Der Gipfel der Unmenschlichkeit

Jahrzehntelang haben die europäischen Regierungen Politik gegen Flüchtlinge gemacht. Jetzt erleben wir, wie rechtsextreme bis faschistische Parteien auf dem Kamm dieser rassistischen Welle überall in Europa an die Macht gespült werden. Der Rechtsruck erfährt dadurch eine rasende Beschleunigung.
1. August 2018 |

Matteo Salvini und Herbert Kickl, das sind die hässlichen Fratzen der europäischen Migrationspolitik. Gemeinsam mit Horst Seehofer dominierten sie das Treffen der EU-Innenminister Mitte Juli in Innsbruck.

Gegen Flüchtlinge und Roma

Matteo Salvini ist italienischer Innenminister und Führer der rechtsextremen Lega Nord, die seit Juni in einer Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung an die Regierungsmacht gekommen ist. Als allererstes hat Salvini die Landung von NGO-Schiffen untersagt, die auf hoher See Flüchtlinge gerettet und an Bord genommen haben. Seither dürften über 600 Menschen aufgrund dieser Politik im Mittelmeer ertrunken sein.

Mehrfach prahlte er mit seiner Verachtung für die Menschenrechte, zuletzt als er wiederholt verlangte, dass Libyen von der EU als sicheres Land anerkannt werden sollte, und die EU Flüchtlinge dorthin zurückschicken sollte. In Libyen herrschen bekanntlich Milizen über Sklavenmärkte, auf welchen Flüchtlinge, die mit Waffengewalt gefangen genommen werden, verkauft werden. Vergewaltigungen, Folter und Mord stehen dort auf der Tagesordnung. Noch hat sich Salvini mit dieser Forderung nicht durchgesetzt, aber er hat im österreichischen Bundeskanzler Kurz schon einen prominenten Unterstützer gefunden.

Kurz war einer der ersten, der die „Schließung der Mittelmeeroute“ ins Spiel brachte und in Libyen ernsthaft eine Option für die Errichtung von Lagern sieht. In Wahrheit „gehen viele der Flüchtlinge allein deshalb aufs Meer, weil sie der Hölle in Libyen endlich entrinnen wollen“, wie der Arzt Tankred Stöbe erklärt, der für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen Lager in Libyen inspizierte. Hilflos musste er dort mitansehen, wie Frauen vergewaltigt und Männer sinnlos verprügelt wurden.

Matteo Salvini ist aber nicht nur durch Rassismus gegen Flüchtlinge aufgefallen. Er lässt mittlerweile Roma in italienischen Städten zählen und registrieren. „Italienische Roma müssen wir leider hier behalten“, kommentierte er seine Provokation.

Salvinis Freund Kickl

Salvini hat im österreichischen Innenminister Herbert Kickl einen ebenbürtigen Kameraden gefunden. Zwar haben sie riesige Differenzen – Kickl will, dass Österreich sich weigert, Bootsflüchtlinge, die in Italien an Land gegangen sind, aufzunehmen. Salvini fordert genau das und weigert sich Flüchtlinge zurückzunehmen, die in Italien erstregistriert wurden und von Österreich dorthin abgeschoben werden sollen.

Aber die praktischen Differenzen scheinen Nebensache zu sein. Sie sind sich einig darin, mittels rücksichtslos rassistischer Politik den Rechtsruck in Europa voran zu treiben. Ihr Ziel dürfte es sein, das politische Klima und die Gesinnung ihrer Wählerschaft weiter zu vergiften, und so bessere Bedingungen für das Anwachsen rechtsextremer bis faschistischer Bewegungen zu schaffen. Kickl provoziert dementsprechend möglichst lautstark mit seiner Wunschvorstellung, Flüchtlinge in Lagern zu konzentrieren. Nicht nur in Österreich, sondern ebenfalls in Nordafrika.

Selbstverständlich bedeutet die Inhaftierung von Flüchtlingen ohne richterlichen Beschluss auch die Aushebelung des Rechtsprinzips für Flüchtlinge. Damit wäre Kickl ein Riesenschritt in Richtung einer Gesellschaft gelungen, in der bestimmte Gruppen von Menschen als rechtlose Untermenschen klassifiziert würden, und an denen sich seine Polizisten dann abreagieren dürfen.

Schon längst häufen sich Berichte über willkürliche Misshandlungen von Flüchtlingen durch Polizisten. Kickl wirbt nicht zufällig unter der Leserschaft von einschlägigen Magazinen, wie dem rechtslastigen und tendenziell antisemitischen Magazin Alles Roger, für Polizeinachwuchs.

1930er-Jahre

Die Entwicklung beschwört das Bild der 1930er-Jahre herauf. Italien, Ungarn und Österreich sind Vorreiter einer gefährlichen Entwicklung geworden – Rassismus, Konzentrationslager und die drohende Abschaffung der Genfer Flüchtlingskonvention bestimmen die Tagespolitik. Mit der Abschaffung der Flüchtlingskonvention wären die Faschisten ein verhasstes Symbol losgeworden. Hassobjekt deshalb, weil sie unter dem Eindruck der Nazi-Gräueltaten kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs unterzeichnet wurde.

Die EU zeigt sich nicht nur machtlos gegen diese Entwicklung, sie hat diese mit ihrer Asylpolitik direkt befördert. Aufhalten können diesen Absturz nur solidarische Massenbewegungen, die Arbeiterbewegung, die Jugendbewegung, die antirassistische und die antifaschistische Bewegung. Und wir werden sie aufhalten.