Der Rassismus der Wiener Polizei

Der strukturelle Rassismus innerhalb der Polizei und die Polizeigewalt gegen Migrant_innen sind ein ernsthaftes Problem im alltäglichen Leben vieler Ausländer_innen.
11. Juni 2015 |

Phänomene wie „Ethnic Profiling“ (Amtshandlungen basierend auf „Rasse“, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder nationaler Herkunft) , Täter-Opfer-Umkehr und respektloses, abwertendes Verhalten gegenüber ­­­Ausländer_­innen sind weit verbreitet bei der Wiener Polizei.

ZARA-Report

Der Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit (ZARA) erstellt einen jährlichen Rassismus-Report. Zwischen sieben und acht Prozent der gemeldeten und dokumentierten rassistischen Vorfälle in den letzten drei Jahren beziehen sich auf die Polizei. Letztes Jahr wurden 250 Misshandlungsvorwürfe gegen die Polizei vorgebracht, jedoch gab es keine einzige Verurteilung.

Der jährlich erscheinende Rassismus-Report von ZARA berichtete beispielsweise den Fall vom nigerianischen Staatsbürger O., der seit einigen Jahren in Wien lebt und in einem Wettbüro von drei Männern attackiert worden ist. Die eintreffenden Polizisten sollen dem Betroffenen nicht geholfen, sondern ihn geschlagen und rassistisch beschimpft haben. Anschließend nahmen sie O. fest. Die diensthabenden Polizisten stritten den Vorfall am Polizeikommissariat ab und gegen O. wurde eine Verwaltungsstrafe verhängt. Dieser wehrte sich mit einer Bescheidbeschwerde, das Verfahren beim zuständigen Verwaltungsgericht war zu Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen.

Ethnic Profiling

Unter „Ethnic Profiling“ versteht man polizeiliche Kontrollen von Menschen, die von Polizisten als „ausländisch“ wahrgenommenen werden.
Ein geradezu bezeichnendes Paradebeispiel für „Ethnic Profiling“ stellt ein Vorfall bei der Wiener U-Bahn Station Josefstädter Straße dar, die als eine von mehreren Drogenszenen Wiens gilt.

Das Onlinemagazin VICE veröffentlichte den Gastartikel eines jungen Mannes, der aufgrund seiner Hautfarbe dort aufgehalten wurde und sich ausweisen musste. Als der Betroffene die Polizisten auf ihr rassistisches Verhalten aufmerksam macht, nehmen sie den jungen Mann mit auf die Wache – allerdings ohne Angabe von Gründen. Schließlich bekam der Betroffene kurze Zeit später eine Anzeige wegen „aggressiven Verhaltens“ und muss 99 Euro bezahlen. Bei der darauffolgenden Verhandlung leugneten die Polizisten die Geschehnisse und nannten als Grund für die Ausweiskontrolle die „mangelnde Körperhygiene und schmutzige Kleidung“ des Betroffenen.

Bakary J.

Wie kürzlich die Medien berichteten, wurde auch Bakary J., dessen Misshandlung und Folter durch WEGA-Beamte 2006 Schlagzeilen gemacht hat, wieder Opfer einer polizeilichen Amtshandlung. Vier Polizisten in Zivil sollen laut einem Freund Bakarys – ohne Ausweis oder Durchsuchungsbefehl vorzuweisen – die Wohnung des Folteropfers durchwühlt haben. Hingegen behaupten die beschuldigten Polizisten, die Amtshandlung ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. Anzeige wurde nicht erstattet.

Drei der vier Polizisten, die im April 2006 den Schubhäftling J. in einer Brigittenauer Lagerhalle gefoltert hatten, wurden nach einem achtjährigen Prozess schlussendlich gekündigt und zahlten bereits ein Schmerzensgeld von 110.000 Euro. Anfangs wurden die drei Ex-Polizisten gar zu nur acht Monaten bedingter Haft verurteilt. Die Täter stellen nun einen Wiederaufnahmeantrag an das Wiener Landesgericht und widerrufen ihre im April 2006 abgelegten Geständnisse. Laut „Protokollen von Polizeiamtsärzten“ seien einige Verletzungen J.s erst nach der Misshandlung zugefügt worden.

Staatsrassismus

Ereignisse wie diese sind nur ein Bruchteil dessen, was an rassistischen Polizeiaktionen jährlich passiert. Der ZARA-Rassismus-Report erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit seiner Dokumentationen, sondern zeigt nur die Spitze des Eisbergs. Viele Betroffene zögern aus Furcht, rechtliche Schritte zu setzen und ihre Geschichte der Öffentlichkeit preiszugeben.

Laut einer Recherche von VICE soll es Trainingsprogramme in der Grundausbildung der Polizei geben, um rassistischem Verhalten vorzubeugen, doch besonders erfolgreich sind diese offensichtlich nicht. Dina Malandi, eine Juristin und Beraterin von ZARA, bestätigt: „Leider ist immer noch, sowohl in der Polizei als auch in der Justiz, keine Sensibilisierung gegenüber Rassismus und Diskriminierung vorhanden. Es gibt noch ausreichend zu tun.“

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.