive CO2-Senken.
Auch die Ozeane speichern riesige Mengen CO2, allerdings werden sie durch die dabei entstehende Kohlensäure saurer, was schreckliche Folgen für Flora und Fauna haben wird. Deshalb gilt es alle uns bekannten Methoden baldigst zum Einsatz zu bringen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings keine technische, sondern politisch. Wir müssen die herrschenden Eliten entmachten, damit die Vernunft regieren kann.
Äthiopiens Bevölkerung pflanzte 2019 an nur einem Tag 353 Millionen Bäume © PMEthiopia (Twitter)