Anni Haider: Eine Revolutionärin im Angesicht von Widerstand und Verrat
Anni arbeitete in einem Textilbetrieb und wurde dort als Betriebsrätin gewählt. Als sie Anfang der 1930er Jahre ihre Arbeit verlor, verdiente sie ihr Geld mit Heimarbeit. Zur selben Zeit verschärfte sich die politische Lage in Österreich. Die Regierung Dollfuß ging repressiv gegen die Arbeiterbewegung vor, 1933 hat Dollfuß das Parlament ausgeschaltet. Die Sozialdemokratische Partei und der Republikanische Schutzbund, die auf den gewaltsamen Widerstand vorbereitet sein sollten, waren jedoch schlecht organisiert.
Am 12. Februar 1934 begannen in Linz die ersten Schusswechsel zwischen Schutzbündlern und Regierungstruppen. Schnell griffen die Kämpfe auf Wien über. Besonders erbittert wurde um Arbeiterheime und Gemeindebauten gekämpft, wie im Goethehof in Kaisermühlen, in dem sich Anni befand. Inmitten der Kämpfe übernahm sie die Aufgabe, die wenigen vorhandenen Waffen und die spärliche Munition zu verteilen. Als die Niederlage der Schutzbündler immer deutlicher wurde, bediente sie eines der letzten funktionierenden Maschinengewehre, um den Rückzug der kämpfenden Männer zu decken.
Doch der Goethehof wurde von Polizei und Bundesheer unter Artilleriebeschuss genommen und der Kampf wurde beendet. Später erinnerte sie sich daran, dass sie auf den Stiegen des Goethehofs saß und weinte – nicht nur wegen der Niederlage, sondern wegen des Verrats. Die Schutzbündler hatten auf Waffen und klare Befehle vertraut, doch diese waren nicht vorhanden. Die Revolution scheiterte nicht nur an der militärischen Übermacht, sondern auch am Versagen der eigenen Genossen.
„Tränen statt Gewehre”
Im Dokumentarfilm „Tränen statt Gewehre” (Regie Karin Berger, 1983) erzählt sie: „Und das ist der große Verrat g’wesen vom Goethehof. Dass sie die Leut’ so hing’halten haben. Die haben gesagt, es ist genügend da, dass man weiß Gott was kann ausstaffieren damit. Und in Wirklichkeit sind nur ein paar Revolver und die Gewehre dag’wesen. Jetzt sind wir dag’standen. Das war so deprimierend, da bin ich so fertig g’wesn.“
1936 floh sie in die Sowjetunion, wo sie Franz Haider kennenlernte. 1938 kehrten beide nach Österreich zurück und arbeiteten im Widerstand gegen das NS-Regime. 1941 wurden Anni und ihr Mann verhaftet, nachdem ein Spitzel ihre Widerstandsaktivitäten meldete. Sie wurde wegen „Nichtanzeige des Vorhabens eines hochverräterischen Unternehmens“ am 22. September 1942 zu 15 Jahren Haft im Zuchthaus Aichach (Bayern) verurteilt. 1945 wurde sie von US-Truppen befreit.
Nach dem Krieg engagierte sich Anni Haider in der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) und war dort Frauenvorsitzende der KPÖ-Oberösterreich, und gehörte auch der Landesleitung dieser an. Weiters engagierte sie sich im Bundesverband österreichischer Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus (KZ-Verband). Sie sprach offen über die Ereignisse von 1934 und den Widerstand gegen den Faschismus.
Anni Haider starb am 22. Juni 1990 in Linz. 2018 wurde ihr zu Ehren der „Anni-Haider-Weg“ im 22. Wiener Gemeindebezirk benannt.
Anni war eine bewunderte Revolutionärin, die trotz aller Widrigkeiten nie ihren Kampfgeist verlor und sich weiter für die Gemeinschaft einsetzte.