Die Urväter des IS waren Rekruten des CIA

Folgt man der Geschichte des IS, stößt man unweigerlich auf die islamistischen Gruppen, die der US-Geheimdienst für den „Krieg gegen die Russen“ in Afghanistan (1979-1989) angeworben hat. Die Folgen dieser Aktion sind bis heute dramatisch spürbar.
30. November 2015 |

Es soll hier nicht um die Bedingungen gehen, unter denen der IS entstehen konnte – die US-Invasion des Irak, die Förderung einer korrupten, schiitisch-sektiererischen Regierung, die Unterdrückung der sunnitischen Bevölkerung – sondern um die organisatorische Entwicklung. Der IS ist aus einer Abspaltung der al-Qaida hervorgegangen, deren Anführer war bis zu seinem Tod der saudische Milliardär Osama Bin Laden.

Er und sein Netzwerk bekannten sich zu den Anschlägen am 11. September 2001. Noam Chomsky bezeichnete al-Qaida kurz nach den Anschlägen in einem Interview als „Kräfte, die von den USA und ihren Alliierten für ihre eigenen Zwecke etabliert wurden und unterstützt wurden, solange sie ihren Zielen nutzten.“ Auf Verschwörungstheorien angesprochen meint Chomsky: „Die CIA spielte eine Rolle, aber schon in den 1980ern, als sie gemeinsam mit den Geheimdiensten von Pakistan, Saudi-Arabien und Großbritannien die extremsten islamistischen Fanatiker, die zu finden waren, rekrutierte, trainierte und bewaffnete, um den ‚Heiligen Krieg‘ gegen die russischen Invasoren in Afghanistan zu führen.“

Osama Bin Laden, damals noch der Held des Westens: Nach 9/11 wurde derselbe antisowjetische Krieger zum größten Feindbild des Westens und galt als der Inbegriff des Bösen, so wie früher die Sowjetunion.
Osama Bin Laden, damals noch der Held des Westens: Nach 9/11 wurde derselbe antisowjetische Krieger zum größten Feindbild des Westens und galt als der Inbegriff des Bösen, so wie früher die Sowjetunion.

Werkzeug CIA

Zur Vorgeschichte: Im Dezember 1979 marschierten russische Truppen in Afghanistan ein. Schon zuvor hatten rund 30 islamistische und monarchistische Mudschahedin-Gruppen gegen die von Russland abhängige afghanische Regierung gekämpft und waren dabei von den USA unterstützt worden. Laut dem US-Regierungsberater Brzezinski gelang es den USA so, die Russen in die „Afghanistan-Falle“ zu locken – also einen Einmarsch zu provozieren.

Die außenpolitische Strategie der USA war damals ganz darauf ausgerichtet, der Sowjetunion, wo immer möglich, Schaden zuzufügen. Ein „grüner (islamischer) Halbmond“ sollte das stalinistische Russland einschließen. Nach dem russischen Einmarsch gewann die Unterstützung islamistischer Warlords und Terrorgruppen erst so richtig an Fahrt. Foreign Affairs schrieb: „Zwischen 1982 und 1992 beteiligten sich etwa 35.000 muslimische Extremisten aus 40 islamischen Staaten am Krieg Afghanistans gegen die Sowjetunion, aktiv unterstützt durch Pakistans Geheimdienst ISI und die CIA, Zehntausende begannen in den pakistanischen Madrasas (Koranschulen, Anm.) zu studieren.

Letztendlich wurden mehr als 100.000 ausländische muslimische Extremisten direkt durch den afghanischen Dschihad beeinflusst.“ Diese „Afghanis“ wurden später zu Keimzellen des islamistischen Terrors. Der Leiter des CIA-Büros in Pakistan, Howard Hard, schwärmte 1981: „Ich war der erste Bürochef, der je mit dem herrlichen Ziel ins Ausland geschickt wurde: Ziehen sie los und killen sie sowjetische Soldaten.“

Keine Kontrolle über Islamisten

Auf der propagandistischen Seite wurden die Islamisten in den westlichen Medien zu antikommunistischen Helden. Sogar „Rambo“ kämpfte im Kino an ihrer Seite. Einer der effektivsten dieser Islamisten war Osama Bin Laden – als Organisator und als Finanzier. Ob er persönlich für die CIA gearbeitet hat, ist umstritten, es existieren Aussagen, die dafür sprechen.

Es gibt kein Zurück nach Afghanistan

Es gibt kein Zurück nach Afghanistan

Nachdem die Russen aus Afghanistan vertrieben waren, hatten die USA keine Verwendung mehr für ihre Verbündeten. Doch diese hatten nicht nur den Umgang mit modernen Waffen gelernt, sondern auch, wie man Kämpfer aus islamischen Ländern rekrutiert, wie man professionell Terrorismus betreibt – und sie hatten eine neue ideologische Stoßrichtung. Bin Laden ging zurück nach Saudi-Arabien um gegen die Anwesenheit amerikanischer Truppen, die nach dem Ersten Golfkrieg dort stationiert worden waren, vorzugehen. Er wurde ausgewiesen, ging zuerst in den Sudan, dann wieder nach Afghanistan.

US Invasion fördert Terrorismus

1989 war auch ein junger Jordanier mit krimineller Vergangenheit nach Afghanistan gegangen, sein Kampfname: Abu Mussab al-Zarqawi. Er traf dort auf Osama Bin Laden, der gerade al-Qaida gegründet hatte, um mit anderen Afghanistan-Veteranen aus arabischen Staaten dem Westen den Krieg zu erklären.

Nach der US-Invasion Afghanistans bekämpfte al-Zarqawi gemeinsam mit den Taliban und al-Qaida die US-Truppen, 2003 tauchte er nach dem US-Einmarsch im Irak in Bagdad auf und sorgte mit (damals noch unüblichen) Sprengstoffattentaten gegen Zivilist_innen – unter anderem auf das Hauptquartier der UNO – für Aufsehen. Seine Gruppe nannte sich Jama´at Tawid wa al-Jihad. Sie war die erste, die Schiit_innen ins Visier nahm und so dem Kampf gegen die Besatzung eine sektiererische Komponente gab.

Al-Zarqawi gilt als „Ur-Vater“ des IS. 2004 schließlich schwor al-Zarqawi Bin Laden die Treue. Seine Nachfolger als Anführer der al-Qaida im Irak veröffentlichten 2006 mit dem Mudschahedin Shura Rat, sowie extremistischen Gruppen und einigen sunnitischen Stämmen, die Gründungsdeklaration des „Dawlat al-Iraq al Islamiyyah“ – des islamischen Staats im Irak. So führt eine direkte Linie von den US-geförderten „internationalen“ Islamisten in Afghanistan zu den aktuellen Gräueltaten von al-Qaida und IS.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.