Statement von griechischen Antirassisten: Schützt Flüchtlinge vor dem Coronavirus!

Das griechische Bündnis KEERFA (Vereint gegen Rassismus und die faschistische Bedrohung) hat mit Komitees in den Flüchtlingslagern eine Stellungnahme zur Coronakrise verfasst. Sie fordern die Regierung auf, Flüchtlinge und Asylsuchende unverzüglich in Sicherheit zu bringen, um eine große medizinische Notlage in den Internierungslagern zu verhindern. Linkswende jetzt veröffentlicht den dringenden Appell.
17. März 2020 |

Die überfüllten und miserablen Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln sind ideale Bedingungen für die Ausbreitung der Coronavirus-Epidemie, warnte Ärzte ohne Grenzen in einem kürzlich veröffentlichten Statement. Die Gesundheit der Menschen ist in Gefahr, solange sie in den Lagern bleiben. Das Coronavirus ist nur die neueste der Gefahren, vor denen die Asylsuchenden stehen, und ihre Lebensbedingungen machen sie noch verwundbarer, im Angesicht einer Epidemie, als den Rest der Bevölkerung.

Die Evakuierung der Lager auf den griechischen Inseln ist jetzt dringender als je zuvor. Den Menschen im Rahmen der europäischen Politik diese Lebensbedingungen aufzuzwingen, war schon immer verantwortungslos, aber jetzt wird es schon fast kriminell, wenn keine Maßnahmen gesetzt werden, um Menschen zu schützen. Ärzte ohne Grenzen sagt, dass die griechische Regierung so schnell wie möglich handeln, und der Mehrheit der 42.000 Menschen eine passende Unterkunft bereitstellen muss, bevor es zu spät ist.

Leider ist das nicht nur auf den Inseln der Fall, sondern gilt auch für tausende Menschen in Flüchtlingslagern auf der Halbinsel Attika und in Lagern im nördlichen Teil des Landes. Es ist wirklich kriminell, dass die griechische Regierung und das Ministerium für Gesundheit mitten in einer Pandemie nicht die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen treffen, sondern stattdessen die tausenden Menschen ignorieren, die in den Konzentrationslagern feststecken, und sie ohne medizinische Versorgung oder direkten Zugang zu öffentlichen Gesundheits-Services und Spitälern zurücklassen.

Das ist dieselbe Regierung, die darüber spricht, das Gesundheitswesen zu privatisieren. Dieselbe, die lieber mehr uniformierte Polizisten angestellt hat, um in Mytilene auf der Insel Lesbos (wo sich das Moria Flüchtlingslager befindet) Tränengas auf Frauen und Kinder zu schießen, anstatt mehr Ärzt_innen und Krankenpfleger_innen für Intensivstationen anzustellen. Sie haben die Unverfrorenheit, über „persönliche Verantwortung“ zu sprechen. Eine starkes landesweites Gesundheitssystem könnte uns vor der Pandemie schützen, aber die Sparpolitik und Kürzungen der letzten Jahre haben es wortwörtlich auseinander genommen, und die regierende Partei Neue Demokratie bleibt während der Pandemie auf diesem Kurs.

Lasst diejenigen, die das Gesundheitssystem auf dem Altar der Profite opfern, nicht im Namen der „öffentlichen Gesundheit“ noch mehr rassistische Lügen verbreiten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Krankheit in den Flüchtlingslagern verbreitet. Gefährdete Menschen auf der Flucht vor Krieg, der Armee, dem Grenzschutz und Frontex (Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache) werden isoliert und angemessener medizinischer Betreuung und Einrichtungen beraubt – zu Zeiten einer Pandemie!

Es ist ungeheuerlich, dass sie Millionen für das Anstellen von Grenzschützern verschwenden, um die Grenze zur Mariza (dem Fluss zwischen Griechenland und der Türkei) zu schließen und Flüchtlingsboote auf die Inseln zu drängen – während nicht mehr Ärzt_innen und Krankenpfleger_innen angestellt werden, um das öffentliche Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten, das für arme Menschen das einzige Schild gegen den Coronavirus ist.

In dieser Pandemie sind Bosse und Migrant_innen nicht gleichgestellt. Wer Geld hat und eine griechische Staatsbürgerschaft, kann sich um 150 Euro in einem privaten Krankenhaus auf den Coronavirus testen und in einer großen Privatklinik aufnehmen lassen. Aber für Asylsuchende, Migrant_innen und Flüchtlinge sind selbst die rudimentärsten Schutzmaßnahmen wie häufiges Händewaschen, gute Innenraumbelüftung und das Meiden von überfüllte Gegenden unmöglich.

Innenräume werden nicht mit Desinfektionsmitteln und speziellen Reinigungsmitteln gesäubert. Im Gegenteil, in den meisten Lagern leben dutzende Familien noch immer in Zelten (!), ohne die Möglichkeit sich für Unterkünfte, Sozialhilfe und Wohlfahrtsprogramme anzumelden. Familien müssen oft öffentliche Toiletten teilen, die selten professionell gereinigt werden. In vielen Fällen werden gemeinnützige Vereine (!) aufgefordert, die Reinigungsarbeiten zu erledigen, und sich dadurch ebenso Gesundheitsrisiken auszusetzen. Genau genommen müssen Mitarbeiter_innen von NGOs unter den gleichen miserablen Bedingungen arbeiten, mit denen die Flüchtlinge täglich konfrontiert sind.

Schlussendlich sind die unterbesetzten medizinischen Teams in den Lagern, trotz ihrer großartigen Bemühungen in den letzten Monaten, nicht in der Lage, den gesundheitlichen Anforderungen gerecht zu werden. Nahtlose telefonische 24-Stunden Kommunikation mit der Nationalen Gesundheitsorganisation, wie vom Gesundheitsministerium empfohlen, ist offensichtlich unmöglich, für die Menschen, die in diesen Lagern festsitzen.

Öffentliche Gesundheit ist nicht eine individuelle Verantwortung, sondern eine soziale Verantwortung, die von Staaten sichergestellt werden muss. Mehr als alles andere sollte Gesundheit nicht ein Privileg der Wenigen sein. Um unser öffentliches Gesundheitssystem zu retten, um die Leben der lokalen Bevölkerung und Einwanderer über die Profite zu stellen, fordern wir:

  • Sofortige Übersiedelung von unregistrierten Asylsuchenden in Wohnungen, wo grundlegende hygienische Maßnahmen eingehalten werden können. Schließt die beschämenden Internierungslager und bringt Flüchtlinge in Häuser, Städte und Krankenhäuser in der Umgebung
  • Gewährt allen Asylsuchenden Zugang zur nationalen Gesundheitsversorgung, für umfassende, bedingungslose medizinische Versorgung
  • Vollständige, öffentliche Deckung der Kosten für den Coronavirus-Test und jegliche anderen notwendige medizinische Untersuchungen
  • Dolmetscher in Krankenhäusern, medizinischen Zentren und auf den Hotlines der Nationalen Gesundheitsorganisation
  • Versorgung und Unterstützung für gemeinnützige und öffentlich Bedienstete, die in den Lagern arbeiten
  • Nein zu den flexiblen „Arbeitsverhältnissen“, die derzeit für gemeinnützige Arbeiter_innen bestehen. Volle Bezahlung für diejenigen, die von zu Hause arbeiten müssen – ohne dass ihnen Urlaub abgezogen wird. Für ein sicheres Arbeitsumfeld zu sorgen liegt in der Verantwortung der Arbeitgeber
  • Geld für Spitäler, Behandlungen, medizinische Güter, und Sanitärkleidung
  • Massive Anwerbung und Personalausstattung lokaler Gesundheitsbehörden und aller öffentlichen Dienste
  • Anstellung von mehr Stammpersonal im öffentlichen Verkehr und Bereitstellung von mehr Geldern für diesen Sektor, um die Intervalle zu erhöhen
Die Stellungnahme ist ursprünglich auf Griechisch erschienen und wurde von Iannis Delatolas ins Englische übersetzt. Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche von Lukas Pamperl und David Reisinger.