Krieg mit Russland? Beenden wir diesen Wahnsinn
Ein Krieg zwischen Russland und der NATO ist noch unwahrscheinlich, doch die politischen Eliten sind zu einem bereit. Auf dem Papier ist die NATO, solange die USA mitmachen, Russland haushoch überlegen. 50 Prozent der weltweiten Militärausgaben werden von NATO-Staaten getätigt. Dazu kommt noch eine technologische Überlegenheit, die, solange China nicht eingreift und den Westen von wichtigen Ressourcen wie seltenen Erden aussperrt, klar auf Seiten des Westens ist. Doch Kriege werden nicht nur auf dem Papier durch militärische Ressourcen entschieden, sondern auch durch taktisches Know-how. Das bedeutet, am richtigen Ort militärische Übermacht zu schaffen und durch die Motiviertheit der eingesetzten Soldaten zu erhöhen. Hier könnte Russland einen Vorteil haben, insofern es seit drei Jahren einen Massenkrieg führt, während die NATO seit Jahrzehnten nur asymmetrische Kriege gegen Widerstandsgruppen oder chancenlose Staaten wie den Irak und Jugoslawien gewöhnt ist. Insbesondere in der logistischen Seite — Millionen Menschen, unvorstellbare Mengen an Essen, Treibstoff und Kriegsmaterialien in kurzer Zeit über weite Strecken zu transportieren — besitzt Russland praktische Erfahrungen, welche der Westen nur aus militär-strategischen Kriegsspielen (War Games) kennt.
Unwahrscheinlich? Egal!
Von der konventionellen Seite abgesehen besitzen beide Machtblöcke genügend Atomwaffen, um die Erde auszulöschen, bevor es der Klimawandel schafft. Bis heute hält sich die These, dass Atomwaffen insofern Frieden sichern, als niemand verrückt genug ist, einen Krieg zwischen zwei Atommächten zu wollen. Das Problem an dieser These ist, dass ein ausgiebiger Wissenschaftszweig innerhalb des Militärs existiert, der genau über solche Fragen wie „wann/weshalb setzen wir Atomwaffen ein?“ nachdenkt. Eine Erkenntnis ist, dass Kriege eben nicht vollkommen rational auf Basis von Kosten-Nutzen-Rechnungen entstehen, sondern andere Staaten für den eigenen immer eine Black Box sind, insofern man nie wissen kann, was der andere Staat genau plant. Die Liste der „Nuclear Near Misses“ — Momente, in denen die Welt besonders knapp vor einem Nuklearkrieg stand — ist nicht nur lang, sondern neben der Kubakrise 1962 finden sich viele Beinahe-Abschüsse, die einfach nur auf technische Fehler zurückgingen. Im NORAD-Fehlalarm (1979/1980) meldete ein US-Frühwarnsystem einen sowjetischen Großangriff mit Nuklearwaffen, was sich als Technikfehler herausstellte. Man will sich kaum vorstellen, wie solch ein Technikfehler in einer geopolitisch maximal angespannten Situation mit Wahnsinnigen wie Trump und Putin an der Macht ausgehen könnte.
Auch wenn ein Krieg Russland–NATO unwahrscheinlich und die Auslöschung der Welt durch Atomkrieg noch unwahrscheinlicher ist, zeigt allein die Existenz dieser Wahrscheinlichkeit, wie falsch die politische Ordnung dieser Welt ist. Imperialistische Interessen und schlechtes Timing können dazu führen, dass die heutige globale Zivilisation ausgerottet wird.
Russland
Die Luftraumübertretungen sind eine absichtliche Provokationsstrategie von Putin. Wahrscheinlich stecken neben der Machtdemonstration— „wir können tun, was wir wollen“ — zwei Überlegungen dahinter. Erstens sind die Übertretungen eine Strategie, um die Reaktionsgeschwindigkeit zu testen: Wie schnell sind wie viele NATO-Flugzeuge in der Luft? Zweitens macht Russland langsam, aber konstant Fortschritte in seinem Krieg gegen die Ukraine. Es sind nicht die Gebietsgewinne, sondern die Abnutzung des ukrainischen Militärs in personeller wie materieller Hinsicht. Durch die Luftraumübertretungen und Bodentruppenaktivitäten soll der Westen Material und Aufmerksamkeit von der Ukraine hin zu direktem NATO-Territorium verlagern. Diese russischen Provokationen dürfen nichts an unserer Analyse ändern, dass die NATO ein imperialistisches Monstrum ist und dass es sich beim Ukrainekrieg um einen Stellvertreterkrieg handelt.
NATO-Terror
Die NATO behauptet in ihrer Gründungscharta, dass sie von den „Grundsätzen der Demokratie, der individuellen Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit“ ausgeht. In Griechenland, Portugal und der Türkei müssen diese Sätze wie Hohn klingen: Alle Staaten waren phasenweise Diktaturen, als sie NATO-Mitglieder waren. Ähnlich lächerlich müssen die Sätze für Sozialdemokrat:innen und Gewerkschafter:innen klingen: In den 1970er-Jahren baute die NATO mit Gladio eine faschistische Geheimarmee auf, die in zahlreiche anti-linke Terroranschläge verwickelt war.
Doch die Nato organisiert nicht nur Terror gegen die Bevölkerung, die sie vorgibt zu schützen. Wenn wir uns dem Rest der Welt zuwenden, zieht die NATO eine beeindruckende Spur aus Tod und Vernichtung hinter sich her.
Ukrainekrieg
Auch der Ukrainekrieg ist nicht einfach Produkt der imperialistischen Bestrebungen Russlands. 2014 stürzte eine Massenbewegung den prorussischen ukrainischen Präsidenten Janukowytsch. Der Sturz eines reaktionären Regimes ist grundsätzlich unterstützenswert, auch wenn die Maidan-Bewegung teilweise offensiv pro-westlich war. Schlimmer noch: faschistische Hooligans, die sich heute im Asow-Bataillon formieren, spielten eine relevante Rolle in der Verteidigung der Maidan-Proteste. Für Putin stellte der Sturz eines prorussischen Präsidenten sowie die voranschreitende Westanbindung der Ukraine eine Bedrohung dar.
Der einflussreiche US-Geostratege Zbigniew Brzeziński argumentierte in seinem Buch Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft explizit, dass es für die USA vorteilhaft wäre, Russland in mehrere Staaten zu teilen. Auch wenn es von den USA wenig konkrete Schritte gab, ein solches Projekt voranzubringen (die Chancen wären auch sehr gering), führten diese Überlegungen, kombiniert mit dem NATO-Vorrücken in Richtung Russland, zu einer Paranoia in der russischen Führungsriege. Dazu kommt noch: Sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg fokussierte Deutschland seine Angriffe über die Ukraine nach Russland. Das Territorium eignet sich für schnellen Bewegungskrieg und es besteht die Möglichkeit, Russland von seinen Ölreserven im Kaukasus abzuschneiden. Militärisch wäre die Ukraine noch immer ein sinnvolles Aufmarschgebiet für einen Angriff auf Russland.
Im politischen Diskurs wird der Ukrainekrieg insbesondere von grüner Seite als epochaler Endkampf — gute westliche Freiheitsdemokratie gegen den russischen Teufel, mit rassistischen Untertönen — interpretiert. Der Fanatismus dieser Leute, sich als Hüter des ewigen Guten darzustellen, macht es schwer, nicht zu polemisieren: Die Wehrmacht-Urenkel wollen sich für Stalingrad revanchieren.
Der CIA-Direktor William Burns argumentierte in seinem Essay Spycraft and Statecraft (2024) explizit, die USA müssten ihre Beteiligung am Ukrainekrieg beibehalten, weil: „Mit weniger als fünf Prozent des US-Verteidigungsbudgets handelt es sich um eine relativ bescheidene Investition, die sich für die Vereinigten Staaten geopolitisch und für die amerikanische Industrie in erheblichem Maße auszahlt.“
Es ist keine marxistische Interpretation — die Elite sagt selbst, dass der Ukrainekrieg ein Stellvertreterkrieg ist. Darum ist es falsch, wenn Linke die westliche Seite und ihre Kriegsvorbereitungen unterstützen. Vielmehr sehen wir, dass wir die Herrschaft des Wahnsinns von Staat, Kapital und Eliten überall auf der Welt beenden müssen, bevor sie unsere Existenz beenden.