Arena-Besetzung 1976: Aus Schlachthof wird Kulturgelände

Ohne Arena und Amerlinghaus wäre Wien eine sowohl politisch als auch kulturell deutlich traurigere Stadt. Diese Freiräume wurden uns von der Stadtregierung nicht geschenkt, sondern sie wurden über Besetzungen erkämpft. In unserer neuen Serie wollen wir Besetzungen feiern, die österreichische Geschichte geschrieben haben.
12. Dezember 2016 |

Das Themenfeld „Kampf um den öffentlichen Raum“ ist spätestens seit den Protesten um den Gezi-Park in Istanbul 2013 in aller Munde. Die türkische Regierung wollte den zentralen Park Istanbuls zubetonieren und an seiner Stelle ein großes Einkaufszentrum errichten. Ausgehend von Umweltschützer_innen entstand eine riesige Bewegung, die den Park verteidigte und sehr bald auch das politische und wirtschaftliche System in Frage stellte.

Besetzungen Klassenkampf

Besetzungen sind heutzutage vor allem als Aktionen für selbstverwaltete Wohn- und Kulturräume bekannt. Doch Besetzungen waren historisch eine Kampfform der Arbeiter_innenbewegung. Eines der Paradebeispiele ist die gigantische Welle an Fabrikbesetzungen im Italien der 1920er-Jahre: Ausgehend von Turin besetzten Arbeiter_innen spontan hunderte Fabriken. Die Unternehmer wurden davon gejagt und die Fabriken von Arbeiterräten kontrolliert, über 600.000 Arbeiter_innen beteiligten sich an den Besetzungen.

In Frankreich und in den USA gab es 1936 hunderte Fabrikbesetzungen, die den Staatsapparat ins Chaos stürzten und teilweise mit großen Siegen der Arbeiter_innen endeten. Aktuell gibt es vor allem in Griechenland Besetzungen und Selbstverwaltungen von Betrieben, wie ein vom Personal verwaltetes Krankenhaus in Thessaloniki.

Österreich

Auch in der Geschichte der österreichischen Arbeiter_innenbewegung gibt es Besetzungen. Beispiele sind die Besetzung des Gartendirektorstöckls beim Hietzinger Tor durch den Hietzinger Bezirksarbeiterrat im Jahr 1919 und die daran anschließende Besetzung des Schlosses Schönbrunn, das Otto Kaunitz und seinen Kindern der „Kinderrepublik“ zur Verfügung gestellt wurde. Er baute in der ehemaligen Residenz der Kaiserfamilie die Schönbrunner Erzieherschule auf.

In der jüngeren heimischen Geschichte gingen Besetzungen nicht mehr von der Arbeiter_innenbewegung aus, sondern oft von zivilgesellschaftlichen oder linken Gruppierungen. Beispiele sind die Besetzungen von Amerlinghaus, Arena, WUK in den 1970er-Jahren oder später das Kosmos Theater, die Rosa-Lila Villa, aber auch die Besetzung der Votivkirche durch Flüchtlinge, der Hainburger Au durch die Naturschutzbewegung, oder des Audimax-Hörsaals durch Studierende. Diese Besetzungen wollen wir euch im Laufe unserer Artikelserie vorstellen.

Die Besetzung der „Arena“

Die wahrscheinlich bekannteste Besetzung in Österreich ist die der Arena. Die Arena, das Kulturgelände am ehemaligen „Auslands-Schlachthof Sankt Marx“, hätte 1976 abgerissen werden sollen, um an deren Stelle ein Modezentrum zu errichten. Gegen diese Pläne gab es massiven Widerstand. Nach der letzten geplanten Theateraufführung wurde das Areal kurzerhand besetzt.

Die Besetzer_innen waren eine wilde Mischung aus Linken, Jugendlichen und Künstlern. Ihre Forderung war ein selbst verwaltetes, von der Stadt subventioniertes, Kulturzentrum. Während der Besetzung wurden laufend Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen abgehalten. Es entwickelte sich eine umfangreiche Infrastruktur mit Schlafräumen, Küche, usw. Die Besetzung dauerte etwas mehr als drei Monate und war zumindest teilweise erfolgreich.

Das ursprüngliche Gelände wurde zwar abgerissen und von den Besetzer_innen geräumt, doch aufgrund der massiven Solidarisierung der Wiener Bevölkerung stellte die Stadtregierung den ehemaligen Inlands-Schlachthof zur Verfügung. Dort rockt die Arena noch heute und ist ein Fixpunkt des Wiener Kulturlebens.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.