Streikende in Italien: „Wir wollen Lohnfortzahlung für die Quarantäne-Zeit!“
In Italien wehren sich die Beschäftigten mit wilden Streiks gegen die unzureichenden Maßnahmen der Regierung und der Unternehmen im Zuge der Coronakrise. Sie organisieren sich gegen eine Politik, bei der die Sicherung der Profite über das Leben der Menschen gestellt wird.
Coronokrise in Italien: Zweierlei Maß
In der vergangenen Woche hatte die italienische Regierung die Quarantäne-Regelungen auf das ganze Land ausgedehnt. Das öffentliche Leben würde massiv eingeschränkt und viele Betriebe geschlossen – alle „nicht wesentlichen“ Geschäfte wurden zur Schließung aufgefordert wie beispielsweise Bars, Restaurants oder Friseure. Gleichzeitig hat die Regierung in Italien aber mit den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften vereinbart, dass die Fabriken trotz der Corona-Pandemie weiterhin offen bleiben. Die Absprache beinhalte zwar höhere „Sicherheitsstandards“ für Arbeitnehmer. So hätten diese Anspruch auf Schutzausrüstung wie Atemmasken, wenn sie keinen Sicherheitsabstand halten könnten. Doch den Beschäftigten reichte dies nicht und vor Ort mangelt es an der Umsetzung des Gesundheitsschutzes.
Fiat-Werke im Streik
Deshalb sind am vergangenen Dienstag die Arbeiterinnen und Arbeiter im Fiat-Automobilwerk in Pomigliano bei Neapel spontan in den Streik getreten. Die Firmenchefs kündigten daraufhin an, dass das Werk zusammen mit drei anderen Werken in Melfi, Cassino und Atessa, die alle im Süden des Landes liegen, vorübergehend komplett stillgelegt werden soll. Am Donnerstag vergangener Woche trat dann ein weiteres Fiat-Werk in Termoli, ebenfalls in Süditalien, in den Streik.
Die Gewerkschaft erklärt dort: „Die großen Werke sind Orte, die die Menschen zusammenbringen, von den Bussen über die Fließbänder bis hin zur Kantine. Es ist Unsinn, dass der Staat alles schließt, angefangen bei den Schulen, und die Mobilität einschränkt – mit Geldstrafen für diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten. Aber die italienische Regierung hat die Fabriken nicht geschlossen. Sie sagt immer wieder, dass man zu Hause bleiben soll, auch wenn die Fließbänder weiter laufen und damit die Beschäftigten sich und ihre Familien in Gefahr bringen. Wir werden den Streik dann beenden, wenn das Unternehmen und die Regierung uns die Lohnkosten für Fehlzeiten zahlen und die Produktion komplett stoppen.“ Erneut schlossen die Fiat-Chefs die Fabrik.
Coronakrise: Streikwelle in Italien
Die Entscheidung der Regierung, Geschäfte und Läden in Italien zu schließen, aber Fabriken und Produktionsaktivitäten offen zu lassen, hat nicht nur bei den Fiat-Beschäftigten zu großem Unmut geführt. Von Brescia bis Mantua und in den Provinzen Asti, Vercelli und Cuneo in Norditalien gab es eine Welle spontaner Streiks. Im Stahlwerk in Terni und auf den Werften in Venedig gab es Arbeitsniederlegungen. Die Hafenarbeiter in Genua haben ebenfalls gestreikt, um bessere Sicherheitsmaßnahmen für die Beschäftigten durchzusetzen. Etwa 450 Beschäftigte streikten bei der Bekleidungsfirma Corneliani, die darauf bestand, dass „es keine Gesundheit der ersten und zweiten Klasse geben darf – es gibt nur eine Gesundheit“.
Die Gewerkschaft schrieb: „Wir werden bis Montag zu Hause bleiben, weil es in unseren Sektoren keine Bedingungen gibt, die die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten garantieren. Wir warten darauf, dass sich etwas ändert! Wir werden diese Pandemie und diese Angst nur gemeinsam besiegen, wir wiederholen es immer wieder: Zuallererst geht es um die Gesundheit, die Gesundheit von allen und jedem!“
Metallarbeitergewerkschaften für Stilllegung der Produktion
Metallarbeiter in ganz Norditalien verließen am Donnerstag die Arbeitsstelle ohne offizielle Genehmigung. Ein sehr hoher Anteil der Beschäftigten in den piemontesischen Provinzen Asti, Vercelli und Cuneo verließ am Donnerstag die Arbeit in den Unternehmen MTM, IKK, Dierre und Trivium. Auch in der Nähe von Brescia in der Lombardei gab es einen Streik. Dies veranlasste die Metallarbeitergewerkschaften FIM, FIOM und UILM dazu, den Stopp der Produktion in allen metallverarbeiteten Betrieben bis zum 22. März zu fordern.
In der Erklärung heißt es: „Angesichts der allgemeinen Schwierigkeit einer genauen und pünktlichen Anwendung der von der Regierung vorgeschriebenen Gesundheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz, für die wir klare und verbindliche Regeln für die Unternehmen fordern, und des objektiven Mangels an persönlicher Schutzausrüstung, die nötig sind, um Ansteckungen zu verhindern, halten die Gewerkschaften Fim, Fiom, Uilm es für notwendig, alle metallverarbeitenden Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Tarifvertrag, bis Sonntag, den 22. März, vorübergehend zu schließen, um alle Arbeitsplätze zu sanieren, zu sichern und neu zu organisieren. Wir fordern daher, dass die Produktionsstopps zunächst mit vertraglichen Instrumenten oder mit möglichen sozialen Abfederungen geregelt werden, wenn dies in den Vorschriften vorgesehen ist; Andernfalls erklären wir ab sofort die einseitige landesweite Aussetzung im gesamten Produktionsbereich, unabhängig vom jeweiligen Tarifvertrag. Um dies zu erreichen, rufen wir einen unbefristeten Streik aus.“
Flexible Arbeitszeiten für Kinderbetreung
Die Gewerkschaft Filcams hat besondere Maßnahmen für die Beschäftigten in den Betrieben in der nördlichen Region der Lombardei durchgesetzt. Sie hat von Arbeitgebern wie Zara, H&M und Carrefour Freistellung und flexible Arbeitszeiten erhalten, so dass sich die Beschäftigten in den Geschäften um ihre Kinder kümmern können, während viele Schulen geschlossen sind. Die Gewerkschaft hat die Unternehmensleitung dazu gezwungen, Desinfektionsmittel für die Geschäfte bereitzustellen und die Handreinigung tagsüber zu ermöglichen sowie Handschuhe und Gesichtsmasken für die Beschäftigten anzubieten, die diese tragen möchten.
Die Firmen haben sich auch bereit erklärt, im Falle einer Abwesenheit aufgrund von Zwangsschließungen bezahlten Urlaub für die Beschäftigten in Betracht zu ziehen. Claudia, eine Mitarbeiterin von Zara in Mailand, sagte: „Dank meiner Gewerkschaft kann ich mich um meine Tochter kümmern. Wir sind in der Lage, flexible Schichten und Arbeitsunterbrechungen zu haben, während die Schulen geschlossen sind.“ Die Region Lombardei, zu der auch Mailand gehört, sowie das Veneto um Venedig waren mit Hunderten von gemeldeten Fällen ein Zentrum der Infektion mit dem Coronavirus.
Lohnfortzahlung für die Quarantäne-Zeit
Angesichts der durch das Coronavirus ausgelösten Krise kommt nicht nur in Italien ans Licht, dass Millionen von Beschäftigten gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind. Betriebliche Proteste, Streiks und Selbstorganisation sind eine wichtige Reaktion, um Schutzmaßnahmen in den Betrieben einzufordern und durchzusetzen. Doch auch die sofortige Stilllegung der Produktion bei gleichzeitiger Lohnfortzahlung ist eine wichtige Forderung. Die Begrenzung der Produktion auf die Bereiche der notwendigen öffentlichen Daseinsvorsorge ist nötig, um die Ausbreitung des Virus maximal zu begrenzen.
Siehe auch: „Wir streiken, weil der Regierung die privaten Profite wichtiger sind, als die öffentliche Gesundheit!“