Arbeitslosigkeit auf Rekordhoch: Unternehmen und Staat sind schuld!

Warum steigt die Arbeitslosenquote in Österreich mehr als in Deutschland? Wer ist davon betroffen? Und was kann dagegen unternommen werden?
12. Juni 2015 |

Die Arbeitslosenquote erreichte 2014 mit 8,4% ein historisches Hoch: 394.674 Personen waren im Jahresdurchschnitt 2014 arbeitslos gemeldet oder in Schulungen. Dazu kommen noch 6.067 Lehrstellensuchende. Doch von Arbeitslosigkeit sind nicht alle gleich betroffen.

Betroffene

Den größten Anstieg der absoluten Arbeitslosenzahlen im Vergleich zum März des Vorjahres gibt es in der Gruppe der Nicht-Österreicher_innen (+22,2%), bei behinderten Menschen (+17%) und Älteren (+16,2%). Seit Krisenbeginn explodiert die Arbeitslosenquote von Geringqualifizierten. 2014 betrug sie fast 25% bei Menschen mit nur Pflichtschulabschluss, während die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Lehrabschluss konstant unter 10% und bei jenen mit höherem Abschluss unter 5% bleibt.

Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Anzahl der Arbeitslosen, Schulungsteilnehmenden und Lehrstellensuchenden um 9,3% während die Anzahl der Langzeitarbeitslosen in dieser Gruppe um 32,9% stieg. Es kommt zu einer Verfestigung der Arbeitslosigkeit: Die Zahl derjenigen, die arbeitslos sind und bleiben, steigt.

Gründe für den Anstieg

Es müssen angebots- und nachfrageseitige Gründe für den Anstieg der Arbeitslosenquote unterschieden werden: Zu ersterem zählt ein steigendes Arbeitskräfteangebot: Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter stieg in Österreich seit 2000 um 300.000 Menschen während sie in Deutschland um 1,6 Millionen sank. Bei gleichbleibender Zahl von Arbeitsplätzen verändert sich der Anteil der Arbeitslosen an der Erwerbsbevölkerung – für Deutschland folgt, rein rechnerisch, eine niedrigere, für Österreich eine höhere Arbeitslosenquote. Das allein sagt aber noch nichts über die Entwicklung der Anzahl der Arbeitslosen aus.

In Österreich ist der Anstieg des Angebots vor allem auf ausländische Arbeitskräfte zurückzuführen. Das AMS rechnet damit, dass in den nächsten fünf Jahren 212.400 mehr Menschen auf dem Arbeitsmarkt sein werden, 82% davon mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft. Sie konzentrieren sich allerdings auf wenige Branchen: Einen Ausländeranteil von über 20% weisen nur Hotel und Gastronomie, sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen (d.h. Leiharbeiter), Bau und Primärsektor auf.

Fehlende Nachfrage

Dass sie den Österreicher_innen nicht die Arbeitsplätze wegnehmen wird klar, wenn man sich die Arbeitslosenzahlen verschiedener Nationalitäten ansieht: Der Anstieg der Arbeitslosigkeit war für alle Nationalitäten gleich hoch bzw. höher als bei den Österreicher_innen – mit Ausnahme der Tschech_innen, bei denen die Arbeitslosenquote 2008-2014 annähernd konstant blieb.

Das steigende Arbeitskräfteangebot setzt sich nur dann in höhere Arbeitslosigkeit um, wenn es an betrieblicher Nachfrage mangelt. Zwar stieg seit Krisenbeginn die Zahl der Beschäftigten, allerdings reduzierte sich die Zahl der Arbeitsstunden – sowohl für österreichische als auch nicht-österreichische Beschäftigte. Dies ist dadurch zu erklären, dass Unternehmen Vollzeitstellen durch mehrere prekäre Teilzeitstellen ersetzten und in Wirklichkeit nicht in neue Anstellungen investierten.

Stellenabbau

26_Beschäftigungswachstum stagniert (c)Alteneder_FrickDie erste Quartalsprognose 2015 des AMS belegt ein stagnierendes Beschäftigungswachstum (siehe Grafik links). Die Zahl der Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten ist zwischen 2000 und 2008 um rund 200.000 gestiegen, 2008 bis 2012 erhöhte sie sich nur um 60.000. Dies bedeutet eine Verringerung des jährlichen Anstiegs nach Krisenbeginn um rund 10.000 Erwerbstätige.

Nicht nur, dass die Unternehmen keine neuen Arbeitsplätze geschaffen haben, bauten sie sogar Stellen ab (siehe Übersicht unten). Trotz eines leicht positiven Wirtschaftswachstums trauen sich die Unternehmen aufgrund niedriger Profitabilität nicht zu investieren und Menschen einzustellen. Das schwächt den Konsum und verfestigt niedriges Wachstum. Während der Staat bis 2010 dem noch gegensteuerte und expansive Budgetpolitik betrieb, ist jetzt Konsolidierung angesagt. Es kommt zu einer Knappheit an Arbeitsplätzen.

Maßnahmen

Statt restriktiver Budgetpolitik sollte der Staat seine Auftrags- und Arbeitgeberfunktion, insbesondere bei sozialen Dienstleistungen und Infrastruktur (erneuerbare Energie, öffentlicher Verkehr) wahrnehmen: Investitionen in die Bildung für alle können der Arbeitslosigkeit von Geringqualifizierten entgegenwirken. Mindestlohn auf mindestens 1.500 Euro erhöhen um den Konsum anzukurbeln.

Es braucht eine generelle Arbeitszeitverkürzung ohne Arbeitsverdichtung und ohne Lohn- und Gehaltsreduktion; korrekte Abgeltung und Abbau von Überstunden; Pensionsantrittsalter runter um die Zahl der Erwerbsfähigen zu senken; Entlastung des Faktors Arbeit und Vermögen besteuern. Ansonsten wird sich, wie prognostiziert, die Arbeitslosigkeit in den nächsten Jahren noch weiter erhöhen. Und dies würde ohnehin schon sozial Ausgegrenzte besonders treffen.

Stellenabbau 2015 – ein Ausschnitt:

  • Der Verbund hat 2013 bereits rund 250 Stellen abgebaut und will in den kommenden fünf Jahren weitere 250 Stellen abbauen (Gewinn 2014: 126,1 Mio. Euro)
  • Beim Druckmaschinenhersteller KBA verlieren bis Ende 2015 insgesamt 385 Beschäftigte ihre Arbeit
  • Die Liquidation der teilstaatlichen Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG) kostet rund 300 Arbeitsplätze
  • Das Montanunternehmen Schoeller-Bleckmann kürzte seit Jahresbeginn 186 Stellen (Gewinn im 1. Quartal: 10,4 Mio. Euro)
  • Das Maschinenbauunternehmen Mubea Carbo Tech baute 220 (120 fixe und 100 Leiharbeiter) der 612 Stellen ab
  • Der Büromöbelhersteller Bene kündigte im Jänner 29 und im April weitere 127 Beschäftigte in Waidhofen
  • Der Hersteller von Fenster- und Türbeschlägen Mayer & Co (Maco) kündigt 170 seiner 1.670 Beschäftigten
  • Der Maschinenbaukonzern Voith Paper wird zugesperrt, wodurch 150 ­Arbeitsplätze in St. Pölten verloren gehen
  • Sony baut in Salzburg 70 Stellen (30 fixe und 40 Leiharbeiter) ab (2012 wurden fast 200 fixe und 120 Leiharbeiter gekündigt)
  • Secop (Hersteller von Verdichtern für Kühlkreisläufe) streicht 120 (der 418) Jobs in Fürstenfeld
  • Der Unterwäschehersteller Triumph streicht 210 Stellen in Oberwart (2010 gingen 300 und 2013 350 Jobs verloren)
  • Das Kristallglasunternehmen Swarovski beschäftigt heute, im Vergleich zu Ende 2007, 1.900 weniger Angestellte (2014: 200 Kündigungen)
  • Beim Kabelnetzbetreiber UPC Cablecom fallen bis 2018 rund 90 Arbeitsplätze weg
  • Das Modehaus Tlapa baute im März 61 von 100 Beschäftigten ab
  • Die Grazer Firma Leder & Schuh kündigte im Februar 65 Beschäftigte
  • Der Werkzeughersteller und Dienstleister Sandvik Mining and Construction GmbH hat Anfang März 51 Beschäftigte (11% der Belegschaft) in Zeltweg gekündigt (2014: 106 Mio. Euro Umsatz)
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.