Wir können Millionen Klimaflüchtlinge aufnehmen

Die Auswirkungen des Klimawandels treten immer deutlicher zutage: die Lebensgrundlage von Millionen Menschen wird zerstört und wird sie zur Flucht zwingen. Die ignorante Klima- und Migrationspolitik der EU verschärft die Probleme in jeder Hinsicht. Doch wir werden uns den Herausforderungen der unabwendbaren Massenmigration stellen müssen.
18. Dezember 2018 |

Am 17. und 18. Dezember lud Kanzler Sebastian Kurz unter dem Motto „Hilfe vor Ort“ zum EU-Afrika-Gipfel nach Wien. Angekündigt sind auch der aktuelle Präsident der Afrikanischen Union (AU) und autokratischer Herrscher Ruandas, Paul Mugabe, und der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Gemeinsam soll vor allem Wirtschaftliches diskutiert werden – in Wahrheit die weitere neoliberale Umstrukturierung des afrikanischen Kontinents zugunsten der Reichen und auf Kosten der Armen und der Umwelt.

Gleichzeitig ist klar, an nachhaltiger „Hilfe vor Ort“ haben weder Österreich noch die EU Interesse. Nicht nur, dass man es US-Präsidenten Trump nachmachte und die Ziele des Pariser Klimagipfels kurzerhand in den Wind schlug. Die Aussage hinter der Ablehnung des UN-Migrationspakts ist doch: Wir zerstören zwar eure Lebensgrundlage, aber deshalb dürft ihr noch lange nicht nach Europa kommen! Anders als in der Genfer Konvention ist der Klimawandel im UN-Migrationspakt nämlich als anerkannter Fluchtgrund vorgesehen. Innenminister Herbert Kickl verkündete schon im September 2017 (damals noch FPÖ-Generalsekretär): „Der Klimawandel darf niemals ein anerkannter Asylgrund werden.“ Kein Wunder also, dass Österreich den Pakt nicht unterzeichnete. So einfach werden es sich die Herrschenden aber nicht machen können: Laut einer Rechnung der Weltbank werden bis 2050 mehr als 140 Millionen Klimaflüchtlinge unterwegs sein.

Fluchthilfe notwendig

Für viele Menschen stellt der Klimawandel schon jetzt eine akute Bedrohung dar. Durch die Erwärmung der Atmosphäre werden Eismassen schmelzen, ein Anstieg des Meeresspiegels um zwei Meter ist kaum noch zu vermeiden. Zumindest mittelfristig ist für Klimawissenschaftler_innen absehbar, welche Gebiete nicht mehr bewohnbar sein werden. Darauf müssen wir uns vorbereiten. In Regionen wie etwa Bangladesch, das in einem Flussdelta und zum Großteil kaum fünf Meter über dem Meeresspiegel liegt, zerstören die Überschwemmungen schon jetzt die Lebensgrundlage vieler Menschen. Sie sind gezwungen, in die Slums der Städte abzuwandern und dort im Elend zu leben. In den nächsten Jahrzehnten rechnet man dort mit über 40 Millionen Flüchtlingen. Aus solchen Regionen werden sich die Menschen unweigerlich Richtung Norden aufmachen.

Auch zunehmende Hitze und Dürre werden das Leben in vielen Teilen der Erde unmöglich machen. Diesen Menschen müssen wir helfen, diese Orte zu verlassen. Es wird notwendig sein, sichere Verkehrswege zu schaffen, Siedlungen zu bauen und so neue Perspektiven zu öffnen. Dabei darf aber nicht einfach über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden werden, sondern vielmehr muss, um die Vertiefung und Neuschaffung sozialer Spannungen zu vermeiden, berücksichtigt werden, wo sie in Zukunft leben wollen. Durch die zunehmende Versalzung der Süßwasservorkommen beispielsweise wird es zu Wasserknappheit kommen. Um Kriege oder andere Auseinandersetzungen zu vermeiden, muss die Lösung eine globale sein. Weltweite Demokratie und internationale Solidarität sind dafür unausweichlich!

Solidarische Lösungen

Die Auswirkungen des Klimawandels werden sich nicht auf einzelne Regionen beschränken, sie werden aber unterschiedlich ausgeprägt sein. Einerseits wird es gänzlich unbewohnbare Gegenden geben, aus denen die Menschen umgesiedelt werden müssen, andererseits wird man sich vielerorts an neue Bedingungen anpassen müssen. Vorstellbar ist, dass manche Teile der Erde erstmals landwirtschaftlich nutzbar werden, wie etwa aufgetaute Permafrostböden oder ausgetrocknete Sümpfe. Durch die veränderten klimatischen Bedingungen wird sich auch die Vegetation ändern, man wird von bisher gewohnten Anbaumethoden auf andere umsteigen müssen.

Die Bewohner_innen der Insel Tuvalu haben Angst davor, dass ihre Insel untergehen könnte © famvin

 

Dennoch wird eine Massenfluchtbewegung unausweichlich sein. Sollte Mitteleuropa eine der wenigen Regionen sein, die langfristig bewohnbar sind, müssen wir uns darauf vorbereiten, hunderte Millionen Menschen aufzunehmen. Dann braucht es neue Formen des Zusammenlebens und eine Umgestaltung des Wohnraums. Denn auch vor Mitteleuropa wird die Klimaveränderung nicht halt machen. Der heiße Sommer 2018 kann als Vorgeschmack gesehen werden: Extremwetterlagen werden sich häufen. Es ist durchaus möglich, dass auch die Österreicher_innen einmal gezwungen sind, abzuwandern.

Sowohl die Massenflucht an sich als auch die damit nötigen Umstrukturierungen stellen unbestreitbar eine immense Herausforderung dar. Diese wird nur global gelöst werden können, die Grenzen von Nationalstaaten dürfen dann keine Relevanz mehr haben. Wir müssen nicht nur auf die Menschenmassen gefasst sein, sondern es muss auch überlegt werden, wie die Schäden für die Umwelt so gering wie möglich gehalten werden können. Um zu verhindern, dass die Meere, und dadurch der Lebensraum für viele Lebewesen, vergiftet werden, muss die dort gelegene Industrie abgesiedelt werden. Würden beispielsweise Chemiefabriken oder Kernkraftwerke im Meer versinken, hätte das katastrophale Folgen.

Radikale Umstellung

Das alles kann nicht von Einzelnen umgesetzt werden, sondern es erfordert die Zusammenarbeit der ganzen Gesellschaft. So kann beispielsweise ein einzelner Bauer, der aufgrund der jetzigen Verhältnisse schon hoch verschuldet ist, nicht einfach von Getreideanbau auf andere Wirtschaftsformen umsteigen. Vielmehr ist eine kollektive Nutzung von Land, Rohstoffen und anderen Produktionsmitteln wie Maschinen usw. notwendig. Mit der jetzigen Wirtschaftsweise, die auf der Ausbeutung von Mensch und Natur basiert, auf der Verschwendung von Ressourcen und Energie für die kapitalistische Überflussproduktion, lässt sich eine solche Vorgehensweise nicht meistern. Vielmehr braucht es eine radikale Umstellung auf eine demokratische, geplante Wirtschaft, um einerseits die unausweichliche Massenflucht zu bewältigen, andererseits um den Klimawandel einzudämmen und so nicht den Großteil des Planeten unbewohnbar zu machen.

Es braucht eine demokratische Organisation der Menschen und eine geplante Wirtschaft, in der nicht nur hergestellt wird, was wirtschaftlich rentabel ist, sondern was den Bedürfnissen der Menschen entspricht. Wir nennen das Sozialismus. Durch die Planung kann Überflussproduktion, und so Energie- und Ressourcenverschwendung, vermieden werden und der Faktor Klimawandel von vornherein in die Planung miteinbezogen werden. Wenn sich die Menschen erst einmal aus ihrer passiven Objektrolle, in der nur über sie hinweg bestimmt wird, befreit haben, und als selbstständiges Subjekt über ihr Leben entscheiden können, werden sie sicher nicht mutwillig ihre eigene Lebensgrundlage zerstören!

Konkret wird man z.B. überlegen müssen, wo und wie wir Energie gewinnen. Alles, was die Erde weiter zerstört, muss beendet werden – also weg von fossilen Brennstoffen wie Erdöl oder Braunkohle. Dafür könnte man in Gebieten, die aufgrund zu großer Hitze nicht mehr bewohnbar sind, Solarenergie gewinnen. Außerdem muss bedacht werden, wie die Industrie gestaltet werden soll, also z.B. in welchen Gebieten neue Industrie angesiedelt wird, wo man Rohstoffe herbekommt und ob man auf andere umsteigen muss. Bei solchen Fragen müssen unbedingt wissenschaftliche Erkenntnisse über die Effizienz von Energiegewinnung etc. beachtet werden. So sollte etwa beim Bau neuer Siedlungen auf CO2-intensive Baustoffe wie Zement verzichtet und stattdessen auf nachhaltigere Materialien, wie Holz, Lehm, Bambus und vieles mehr, zurückgegriffen werden.

Grenzen überwinden

Angesichts dieser Herausforderungen ist die Strategie der Industrienationen katastrophal. Anstatt die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen, treiben sie ihn weiter voran – laut einem UN-Bericht wurde im Jahr 2017 so viel CO2 ausgestoßen wie noch nie zuvor. UN-Umweltdirektorin Joyce Msuya fasst zusammen: „Wir nähren dieses Feuer, während die Mittel zum Löschen in Reichweite sind.“ Gleichzeitig kriminalisieren und entmenschlichen sie diejenigen, die vor den Folgen der Umweltzerstörung fliehen. Mithilfe von Rassismus rechtfertigen Monster wie Kickl und Trump, dass diese Menschen „konzentriert“ in Lagern zusammengepfercht werden oder zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken.

Diese Politik müssen wir bekämpfen, denn wenn die Zahl der Flüchtlinge rasant steigt und immer noch Politiker_innen wie die genannten an der Macht sind, ist es auch zu Konzentrationslagern oder noch schlimmeren, unvorstellbaren Gräueltaten nicht weit. Die Klimafluchtbewegung wird uns vor große Herausforderungen stellen, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Wir müssen uns mit allen solidarisieren, die unter der jetzigen Politik und Wirtschaftsweise leiden und gemeinsam an dauerhaften, globalen Lösungen arbeiten. Gemeinsam können wir sowohl die Grenzen der Staaten als auch jene des kapitalistischen Systems überwinden!