Sudan: Revolution oder Barbarei
Frauen und junge Männer wurden Opfer sexueller Gewalt – nicht alle wagten sich in die Krankenhäuser. Bei der Räumung der seit Monaten andauernden Sit-ins vor dem Medienzentrum der Polizei wurden mehr als 120 Menschen ermordet und über 700 verletzt.
„Sie umzingeln die Sitzblockade aus allen Richtungen“, berichtete die bekannte Aktivistin Amal al-Zein und dann brannten die Milizen die Zelte nieder und nahmen jene fest, die zu fliehen versuchten. Sie beklagt verstümmelte Leichen und willkürlichen Terror.
An diesem 3. Juni meldeten Verzweifelte aus über einem dutzend sudanesischer Städte brutalste Militärgewalt gegen Zivilisten. Schnell kappte das Regime das Internet und verwies kritische Journalist_innen aus den Städten. Es entstanden dennoch zahlreiche schockierende Videos und Bilder von der grauenhaften Gewalt. Auch während der folgenden Tage setzte das Regime den Terror gegen Widerständische fort und ermordete weitere Menschen.
Alt-neues Regime
Verantwortlich für die Massaker ist vor allem eine paramilitärische Gruppe, die sich „Rapid Support Forces“ (RSF) nennt. Die meisten Kämpfer der RSF gehörten früher zu den berüchtigten Dschandschawid-Milizen, die einen Aufstand in Darfur brutal niederschlugen. Zu ihren Gräueltaten gehörten die Zerstörung ganzer Dörfer, willkürliche Tötungen und systematische sexualisierte Gewalt. Ihr bekanntestes Gesicht ist der Warlord Mohamed Hamdan Dagalo, bekannt unter dem Kampfnamen „Hemeti“.
Jetzt ist er der Vizepräsident des Militärrats, der als Übergangsregierung fungiert. „Niemand im Sudan hat mehr Blut an den Händen als Hemeti“, erklärte der Sudan-Experte Eric Reeves, der vor dem amerikanischen Kongress aussagte. Über eine Viertelmillion Menschen wurden in Darfur getötet, über zwei Millionen vertrieben. Seit 2005 untersucht der Internationale Strafgerichtshof Vorwürfe wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur. Doch al-Baschir reiste in seiner Amtszeit unbehelligt in rund 25 Länder und schloss zig Verträge ab.
Zittern mit der Diktatur
Hemeti wurde 2013 von al-Baschir zum RSF-Oberbefehlshaber ernannt. Sie kontrollieren ebenfalls die Grenzen und werden von der EU für die Flüchtlingsbekämpfung bezahlt. Er hat beste Verbindungen nach Saudi-Arabien, wohin seine erste Auslandsreise ging. Hemeti schwor den US-Verbündeten Ägypten, Saudi-Arabien und den Emiraten Treue und sie unterstützen seinen Aufstieg an die Spitze des Militärrats mit aller Konsequenz. Schließlich kämpfen seine Männer im Jemen an ihrer Seite und sie erinnern sich nur zu gut an den sogenannten „Arabischen Frühling“
Diese Regimes fürchten seither Diese Regimes fürchten Massenbewegungen. Dem Militär-Putsch gegen al-Baschir durch die Generäle um Hemeti gingen monatelange Massenprotesten gegen die Erhöhung des Brotpreises und die Verteuerung von Benzin voraus. Aus einer sozialen wurde bald auch eine politische Bewegung. Die Rufe nach Revolution wurden lauter. Vor allem Gewerkschafter, Ärzte, Lehrer und Studierende demonstrierten. Tagsüber waren bis zu zwei Drittel der Protestierenden weiblich. Mutige Frauen prägen den Widerstand.
Revolution gegen das Elend
Die UNO fordert in einer lauwarmen Resolution eine Einigung der grausamen Putschisten mit den zivilen Kräften. Der Militärrat kann aber nicht Teil der Lösung für den Sudan sein, er ist das Problem. Er brach vor dem Massaker alle Gespräche mit der Opposition ab und „versprach“, binnen sieben Monaten Neuwahlen abzuhalten. Das war ein deutlicher Versuch, eine Militärdiktatur zu etablieren.
Die internationale Staatengemeinschaft signalisierte Unterstützung. Fortschritt im Sudan kann nicht von außen kommen. Und im Land gibt es nur eine Kraft, die fähig ist, die Militärjunta zu stürzen.
Ohne Arbeiter fließt kein Erdöl. Ohne Lohnabhängige sprudeln keine Profite. Das weiß das Regime genau. Nach dem Massaker rief das Gewerkschaftsbündnis SPA zum Generalstreik auf und zwang so den Militärrat, die Offensive zu beenden.
Es stimmt nicht, dass die Revolution ihre Kinder frisst. Die Konterrevolution ertränkt sie im Blut. Jene Oppositionelle, die noch den Kompromiss mit den bestialischen Konterrevolutionären suchen, machen sich mitschuldig. Auch dagegen braucht es den ernsthaftesten Widerstand von unten. Die Streik-Komitees können im Laufe der Kämpfe eine alternative Macht werden.