Stellungnahme der IST (International Socialist Tendency) zu den Massenverhaftungen in der Türkei

The Coordination of the International Socialist 23 February 2025
24. Februar 2025 |

1. Am frühen Morgen des 18. Februar nahm die türkische Polizei im Rahmen einer Welle von Massenverhaftungen 52 kurdische und linke Aktivist:innen fest. In einer Reihe von koordinierten Operationen in zehn Provinzen wurden zahlreiche Journalist:innen, Künstler:innen und Politiker:innen verhaftet und ihr Zugang zu einem Rechtsbeistand wurde blockiert. Seit dem 14. Februar wurden mehr als 300 Personen verhaftet, und es wird befürchtet, dass Tausende weitere Opfer dieses Vorgehens werden könnten.

2. Die Verhaftungen am 18. Februar waren das Ergebnis von Ermittlungen gegen den Peoples‘ Democratic Congress (PDC). Dieser wurde 2011 gegründet, als es Friedensgespräche zwischen der kurdischen Freiheitsbewegung und dem türkischen Staat unter der AKP-Regierung von Recep Tayyip Erdoğan gab. PDC ist ein Zusammenschluss linker und demokratischer Parteien, darunter die prokurdische Demokratische Volkspartei (HDP). Zu ihren Gründern gehörten viele Linke aus der türkischen sozialistischen Linken, Journalist:innen, Menschenrechtsaktivist:innen und Personen aus der kurdischen Bewegung.

3. Das Hauptziel der Organisation war es, sich für Frieden, Demokratie und Freiheit für alle Völker einzusetzen und diese Ideen in der Gesellschaft zu verbreiten. Obwohl der Friedensprozess gescheitert ist, ist PDC weiterhin aktiv. Alle ihre Aktivitäten verliefen friedlich, und es wurde keine Anklage gegen sie erhoben. Şenol Karakaş, der Ko-Vorsitzende unserer türkischen Schwesterorganisation, der Revolutionären Sozialistischen Arbeiterpartei (DSIP), war unter denjenigen, die zunächst verhaftet wurden, obwohl er kein Mitglied der PDC war.

4. Laut der Kampagne Support the People of Turkey (https://spotturkey.co.uk/) „geht das harte Vorgehen nicht nur gegen Politiker:innen, sondern auch gegen Gewerkschaftsführer:innen und Journalist:innen. Mehmet Türkmen, der Vorsitzende der Textilarbeitergewerkschaft Birtek-Sen, wurde verhaftet, weil er Arbeitnehmer:innen organisiert hatte – eine Handlung, die ein Grundrecht sein sollte. Die Regierung hat auch Streiks und Proteste in der Stadt Antep verboten, wo es in zwei Fabriken, die mit einem AKP-nahen Politiker in Verbindung stehen, zu Arbeitsunruhen kam.

Auch Journalisten werden inhaftiert, weil sie Korruption und Fehlverhalten der Regierung aufgedeckt haben. Parteiführer:innen, Künstler:innen und Aktivist:innen werden verhaftet, weil sie sich gegen die Herrschaft von Erdoğan ausgesprochen haben. In einigen Fällen werden Einzelpersonen für Vorfälle angeklagt, die 10, 15 oder sogar 20 Jahre zurückliegen.

5. Mit dieser Repressionswelle reagiert Erdoğan auf die sinkende Popularität seiner Regierung. Die Stimmen für die regierende AKP gehen zurück, während die Stimmen für die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) zunehmen. Die CHP fordert vorgezogene Neuwahlen. Die Wut in der Gesellschaft wächst aufgrund der wirtschaftlichen Lage. Die Inflation liegt offiziell bei über 42 Prozent. Alle außenpolitischen Themen wie Syrien, Palästina und ein möglicher Krieg gegen den Iran, sind ebenfalls sehr beunruhigend. Die Regierung, eine Koalition aus der AKP und der faschistischen MHP, will die Lage durch die Zerschlagung der demokratischen Kräfte unter Kontrolle halten. Die Unterdrückung spiegelt Erdoğans Schwäche wider, nicht seine Stärke.

6. In einer Erklärung der DSIP (https://marksist.org/kategori/2/1) heißt es: „Wir haben immer wieder festgestellt, dass solche frühmorgendlichen Festnahmen mit antidemokratischen Praktiken einhergehen. Wir sind nicht bereit, dies zu akzeptieren. Alle in Gewahrsam genommenen Personen müssen sofort freigelassen werden.

Wir wissen, dass diese Razzien gegen diejenigen, die auf der Seite des Friedens, der wahren Gleichheit zwischen den Völkern, der Demokratie und der Freiheit stehen, Teil einer Politik der Einschüchterung gegen die gesamte Gesellschaft sind. Wir werden weiterhin zusammenstehen, um unsere Solidarität zu stärken und unseren Kampf gegen die Politik der Unterdrückung, die darauf abzielt, Friedensforderungen zu kriminalisieren, auszubauen.“

7. Wir fordern die sofortige Freilassung aller Verhafteten, die Einstellung aller Anklagen und dass die türkische Regierung die demokratischen Rechte der Bevölkerung und die gewerkschaftliche Organisation zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen respektiert. Wir fordern auch, dass die Regierung in gutem Glauben ernsthaft in schnelle Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in Kurdistan eintritt.

Die Koordination der Internationalen Sozialistischen Tendenz, 23. Februar 2025

IS TENDENCY STATEMENT ON MASS ARRESTS IN TURKEY

  1. Early in the morning of 18 February the Turkish police rounded up 52 Kurdish and leftist activists as part of a wave of mass arrests. In a series of coordinated operations across ten provinces, numerous journalists, artists, and politicians were detained, and their access to legal representation was blocked. Over 300 people have been arrested since 14 February, and fears have been expressed that thousands more will fall victim to this clampdown.
  1. The arrests on 18 February resulted from an investigation into the Peoples’ Democratic Congress (PDC). This was founded in 2011 when there were peace talks between the Kurdish freedom movement and the Turkish state headed by the AKP government of Recep Tayyip Erdoğan. It is a coalition of leftist and democratic parties, including the pro-Kurdish People’s Democratic Party (HDP), Its founders included many leftists from the Turkish socialist left, journalists, human right activists and people from the Kurdish movement. 
  1. The main objective of the organisation was to work on peace, democracy and freedom for all peoples and spread these ideas within society. Though the peace process broke down, the PDC is still active. All its activities have been peaceful and there has been no legal charge against it. Şenol Karakaş, co-chair of our Turkish sister organisation, the Revolutionary Socialist Workers Party (DSIP), was among those initially arrested, although he wasn’t a member of the PDC.
  1. According to the campaign Support the People of Turkey (https://spotturkey.co.uk/), ‘The crackdown extends beyond political figures to labour leaders and journalists. Mehmet Türkmen, the president of the textile workers’ union Birtek-Sen, was arrested for organising workers—an act that should be a fundamental right. The government has also banned strikes and protests in the city of Antep, where two factories linked to an AKP-affiliated politician were facing labour unrest. 

‘Journalists are also being imprisoned for exposing corruption and government misconduct. Political party leaders, artists, and activists are being arrested for speaking out against Erdoğan’s rule. In some cases, individuals are facing prosecution for incidents that occurred 10, 15, or even 20 years ago.’

  1. This wave of repression is Erdoğan’s response to the declining popularity of his government. Votes for the ruling AKP are declining and those for the opposition Republican People’s Party (CHP) are increasing. The CHP is beginning to demand early elections. The anger among the society is growing because of the economic situation. Inflation is running officially at over 42%. All the external issues, Syria, Palestine and a potential war against Iran, are also very concerning. The government, a coalition of the AKP and the fascist MHP, wants to keep control of the situation by crushing democratic forces. The repression reflects Erdoğan’s weakness, not his strength.
  1. DSIP (https://marksist.org/kategori/2/1) says in a statement: ‘Time and time again, we have seen that such early-morning detention operations go hand in hand with antidemocratic practices. We are not prepared to accept this. All those taken into custody must be released immediately.

‘We know that these raids against those who stand on the side of peace, true equality among peoples, democracy and freedom are a part of a politics of intimidation against the whole of society. We will continue to stand together, as we strengthen solidarity and build our struggle against the politics of oppression that aim to criminalise demands for peace.’

  1. We call for the immediate release of all those arrested, for the dropping of all charges, and for the Turkish government to respect the democratic rights of the people and the organization of trade unions to advance workers’ conditions. We also demand that the government enters in good faith into speedy negotiations to end the war in Kurdistan.