Die Erde steht in Flammen – Öffnet die Grenzen!

Die warmen Worte und Tränen der führenden Politiker während der letzten Klimakonferenz in Glasgow sind verdampft. Bauern und Arbeiter_innen in Ostafrika und am indischen Subkontinent bezahlen den Preis für die Klimasünden vergangener Jahrzehnte. Eine Hitzewelle im Frühling – Temperaturen bis zu 50 Grad – bedrohte Anfang Mai über 1 Milliarde Menschen. Der Klimawandel ist kein Problem der Zukunft, schon jetzt verwandelt der fossile Kapitalismus die Erde in einen Backofen.
23. Juni 2022 |

Eine Katastrophe von beispiellosem Ausmaß und eine Hungersnot drohen uns. Davon war schon in allen Zeitungen unzählige Male die Rede. Eine Unmenge von Resolutionen in denen festgestellt wird, daß die Katastrophe unvermeidlich ist, daß sie ganz nahe bevorsteht […] Alle sagen das. Alle erkennen das an. Für alle steht das fest. Und nichts geschieht“. Diese Passage stammt nicht aus einem aktuellen Buch zur Klimakrise, sondern von Lenins Meisterwerk Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll, geschrieben kurz vor der russischen Oktoberrevolution 1917.

Nicht mehr appellieren

Der erste Weltkrieg hatte in Russland nicht nur zu einer gigantischen Verelendung geführt, sondern auch zu einer vollständigen Desillusionierung ins bestehende politische System. Lenin plädierte in dieser Situation nicht für Aufklärung, Reformierung oder Transformation der bestehenden Gesellschaftsordnung, sondern für ihre revolutionäre Zertrümmerung. „Untergehen oder mit Volldampf vorwärtsstürmen. So wird die Frage von der Geschichte gestellt“.

Die Klimakrise stellt die heutige Linke vor ähnliche Herausforderungen. Bedeutet der Kapitalismus für den Großteil der Menschheit schon immer nichts anderes als Arbeitszwang, Vereinsamung, Armut und Leid, hebt die Klimakrise das zerstörerische Potenzial des Kapitalismus auf ein neues Niveau. Das nackte Überleben von Milliarden Menschen steht auf dem Spiel.

Alle, inklusive des politischen Establishments, wissen von der Klimakrise, alle sind sich der verheerenden Auswirkungen auf unser Leben bewusst, alle sagen, sie wollen etwas unternehmen. Doch allerspätestens nach der gefloppten Klimakonferenz in Glasgow müssten wir realisiert haben, es wird nichts geschehen.

IPCC warnt, Politik macht weiter

Der Anfang April vorgelegte Bericht des Weltklimarates (IPCC) ruft erneut nach echten Maßnahmen gegen die Klimakrise. Ein weltweiter Temperaturanstieg um 1,5 Grad droht bereits 2030, 10 Jahre früher als prognostiziert. „Die Auswirkungen, die wir heute sehen, treten viel schneller auf und sind zerstörerischer und weitreichender als vor 20 Jahren erwartet. Es gibt nur einen begrenzten Zeitraum, in dem erfolgreiches Handeln auf den Weg gebracht werden kann“.

Verbrennen oder Fliehen, vor dieser „Entscheidung“ werden Hunderttausende stehen.

Die Politik ignoriert die Warnungen nicht nur. Im Gegenteil, sie investiert in fossile Großprojekte inner- und außerhalb Österreichs und arbeitet aktiv daran, Millionen Menschen zu vernichten. Die einzige Maßnahme unserer Politiker gegen die Klimakrise ist das Vorantreiben des Grenzschutzes und der Ausbau des Militärs.

Der ORF veröffentliche ein internes Papier der Industriellenvereinigung IV von Anfang April, in dem diskutiert wird, wie Klimamaßnahmen blockiert werden sollen. Das Festschreiben von Kli­maschutz in die Verfassung sieht die IV als Rote Linie, weil die großen Klimasünder dann zur Verantwortung gezogen werden könnten

Die Katastrophe ist jetzt

In den Klimawissenschaften werden Ereignisse wie die aktuelle Hitzewelle in Indien und Pakistan mit der Entstehung von Wärme- oder Hitzekuppeln erklärt. Es herrscht Konsens darüber, dass Wärmekuppeln durch den Klimawandel regelmäßiger werden. In Indien war der März der heißeste Monat seit über einem Jahrhundert. Letztes Jahr erlebten Teile Kanadas und der USA eine Hitzewelle – Temperaturen bis zu 45 Grad waren dabei. Obwohl diese Länder infrastrukturell deutlich besser auf Hitzewellen vorbereitet sind als die Peripherien des globalen Kapitalismus, starben auch hier 500 Menschen. Im Hitzesommer 2018 starben laut dem Robert Koch Institut in ganz Europa zwischen 50.000 und 70.000 Menschen. In Österreich sterben mehr Menschen an Hitze als im Straßenverkehr.

Luftfeuchtigkeit steigt

Der menschliche Körper muss seine Temperatur konstant um die 37 Grad halten. Ist die Außentemperatur höher, versucht sich der Körper durch Schwitzen zu kühlen. Schweiß verdunstet auf der Haut und kühlt dadurch den Körper. Dafür muss die Umgebungsluft jedoch trocken genug sein, Feuchtigkeit aufzunehmen. Je höher die Luftfeuchtigkeit, desto weniger kühlt das Schwitzen, die Luft kann die Feuchtigkeit nicht aufnehmen. Darum empfinden wir schwüle Temperaturen als so unangenehm.
Klimawandel bedeutet nicht nur eine Erhöhung der Außentemperatur, sondern führt regional zu einer Erhöhung der Luftfeuchtigkeit. Der Klimawissenschaftler Nathan Gillett zeigte im Magazin Nature, dass die Luftfeuchtigkeit in Bodennähe zwischen 1972 und 2002 um 2,2 Prozent gestiegen ist.

In seiner Sucht nach Profit wird der Kapitalismus nicht bereit sein, auch nur die geringsten sozialen Zugeständnisse an die sich anbahnende Hitzekatastrophe zu machen.

Ist die Luftfeuchtigkeit hoch genug, kann sich der menschliche Körper nicht mehr kühlen, selbst wenn er bewegungslos vor dem Ventilator sitzt. In der Golfregion wurden diese Kombination von Temperatur und Luftfeuchtigkeit bereits erreicht, in weiten Teilen Asiens werden sie in den kommenden Jahrzehnten zur Normalität.

Verbrannt für die Arbeit

Trotz der lebensgefährlichen Temperaturen war die indische und pakistanische Arbeiter_innenklasse dazu gezwungen, weiter zu arbeiten. Mehr als die Hälfte der indischen und pakistanischen Beschäftigten arbeitet im Freien (hoher Anteil Landarbeit, Straßenverkauf, Märkte, Bauarbeiter usw.). Für die industrielle Arbeiter_innenklasse sind in den Fabriken kaum Klimaanlagen vorhanden. Der Bauarbeiter Tundre erklärte: „Die Hitze ist zu groß, aber wenn wir nicht arbeiten, was sollen wir dann essen? Ein paar Tage arbeiten wir, und dann sitzen wir ein paar Tage lang untätig herum, um fit für die Arbeit zu werden“.

Anstelle der Menschen werden die Hochleistungscomputer gekühlt. Gerade Indien verfügt über einen aufstrebenden IT-Sektor, in denen die Daten und Bitcoins der westlichen Welt gespeichert sind. In seiner Sucht nach Profit wird der Kapitalismus nicht bereit sein, auch nur die geringsten sozialen Zugeständnisse an die sich anbahnende Hitzekatastrophe zu machen.

Die Politik gibt falsche Antworten

Die Hitzewelle führt auch zu Flutkatastrophen durch rasch schmelzende Gletscher, zu Stromausfällen und Bränden durch sich entzündenden Müll. Genauso führt die Hitze zu Ernteausfällen, welche die sich anbahnende globale Hungerkatastrophe verschlimmern werden. Die indische Regierung trägt Mitschuld. Premierminister Narendra Modi bekämpfte auf der letzten Klimakonferenz erfolgreich Maßnahmen, die den Kohleausstieg beschleunigen sollten.

Die Hitzewelle in Indien und Pakistan ist ein Vorgeschmack auf das, was uns in den kommenden Jahrzehnten in immer weiteren Bereichen der Erde erwartet. Verbrennen oder Fliehen, vor dieser „Entscheidung“ werden Hunderttausende stehen.

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