Afrika-Forum: Wütender Protest zum Abschluss des EU-Vorsitzes

ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz wollte sich zum Abschluss des österreichischen EU-Ratsvorsitzes beim EU-Afrika-Forum in Wien als der große Brückenbauer inszenieren. Die antirassistische Bewegung hat ihm mit einem zornigen Protest am Vorabend des Gipfels einen Strich durch die Rechnung gemacht.
18. Dezember 2018 |

Der klirrender Kälte trotzend zogen am 17. Dezember rund 150 Demonstrant_innen über die Wiener Reichsbrücke anlässlich des EU-Afrika-Forums in Wien. Die Gründerin von Afro Rainbow Austria, Henrie Dennis, die grüne Menschenrechtssprecherin Faika El-Nagashi und die stellvertretende SPÖ-Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt, Mireille Ngosso, protestierten in ihren Reden gegen die Ausbeutungs- und Abschottungspolitik der EU. Sie forderten, afrikanische Länder endlich als gleichwertige Partner anzuerkennen. Zum Protest aufgerufen hatte die Plattform für eine menschliche Asylpolitik.

Klimaaktivistin Nadine Versell von System Change, not Climate Change  prangerte Kurz’ „schäbigen Versuch“ an, den globalen Süden weiter auszubeuten“ und die Folgen der „menschenverachtenden und umweltzerstörenden, neoliberalen Politik“ auf arme Länder abzuwälzen. Auf der Schlusskundgebung sprachen außerdem Hans-Georg Eberl von Afrique Europe Interact, ein Aktivist der Seebrücke Wien. Am Ende freestylte Rapper Topoke, während Aktivist_innen ein 50 Meter langes Transparent „Baut Brücken, nicht Mauern!“ entrollten.

Kein Saubermann

Für ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz hätte es der Höhepunkt des EU-Ratsvorsitzes werden sollen – ein Forum mit führenden Unternehmern, Staats- und Regierungschefs, das obendrein afrikanische Diktatoren wie den ägyptischen Folterpräsidenten al-Sisi hätte weißwaschen sollen (so wurden etwa Pressefragen nicht erlaubt). Stattdessen fallen sämtliche Artikel zum Gipfel betont kritisch aus: Berichte erwähnen prominent die von der Plattform für eine menschliche Asylpolitik geäußerte Missbilligung des Forums und die Protestaktion am Vorabend des Gipfels.

Dass sich Kurz dieses Mal nicht inszenieren konnte, hat mehrere Gründe. Erstens ist es der außerparlamentarischen Bewegung gelungen, Kurz’ Saubermann-Image bereits über die bloße Ankündigung von Protesten in den Medien anzukratzen. In einer breiten Pressekonferenz der Plattform für eine menschliche Asylpolitik prangerten die bereits erwähnten Sprecher_innen die „schmutzigen Deals“ der europäischen Regierungen an. Diese hätten erst zu der unfassbaren Armut und Ungleichheit in afrikanischen Ländern geführt.

„Baut Brücken, nicht Mauern!“

Zweitens hat sich Kurz selbst diskreditiert, als er beim Forum unverhohlen in kolonialem Ton ausgesprochen hatte, dass es ihm um ein geopolitisches und wirtschaftliches Wetteifern geht: „Wir dürfen den afrikanischen Kontinent nicht den Chinesen überlassen.“ Drittens dürfte der Gipfel selbst ein ziemliches Desaster für Kurz gewesen sein. Die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Spanien blieben dem Forum in Wien gänzlich fern, um Österreich für den Rückzug aus dem UN-Migrationspakt eins auszuwischen, zitiert das US-Magazin Politico mehrere EU-Diplomaten. Beobachter bemängelten bereits zuvor den gesamten österreichischen EU-Ratsvorsitz. 

Diese Zwistigkeiten rühren von den internen Differenzen zwischen FPÖ und ÖVP und selbst innerhalb dieser Parteien her. Ideologisch motivierte, rassistische Vorstöße wie der Ausstieg aus dem UN-Migrationspakt konterkarieren die wirtschaftlichen Interessen der Industriellenvereinigung nach mehr Zuwanderung von Fachkräften. Die Anti-Schwarzblau-Bewegung muss im nächsten Jahr ihre Anstrengungen intensivieren, diese Streitigkeiten auszunützen. Und sie kann der Koalition auch richtig gefährlich werden, denn sie hat gewaltigen Rückenwind. In einer jüngsten Umfrage für das profil gaben 64 Prozent der Befragten an, dass sie die Streiks und Protestmaßnahmen der Gewerkschaften zu den Kollektivvertragsverhandlungen in der Metallindustrie, bei der Bahn und im Handel unterstützen.