Polizei und Rektorat ermöglichen Neonazi-Aufmarsch: Komm zur Gegendemo am 5. Dezember!
Eine alternative (vierte) Standkundgebung ist angemeldet. Wir laden alle Antifaschist_innen ein, am Mittwoch, 5. Dezember um 11:00 Uhr am Uni-Eck am Schottentor (U2) gegen die FPÖ-Burschenschafter und die Schikanen des Rektorats und der Polizei Wien zu demonstrieren. Veranstaltung auf Facebook.
Nachdem die Wiener Polizei bereits am Montag, 3. Dezember 2018 eine Demonstration gegen den Aufmarsch faschistischer Burschenschafter an der Universität Wien für den darauffolgenden Mittwoch untersagt und einen riesigen „Schutzbereich“ für die Rechtsradikalen eingerichtet hatte, verbot sie kurz darauf zwei weitere alternative antifaschistische Routen. In allen Fällen ignorierten oder verleugneten die Behörden beziehungsweise die Universitätsleitung das höchst brisante politische Ausmaß des rechtsradikalen, sogenannten „Burschi-Bummels“ – historisch wie aktuell explosiv durch die unsagbar vielen Mitglieder von Burschenschaften in Regierungsämtern und im Parlament.
Pogrome an den Hochschulen
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts trafen sich an der Rampe der Universität Wien antisemitische Kommilitonen, um jüdische Studierende und Professoren und andere Gegner aus der Hochschulen zu prügeln. Schriftsteller Stefan Zweig erinnerte sich, wie diese „Corpsstudenten“ einen „Prügelterror ohnegleichen etablierten und bei jeder politischen Aktion auf Ruf und Pfiff militärisch organisiert aufmarschierten. „[…] mit harten, schweren Stöcken bewehrt […]; unablässig provozierend, hieben sie bald auf die slawischen, bald auf die jüdischen, die katholischen, die italienischen Studenten ein und trieben die Wehrlosen aus der Universität. Bei jedem ‚Bummel‘ floss Blut.“
In den 1920er-Jahren wütete der „Antisemitenbund“ an der Universität. Ihr führendes Mitglied Robert Körber (später SS-Obersturmführer) setzte 1924 die Aufstellung des sogenannten „Siegfriedskopfs-Denkmals“ in der Aula der Universität Wien durch (dessen unzureichende politische Aufarbeitung haben wir hier thematisiert). Die Ikone war eine Anspielung auf die antisemitische Verschwörungstheorie der „Dolchstoßlegende“ (nach der die Juden für die Niederlage der Mittelmächte verantwortlich wären). Der Kopf wurde und ist bis heute Pilgerstätte für völkische, rassistische Studenten.
Braune Tradition
Eine der vielen Kontinuitäten bildet die Burschenschaft „Olympia“. Der „Antisemitenbund“ wurde von Anton Jerzabek, einem Mitglied der „Olympia“, gegründet. Dieselbe „Olympia“ ist heute noch eine der führenden Verbindungen beim Aufmarsch an der Universität. Hans-Henning Scharsach schreibt in seinem Buch Stille Machtergreifung – Hofer, Strache und die Burschenschaften, dass keine der österreichischen Burschenschaften „ihre Verwurzelung in den Traditionen des Nationalsozialismus so offen zur Schau“ trage „wie die Wiener Olympia“. Bei diesen Aufmärschen tummeln sich bekannte Größen der österreichischen Neonazi-Szene, wie etwa Mihaly C. von der faschistischen Schlägertruppe „Unsterblich Wien“. Dieser war auf der Mailingliste des norwegischen Naziterroristen Anders Breivik und einer der Angeklagten im Prozess rund um den Angriff auf das Ernst-Kirchweger-Haus (C. wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen).
Deutschnationale Burschenschafter, die noch heute in den Mitgliederlisten geführt und geehrt werden, waren führend in der Organisation des Holocausts und an schwersten Kriegsverbrechen beteiligt. Der Nachfolger von Reinhard Heydrich im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) und damit eine Zentralfigur der Terror- und Tötungsmaschinerie der Nazis, Ernst Kaltenbrunner, war Mitglied der Burschenschaft „Arminia Graz“. Irmfried Eberl von der „Germania Innsbruck“ ermordete als Kommandant des Konzentrationslagers Treblinka hunderttausende Jüd_innen aus dem besetzten Polen und der Ukraine. SS-Arzt Hermann Richter („Sängerschaft Scalden“) entnahm in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen Lagerinsassen bei vollem Bewusstsein Organe, um zu beobachten, wie lange sie diese Folter überleben konnten.
Keiner der nationalsozialistischen Verbrecher wurde aus seiner Verbindung ausgeschlossenen. Im Gegenteil, eben diesen unfassbaren Monstern der Menschheitsgeschichte wird bei den jährlichen Totengedenken der Burschenschafter ein „ehrendes Andenken“ bewahrt. Diesen Burschenschaftern ermöglichen Staat und Universität Aufmärsche – während selbige Institutionen gerade im Gedenkjahr 2018, wir erinnern uns etwa an die fürchterlichen Novemberpogrome 1938, Betroffenheit und Anteilnahme an die Opfer der Schoah heucheln.
Österreichische NS-Verharmlosung
Der erste Marsch gegen die Burschenschafter wurde unter Verweis auf das „Recht“, genauer das neue Demonstrationsrecht, das einen „Schutzbereich“ von fünfzig Metern vorsieht, gerechtfertigt. Der zweite Marsch, der direkt in den Arkadenhof der Universität vor den historisch höchst problematischen, antisemitischen „Siegfriedskopf“ geführt hätte, wurde unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Rektorats verboten. Darin hieß es (die vollständige Äußerung ist unten angefügt), ebenfalls die politische Realität völlig ignorierend, eine Demonstration im Arkadenhof würde durch „Lärmbelästigung“ der „Sicherstellung des Forschungs- und Lehrbetriebs“ entgegenstehen. Die Polizei konstruierte daraus, dass das „öffentliche Wohl“ gefährdet wäre. Bei der Untersagung des dritten Marsches über den Ring und die Universitätsstraße behauptete die Behörde, der Straßenverkehr stehe nach einer „Interessensabwägung“ über dem Recht auf Demonstrationsfreiheit. Insgesamt wurde mit der Behörde über drei Stunden verhandelt, derart besessen war man offenbar seitens der Institutionen darauf, den ungestörten Aufmarsch der Burschenschafter durchzusetzen.
Diese fadenscheinigen Begründungen fassen den typisch österreichischen Umgang mit seiner Verwicklung in die Verbrechen des Holocausts und des Zweiten Weltkriegs, die nie wirklich stattgefundene Entnazifizierung und Aufarbeitung der Geschichte zusammen: nicht darüber reden, zudecken, von nichts gewusst haben. In Zeiten, in denen faschistische Burschenschafter Regierungsämter innehaben und in deren Liedern die Ermordung der siebten Million Jüdinnen und Juden besungen wird, ist es die Pflicht aller Demokrat_innen aufzustehen und Nein zu sagen. Im Kampf gegen Faschismus kann man sich nicht auf die Institutionen verlassen. Es liegt an uns Studierenden, Schüler_innen, Lehrenden, Lohnabhängigen dafür zu sorgen, dass die Worte „Nie wieder!“ eine mächtige antifaschistische Bewegung werden.
Eine vierte Standkundgebung ist angemeldet. Wir laden alle Antifaschist_innen ein, am Mittwoch, 5. Dezember um 11:00 Uhr am Uni-Eck am Schottentor (U2) gegen die FPÖ-Burschenschafter und die Schikanen des Rektorats und der Polizei Wien zu demonstrieren. Veranstaltung auf Facebook.
Stellungnahme des Rektorats der Universität Wien
Sehr geehrter Herr ### ,
ich darf Ihnen folgende Stellungnahme des Rektorates übermitteln:
Die Universität Wien hat die Aufgabe, den ungehinderten Forschungs- und Lehrbetrieb im Hauptgebäude für ihre WissenschafterInnen, Lehrende und Studierende zu gewährleisten. Gerade Anfang Dezember ist der Vorlesungs- und Prüfungsbetrieb im Hauptgebäude traditionell sehr hoch. Die Schlusskundgebung einer Demonstration innerhalb des Hauptgebäudes, bei der die erwartete Lärmbelästigung nicht abzusehen ist, läuft der Sicherstellung des Forschungs- und Lehrbetriebs entgegen. Die Universität Wien würde es daher begrüßen, wenn die geplante Schlusskundgebung der Demonstration außerhalb der Universität Wien, z.B. auf der Rampe vor dem Haupteingang, stattfinden würde.
Für Rückfragen stehe ich jederzeit zur Verfügung.
Beste Grüße
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