Angela Davis
Die 1944 in Birmingham, Alabama, geborene Angela Davis wuchs in keiner einfachen Gegend auf. Das von der Rassentrennung geprägte Birmingham wurde ab den 1960er Jahren immer wieder Ziel von rassistischen Bombenanschlägen gegen schwarze Bürgerrechtler, die Stadt erhielt den zynischen Spitznamen „Bombingham“. In ihrem elterlichen Wohnbezirk, das als „Dynamite Hill“ bekannt war, waren die meisten Schwarzen zum eigenen Schutz bewaffnet, darunter auch ihr Vater, der regelmäßig kontrollieren musste, ob sich nicht Ku-Klux-Klan-Mitglieder vor ihrem Haus herumtrieben. Mit dem KKK war nicht zu spaßen, wie sie mit einem rassistischen Bombenanschlag auf die Birmingham Baptist Church bewiesen, bei dem vier schwarze Mädchen, die Davis persönlich kannte, ermordet wurden.
Studentendemos
Davis war schon immer wissbegierig, über ein Stipendium für eine progressive New Yorker Highschool kam sie mit marxistischer Theorie in Kontakt. Ihr anschließendes Studium brachte sie an die Sorbonne in Frankreich, und nach Frankfurt, wo sie Vorlesungen von Denkern wie Herbert Marcuse und Adorno lauschte. Doch nur über eine bessere Welt zu philosophieren, genügte ihr nicht. Als in Deutschland die studentische Linke Proteste gegen den Vietnamkrieg organisierte, war sie mittendrin. Aber als sie von den inspirierenden antirassistischen Kämpfen in den USA mitbekam, die sich immer weiter zuspitzen, wurde ihr klar, dass sie sich diesen anschließen musste. Sie wurde Mitglied beim Student Nonviolent Coordinating Committee und hatte enge Kontakte mit der Black Panther Party. Ihr Aktivismus war jedoch einigen ein Dorn im Auge: Ihre Mitgliedschaft bei der Kommunistischen Partei in Los Angeles war für den Aufsichtsrat der University of California und dem erzkonservativen kalifornischen Gouverneur Ronald Reagan Grund genug, ihr die Lehrerlaubnis zu entziehen, obwohl sie als Professorin unter Studierenden sehr beliebt war.
Im Fadenkreuz des FBI
Durch ihr Engagement für drei Gefangene im Soledad-Gefängnis, die eine marxistische Gruppe unter den Gefangenen gründen wollten, bekam sie öfter Morddrohungen. Das hielt sie nicht davor ab, weiter Reden zu halten und Proteste aufzubauen, doch sie musste zum Schutz für sich und ihr Umfeld Schusswaffen organisieren. Diese wurden 1970 bei einem fehlgeschlagenen Befreiungsversuch aus einem Gerichtssaal verwendet, vier Personen, darunter ein Richter, starben. Plötzlich stand Davis auf der Liste der meistgesuchten Verbrecher des FBI. Ihr wurden Verschwörung und Unterstützung von Terrorismus vorgeworfen. Als Davis eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft festsaß, entstand als Reaktion eine unglaubliche, internationale Solidaritätsbewegung, die ihre Freilassung erreichte.
Radikale Lösungen
Bis heute fordert sie in unzähligen Büchern, Essays und Reden, die Probleme unter Kapitalismus bei der Wurzel zu packen, anstatt sie mit Reformen bloß zu kaschieren. Besonders auf den gefängnisindustriellen Komplex der USA liegt ihr Fokus: „Gefängnisse lassen soziale Probleme nicht verschwinden, sie lassen Menschen verschwinden. Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit, psychische Erkrankungen und Analphabetismus sind nur einige der Probleme, die aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwinden, wenn die Menschen, die mit ihnen ringen, in Käfige verbannt werden.“ Sie hält auch wenig von der Illusion, man könne durch mehr Diversität in Institutionen systematischen Rassismus bekämpfen, wie sie treffend formuliert: „Es fällt mir schwer, Vielfalt als Synonym für Gerechtigkeit zu akzeptieren. Vielfalt ist eine Unternehmensstrategie. Es ist eine Strategie, die sicherstellen soll, dass das System so funktioniert, wie es vorher funktioniert hat, nur dass man jetzt einige schwarze und braune Gesichter sieht. Vielfalt ohne strukturelle Veränderung bindet diejenigen, die vorher ausgeschlossen waren, einfach in ein System ein, das so rassistisch, so frauenfeindlich ist, wie es vorher war.“
Gerade in Zeiten, in denen Bewegungen wie Black Lives Matter den rassistischen Status Quo angreifen, macht Davis deutlich, wie wichtig es ist, verschiedene Kämpfe miteinander zu verbinden, wie zum Beispiel BLM und den Kampf für die Rechte von Palästinenser_innen: „Palästinensische Aktivist_innen unterstützen seit langem den Kampf der Schwarzen gegen Rassismus. Und ich hoffe, dass die jungen Aktivist_innen von heute erkennen, wie wichtig die palästinensische Solidarität für die Sache der Schwarzen war, und dass sie erkennen, dass wir eine große Verantwortung haben, auch die palästinensischen Kämpfe zu unterstützen.“