Standhaft gegen Rassismus
Nach den Anschlägen kam es zu großartigen, sehr bewegenden Szenen. Jüdische und muslimische Aktivist_innen, Mitglieder der Black Lives Matter-Bewegung und viele mehr legten gemeinsam Kränze in der Nähe des Tatorts nieder und gedachten der Toten. Aber die Großrazzia gegen die Muslimbruderschaft am selben Tag hat viele verunsichert. Leute werden sich die Frage stellen: Bringt man sich oder seine Organisation ins Visier von Behörden, die vor nichts zurückschrecken, um die Stimmung gegen die muslimische Community anzuheizen? Wir beschreiben auf den Seiten 6-9 ausführlich, warum die Großrazzia und vor allem die propagandistische Bearbeitung durch Innenminister Nehammer und Kanzler Kurz in erster Linie als rassistische Attacke zu verstehen ist. Sie hat rein gar nichts mit den angegebenen Zielen zu tun. Europäische Geheimdienste glauben nicht, dass die Muslimbruderschaft in Terroraktivitäten verwickelt ist, und in Ägypten wird sie ebenfalls nicht wegen Nähe zu Terrorismus verfolgt, sondern weil sie die Geschäfte der Militärjunta stören. Dafür hat Sebastian Kurz eine auffällig innige Beziehung zum Kopf der Junta, dem Diktator el-Sisi. Was im Westen kaum jemandem bekannt ist: die Muslimbruderschaft wird von Salafisten dafür verachtet, wie gesetzeskonform und zahm sie sich gebärdet. Umgekehrt hält die Muslimbruderschaft herzlich wenig von Salafisten und anderen radikaleren Gruppierungen.
Angriff auf uns alle
Aber das ist nicht einmal das wichtigste Argument hier. Aus der Sicht der antirassistischen Bewegung ist es viel wichtiger zu verstehen, dass der Angriff auf die muslimische Community ein Angriff auf uns alle ist. Anders gesagt, der Angriff ist das Problem, nicht die Angegriffenen. Erstens verschlimmert der Angriff den antimuslimischen Rassismus, der schon länger Wurzeln geschlagen hat. Die Meldungen bei der Dokustelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus sind danach wenig überraschend gestiegen. Die Regierung hat diese Stimmung mit der Razzia und mit den konstruierten Vorwürfen gegen die Betroffenen skrupellos angeheizt. Zweitens greift sie ganz auffällig Persönlichkeiten heraus, die besonders standhaft gegen antimuslimischen Rassismus aufgetreten sind.
Farid Hafez, ein herausragender Forscher zum Thema Islamfeindlichkeit, erklärte in einem Presseartikel, dass er ein Betroffener der Operation Luxor ist. Den Vorwurf der „Terrorfinanzierung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ wird er gerichtlich entkräften können, aber ob er unbeschadet aus der Sache herauskommt, hängt natürlich auch von der Reaktion der Bewegung ab.
Antirassismus heißt Anti-Regierung
Drittens stärkt die durch die Großrazzia erzeugte Stimmung natürlich die extreme Rechte. Die behaupten in ihrer Verschwörungstheorie vom Bevölkerungsaustausch ja ständig, dass wir unter der Führung reicher Juden von Islamisten unterwandert werden. Die Regierung hat ganz gezielt diesen Propagandaschmäh übernommen und Fakten gesetzt, die ihn für viele Menschen zu einer bedrohlichen Wahrheit machen. Es darf hier gar kein Zweifel aufkommen, auf welche Seite wir uns stellen müssen. Nicht zuletzt sollen wir alle eingeschüchtert und gespalten werden. Dem müssen wir entschlossen entgegentreten. Das heißt, jetzt erst recht müssen alle Teile der antirassistischen Bewegung ihre Solidarität zeigen und bei jeder Gelegenheit Seite an Seiten mit der muslimischen Community auf die Straße gehen. Wir müssen sichtbar machen, dass wir uns von Kurz, Nehammer und Konsorten nicht ins Bockshorn jagen lassen.
Richtigstellung: In der Originalversion dieses Artikels haben wir behauptet, dass auch Amani Abuzahra, Alexander Osman, und Anas Schakfeh unter den Opfern der Polizeirazzien waren. Das entspricht nicht den Tatsachen. Wir entschuldigen uns bei den Personen.