Banken hängen nach zehn Jahren immer noch am staatlichen Tropf

Die Finanzkrise 2007-08 überschattet weiterhin die Weltwirtschaft. Für viel Aufsehen in Wirtschaftskreisen sorgte Ende Jänner die Nachricht, dass die US-Notenbank („Fed“) die Leitzinsen nicht weiter erhöhen wird. Der Versuch, in den USA wieder zu einer normalen Geldpolitik mit Zinsen deutlich über null zurückzukehren, ist damit erst einmal gescheitert, schreibt Alex Callinicos.
19. Februar 2019 |

Die US-Notenbank hat Ende Jänner die Leitzinsen nicht weiter erhöht. Das war ein äußerst bedeutsamer Schlag ins Wasser. Um das zu verstehen, müssen wir uns in Erinnerung rufen, wie die führenden kapitalistischen Staaten aus der Großen Rezession, die die Finanzkrise ausgelöst hat, herausgekommen sind. Im Grunde haben sie das neoliberale Dogma ignoriert und stattdessen den Geldhahn aufgedreht. Das bedeutete zusätzliche Staatsverschuldung.

Aber mit Hilfe eines gewieften politischen Manövers durch die herrschenden Medien und die überlebenden Banken wurde dies bald zur „Staatsschuldenkrise“ umgedeutet. Die Folge war Austeritätspolitik, mit dem Ziel, die öffentlichen Ausgaben zu kürzen. Aber die Volkswirtschaften waren immer noch zu schwach, um ohne staatliche Stütze auszukommen. Die Zentralbanken kamen ihnen zu Hilfe. Sie hatten im neoliberalen Zeitalter die Kontrolle über die Steuerung der Geldmenge und Festlegung der Zinssätze wieder gewonnen.

„Quantitative Easing“ der Zentralbanken

Die folgende aktive Geldpolitik geschah vor allem in Form der „Quantitativen Lockerung“ („Quantitative Easing“, QE). Die Zentralbanken kauften Staats- und Unternehmensanleihen von Privatbanken und pumpten auf diese Weise Geld in das Finanzsystem. Die Vorstellung war, dass die Banken dieses Geld an Unternehmen für Investitionen verleihen würden.

Als das nicht eintrat, versuchte man andere Methoden – etwa die Einführung von Negativzinsen, wodurch Banken bestraft werden sollten, die ihr Geld horteten. Aber der Plan der Zentralbanken war immer, die Geldpolitik so früh wie möglich wieder zu „normalisieren“. Mit anderen Worten, die Zinsraten würden von dem extrem niedrigen Niveau am Höhepunkt der Finanzkrise wieder angehoben und das QE würde beendet werden.

Dahinter standen zwei Gedanken. Erstens die Annahme, dass die Finanzkrise und die Große Rezession nur ein kurzer Einbruch eines grundsätzlich gesunden und wachsenden kapitalistischen Systems wären. Nach der Überwindung ihrer Auswirkungen könne man zur neoliberalen „Normalität“ zurückkehren.

Angst vor Inflation

Zweitens gibt es ein entscheidendes wirtschaftliches Dogma in der orthodoxen Ökonomie, die sogenannte Quantitätstheorie des Geldes. Diese behauptet, dass die Inflation steigt, wenn die Geldmenge zu schnell erhöht wird. Viele neoliberale Ökonomen warnten, dass das QE letztlich zu einer Hyperinflation führen würde.

Doch der Weg zur „Normalität“ erwies sich als schwierig, wie verschiedene Präsidenten der US-Notenbank feststellen mussten. 2013 deutete der damalige Fed-Chef Ben Bernanke an, dass er die Erhöhung der Geldmenge drosseln würde. Im darauf folgenden „taper tantrum“ („Drossel-Koller“) drehten die Finanzmärkte durch. Bernanke musste rasch zurückrudern. Seine Nachfolgerin Janet Yellen fing aber erneut damit an, das QE zu drosseln und die Leitzinsen zu erhöhen. 2016 musste sie dies wiederum aufschieben, als die chinesische Wirtschaft in ernste Schwierigkeiten geriet.

Vor einem Jahr ersetzte Donald Trump Yellen durch Jay Powell. Trump wurde wütend, als Powell die Politik von Yellen wieder aufnahm und schrittweise die Leitzinsen anhob. Die Fed kauft auch keine neuen Anleihen nach, wenn die alten fällig werden. Das heißt, die Notenbank pumpt kein neues Geld mehr in das Bankensystem. Trump fürchtete, dass die Fed so den Wachstumsschub abwürgen könnte, dessen sich die US-Wirtschaft seit Trumps Wahl zum Präsidenten erfreute.

Aber die orthodoxen Ökonomen in der Fed sind besorgt, dass die sinkende Arbeitslosigkeit zu höherer Inflation führen könnte, weil Arbeiter_innen dadurch ermutigt werden, für höhere Löhne Druck zu machen.

„Das Ende des Normalen“

Tatsächlich ist die Sache mit der Inflation ein weiterer bedeutsamer Reinfall. Die Zentralbanken hatten Mühe, die Preise gemäß ihres angestrebten Zieles, gewöhnlich zwei Prozent Inflation, anzuheben. Ein Grund dafür sind die Arbeitslosenzahlen, die nämlich besser aussehen, als sie tatsächlich sind, weil so viele Menschen es aufgegeben haben, nach einem Arbeitsplatz zu suchen.

Als Hauptgrund für das Ende der Leitzinserhöhungen Ende Jänner nannte Powell aber „Seitenwinde“ in der Weltwirtschaft. Dazu gehört der beginnende Handelskrieg zwischen den USA und China, die wirtschaftliche Abschwächung in der Eurozone und die Zerrüttungen, die ein harter Brexit zur Folge haben könnte.

Der eigentliche Grund allerdings ist, dass der globale Kapitalismus, der immer noch stark mit der Ideologie des freien Marktes verbandelt ist, ohne staatliche Hilfen nicht in Gang kommt. Das ist das entscheidende Merkmal des „Ende des Normalen“, wie es der linke Ökonom James Galbraith ausgedrückt hat.

Alex Callinicos ist führendes Mitglied der Socialist Workers Party (SWP, Schwesterorganisation von Linkswende jetzt) und Professor für Europäische Studien am King’s College London.
Der Artikel ist zuerst in der britischen Zeitung Socialist Worker erschienen. Übersetzung aus dem Englischen von Manfred Ecker und David Albrich.