„Achtet auf die Straßen und Streiks, während die französische Regierung zusammenbricht“
Die französische Regierung ist zusammengebrochen, nachdem der rechtsgerichtete Premierminister Michel Barnier am Mittwoch ein Misstrauensvotum verloren hat. Sein Sturz hat die politische Krise, mit welcher der französische Staat konfrontiert ist, weiter vertieft.
Was passiert ist
Am Montag setzte Barnier seinen Haushaltsentwurf der Sozialversicherung für 2025 ohne parlamentarische Abstimmung durch. Er berief sich auf den autoritären Artikel 49.3 der französischen Verfassung. Sein Entwurf, der Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen im Wert von 59 Milliarden Euro vorsah, hätte vor allem die Arbeiterklasse getroffen.
Der Misstrauensantrag in der Nationalversammlung wurde mit 331 Stimmen angenommen, einer überwältigenden Mehrheit der 577 Abgeordneten.
Frankreichs neoliberaler Präsident Emmanuel Macron ernannte im September den altgedienten Rechts-Konservativen Michel Barnier zum Premierminister. Er konnte sein Amt nur mit Unterstützung des faschistischen Rassemblement Nationale (RN) von Marine Le Pen und Jordan Bardella antreten.
Die Wahlen im Juli haben zu einer Pattsituation geführt, in der drei große Blöcke das Parlament dominieren – die Neue Volksfront (NFP), der RN und Macrons Bündnis „Ensemble“.
Die NFP ist mit 193 Abgeordneten der größte Block, aber auf verschiedene Parteien – von Jean Luc Melenchons linker Partei LFI (Unbeugsames Frankreich) bis hin zur sozialdemokratischen Partei – aufgeteilt. Macrons Bündnis hat 166 Abgeordnete, der faschistische RN und seine Verbündeten halten 142 Sitze, während die konservative Gruppierung, aus der Barnier stammt, 47 Sitze hat.
Denis Godard, ein revolutionärer Sozialist in Frankreich, sprach mit Socialist Worker über den Auslöser der Krise – und über die Zukunft der Linken:
Seit den Wahlen im Sommer haben wir ein Parlament mit drei gleichgroßen Gruppen, von denen keine eine Mehrheit hat. Barniers Regierung basierte auf einem Bündnis zwischen Macrons Partei, den Konservativen und den Faschisten. Es war eine der reaktionärsten Regierungen seit Dutzenden von Jahren.
Die Regierung war völlig von der Unterstützung der Faschisten abhängig, die mit der Regierung spielten wie eine Katze mit einer Maus.
Die Regierung machte den Faschisten beim Haushalt viele Zugeständnisse und zeigte damit, dass sie bereit ist, sich an einen Teil der Politik des RN anzupassen.
Macron ist immer mehr dabei, den Weg für den RN zu ebnen. Die Regierung verhandelte mit dem RN, um zu entscheiden, was sie tun sollte, und legitimierte den RN als die wichtigste Kraft im Land.
Aber die faschistische Partei stützt sich auf die Mittelschicht und verteidigt daher einige Maßnahmen zur sozialen Sicherheit, während sie die reaktionäre Politik des Rassismus und Nationalismus unterstützt.
Der von Macron verteidigte Haushalt war ein Programm der herrschenden Klasse, das die Renten und die Mehrheit der Bevölkerung, sogar die Mittelschicht, angreift. Daher gab es von der Basis der Faschisten Druck gegen das Bündnis mit der Regierung.
Die Regierung und Macron sind sehr unbeliebt – sie haben keine Basis, keine Mehrheit und können nur durch Dekrete und Gewalt regieren.
Eine Zeit lang sah es so aus, als hätten die Faschisten beschlossen, die Regierung am Leben zu erhalten und die unpopulären Maßnahmen zu unterstützen. Das liegt daran, dass die Verfassung besagt, dass innerhalb eines Jahres nach der Auflösung des Parlaments keine Wahlen stattfinden dürfen, und Macron hat den Schritt im Juli getan. Aber die Widersprüche waren so groß, dass sie die Regierung nicht am Leben erhalten konnten.
Schwierige Fragen
Die Krise stellt die französische Linke vor schwierige Fragen. Im zweiten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen zog die NPF ihre Kandidaten zurück, die in der Umfrage den dritten Platz belegt hatten, und forderte dazu auf, für die Verbündeten von Macron zu stimmen.
In der Praxis bedeutete das, rassistische und neoliberale Kandidaten wie Elisabeth Borne zu unterstützen, eine der Autorinnen des Angriffs auf die Renten, der Massenproteste auslöste.
Die NPF erhielt die meisten Stimmen, aber im zweiten Wahlgang keine Mehrheit. Und Macron – der sich die Stimmen der Linken gesichert hatte – nahm diese Stimmen der Linken und brachte dann die Rechten ins Amt.
Denis erklärte, dass sich die Linke auf Kämpfe außerhalb des Parlaments konzentrieren müsse, um voranzukommen. „Die Linke wird nicht über den Zusammenbruch der Regierung jammern“, sagte er.
Denis Godard zum Status Quo:
Zu Recht hat die Linke gegen die Politik der Regierung und den Haushalt gekämpft. Aber es ist die große Schwäche der Linken, dass sie sich auf eine parlamentarische Strategie beschränkt. Die SP und die Kommunistische Partei haben gesagt: „Vielleicht müssen wir mit Macron eine Vereinbarung gegen die extreme Rechte treffen, um eine stabile Regierung zu haben.“
Melenchons LFI setzt auf eine militantere Strategie, aber sie wird sich weiterhin darauf abhängig machen, dass Macron einen linken Premierminister ernennt.
Nachdem Macron im September Barnier zum Premierminister ernannt hatte, waren die Türen für parlamentarische Manöver verschlossen.
Es eröffnete Menschen von unten die Möglichkeit zu sagen, dass es keine Lösung gibt, und dass wir deshalb wir kämpfen werden müssen. Das führte zu einer Zunahme von Streiks in verschiedenen Sektoren wegen Löhnen, Arbeitsbedingungen und Stellenabbau.
Die Zunahme lokaler Streiks setzte die Gewerkschaften unter Druck, sie mussten Maßnahmen ergreifen. In diesem Monat streiken verschiedene Sektoren landesweit.
Am Donnerstag findet ein landesweiter Streik im öffentlichen Dienst und im Bildungswesen statt, kommenden Montag und Dienstag ein landesweiter Streik der Hafenarbeiter. Am kommenden Mittwoch treten die Bahnarbeiter in einen unbefristeten Streik. Am Donnerstag findet ein Streiktag in der Industrie statt.
Jetzt stellt sich die allgemeine Frage, wer an der Macht ist – wochenlang werden wir keine Regierung haben. Wir befinden uns in einer instabilen Lage, aber Streiks sind die Gelegenheit für die Arbeiterinnen- und Arbeiterklasse, diese Frage zu beantworten.
Der Fokus wird von der Unterstützung parlamentarischer Lösungen zu unterstützen, zur Organisation von Streiks und Kämpfen durch die Arbeiterklasse verlagert.
Aber auch die Faschisten können aus der Situation Kapital schlagen. Der Kampf auf der Straße ist wichtig, um es Macron zu erschweren, eine noch rechtere Regierung zu ernennen.
Die Bewegung und die Streiks müssen so groß und entschlossen wie möglich sein. Man muss als Kraft stärker wirken als die Faschisten.
Man muss sagen, das Schicksal unseres Landes wird nicht mehr im Parlament entschieden.