FPÖ-Plattform „unzensuriert“ pudelt sich wegen Nazi-Vorwurf auf

Schwingt man die Faschismus-Keule, kann man der FPÖ schweren Schaden zufügen – dementsprechend erzürnt reagieren die Freiheitlichen auf jeden Angriff, der ihre wahre Gesinnung offenlegt. Die rechtsradikale, FPÖ-nahe Plattform unzensuriert empört sich aktuell über einen Demoaufruf von Linkswende jetzt gegen das FPÖ-Neujahrstreffen, in dem die FPÖ als indirekte „Nachfolgepartei der NSDAP in Österreich“ (Anton Pelinka) charakterisiert wird.
11. Januar 2019 |

Die rechtsradikale, FPÖ-nahe Internetplattform unzensuriert gerät außer sich über die bevorstehende Demonstration gegen das freiheitliche Neujahrstreffen am Samstag, 19. Jänner (Treffpunkt ist um 10:30 Uhr am Praterstern). Unter dem Titel „Von der ÖH gestützte ‚Linkswende‘ verteilt Hasspropaganda gegen die FPÖ an der Universität“ erbost sich unzensuriert, dass linke Aktivist_innen Flugblätter für den Protest in der Universität verteilen. Im Aufruf heißt es:

Am Samstag, 19. Jänner 2019 will die indirekte „Nachfolgepartei der NSDAP in Österreich“ (Anton Pelinka) erstmals seit Jahren ihr Neujahrstreffen mitten in Wien am Messegelände abhalten. Wir demonstrieren gegen FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und seine deutschnationalen Burschenschafter, die sich „nie wirklich aus den Traditionen des Nationalsozialismus gelöst“ haben (Hans-Henning Scharsach).

2018 ließ die FPÖ ihre schreckliche Gesinnung durchblicken: FPÖ-Innenminister Herbert Kickl kündigte an, Flüchtlinge wieder „konzentriert“ an einem Ort halten zu wollen; in Drasenhofen ließ der niederösterreichische FPÖ-Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl jugendliche Asylwerber hinter Stacheldraht internieren; Strache feuerte antisemitische Verschwörungstheorien um den jüdischen Milliardär und Holocaustüberlebenden George Soros an; und vieles Grausliches mehr.

Im braunen Sumpf

unzensuriert arbeitet selbst tatkräftig an der Wiederbelebung der Verschwörungstheorie von der versteckten Macht des „jüdischen Finanzkapitals“, die für Schriftsteller Michael Köhlmeier unmissverständlich in „der unseligen Tradition der ‚Protokolle der Weisen von Zion‘“ steht. unzensuriert phantasiert hinter dem „Soros-Netzwerk“ eine „gebündelte Kraft schier unbegrenzter finanzieller Ressourcen“, eine „superreiche Weltelite“, die „seit Langem“ NGOs finanziere und steuere, dem es um eine „unbegrenzte und ungehinderte millionenfache Einwanderung“ gehe, dessen „Fäden“ in Brüssel zusammenlaufen würden, und wobei „das Ausmaß des Apparates, der über Jahre aufgebaut wurde, nur angedeutet werden“ könne.

Der Geschäftsführer von unzensuriert, Walter Asperl, ist Mitglied der antisemitischen Burschenschaft Olympia, die 1938 den „Anschluss“ an Hitlerdeutschland und ihre Eingliederung in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) mit einer „eindrucksvollen Feier im großen Konzerthaussaal“ feierte. Bei der Olympia gingen die prominentesten Neonazis aus ganz Europa aus und ein: So referierten der NPD-Kader Jürgen Schwab oder der Rassentheoretiker Rolf Kosiek auf deren „Bildungsseminaren“, und sie lud den Holocaustleugner David Irving für eine Veranstaltung ein. Auf den „nationalen Liederabenden“ der Olympia spielte Michael Müller, der das Udo Jürgens-Lied „Mit 66 Jahren“ umdichtete zu „Mit sechs Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an, bis sechs Millionen Juden, da ist der Ofen an“, und Frank Rennicke, der für seine „Hitlerballaden“ bekannt wurde und ein Benefizkonzert für die untergetauchten NSU-Mitglieder gab.

Hans-Henning Scharsach, über den sich unzensuriert ebenso gerne echauffiert, urteilt über die Olympia in seinem Buch Stille Machtergreifung: Hofer, Strache und die Burschenschaften (2017): „Keine der österreichischen Burschenschaften trägt ihre Verwurzelung in den Traditionen des Nationalsozialismus so offen zur Schau wie die Wiener Olympia, der einige der einflussreichsten FPÖ-Politiker angehören.“

Holocaustleugner und die FPÖ

Im Aufruf zum Protest wird auf eine Reihe weiterer rechtsradikaler FPÖ-Ausfälle verwiesen, die der Standard recherchiert hat. Während des Gedenkens an die Novemberpogrome 1938 ehrten FPÖ-Funktionäre zusammen mit Neonazis den Nazi-Flieger und Burschenschafter Walter Nowotny am Wiener Zentralfriedhof – darunter die blauen Wiener Landtagsabgeordneten Wolfgang Jung, Johann Herzog und Wolfgang Irschik und der Herausgeber des FPÖ-nahen Zeitschrift Zur Zeit, Walter Seledec. In vergangenen Jahren war auch der mehrfach wegen NS-Wiederbetätigung verurteilte Gottfried Küssel zugegen.

Nach seiner Verhinderung als Verwaltungsrichter machte die FPÖ den ehemaligen Silesia-Burschenschafter Hubert Keyl zum engen Mitarbeiter von Infrastrukturminister Norbert Hofer. 2010 hatte das Magazin Profil unter Bezug auf anonyme Informanten berichtet, dass der Holocaustleugner Küssel „oft zu verschiedenen Anlässen bei den Keyls in deren Wohnung“ gewesen sei. Keyl sei wiederum wiederholt bei Veranstaltungen von Küssel gewesen, unter anderem soll er in dessen Wohnung den Geburtstag Adolf Hitlers gefeiert und dabei den Arm zum Hitlergruß gehoben haben. Keyls Frau Elisabeth, die laut profil in der Neonaziszene den Spitznamen „SS-Lily “ getragen haben soll, arbeitet heute im Parlamentsklub der FPÖ.

Schwingen wir die Faschismuskeule

Diese Fakten schmerzen. Unzensuriert beklagt, dass die Regierung die Universitäten noch nicht von Antifaschist_innen gesäubert hat: „Die derzeitigen Zustände an den Hochschulen Österreichs haben jedenfalls nichts mit einem ‚neuen Stil‘ zu tun.“ Siefordert Wissenschaftsminister Heinz Faßmann auf, „Maßnahmen gegen diese Umtriebe zu setzen“. Werden künftig unliebsame Studierende in „Erziehungslager“ gesteckt, wie das die FPÖ kürzlich für „gewalttätige Problemschüler“ gefordert hat? Kommt nun eine politische Polizei, die auf den Universitäten patrouilliert und politische Gegner aus den Instituten prügelt? Das gab es schon einmal Anfang des 20. Jahrhunderts, als Burschenschafter Juden und Andersdenkende an den Hochschulen terrorisierten. Dass Kickl den ehemaligen unzensuriert-Chefredakteur Alexander Höferl zu seinem persönlichem Kommunikationschef machte, ist eine gefährliche Drohung.

Die empörte Reaktion auf unseren Demoaufruf beweist wieder einmal: Antifaschist_innen können der FPÖ richtig gefährlich werden, wenn sie deren demokratische Maske vom Gesicht kratzen und ihre gefährliche braune Gesinnung offenlegen. Erst kürzlich empörte sich Innenminister Kickl darüber im Interview mit der Krone. Auf die Frage, wie es im mit dem Vorwurf gehe, dass auf Demonstrationen immer wieder vor „faschistischen Kräften“ in der Regierung gewarnt werde, entgegnete Kickl genervt, ihn störe die „inflationäre Verwendung“ der Begriffe „Faschismus“ und „Nazi“, dies sei „verantwortungslos und kontraproduktiv“. Wenn eine Massenbewegung den Nazi-Vorwurf erhebt, führt das zu heftigen Konflikten in den Reihen des Gegners, wie man aktuell bei der deutschen AfD und der Abspaltung um André Poggenburg beobachten kann. Genau deshalb machen wir mit diesem „unserem Stil“ weiter.

Kommt am 19. Jänner zur Kein Platz für Nazis! Demo gegen FPÖ-Neujahrstreffen
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Details und Belege: Hans-Henning Scharsach, Strache im braunen Sumpf und Stille Machtergreifung – Hofer, Strache und die Burschenschaften