„Plastik-Gipfel“: Regierung will Menschen für dumm verkaufen

Die Regierung macht in ihrer #Nachhaltigkeit-Inszenierung keinen Hehl daraus, dass es sich beim Plastiksackerl-Verbot um reine Symbolpolitik handelt. Während die Industrie jubelt, fordern Umweltschutzorganisationen zu recht echte Maßnahmen gegen die Zerstörung unserer Umwelt und des Klimas.
12. Januar 2019 |

Wenn der Handelsverband eine „umweltpolitische“ Maßnahme begrüßt, muss etwas faul sein. Tatsächlich ist das Verbot von Plastiksackerln eine Beruhigungspille für die Bevölkerung, ohne dass die Industrie echte Konsequenzen befürchten muss. Auf der Pressekonferenz nach dem groß inszenierten „Plastik-Gipfel“ der Regierung am vergangenen Mittwoch konnte sich der Bundesspartenobmann des Handels in der Wirtschaftskammer, Peter Buchmüller, nur schwer ein Lachen auf die Frage eines ORF-Reporters, was denn jetzt genau beschlossen worden sei, verkneifen: „Kein konkretes Ergebnis.“

Der Standard machte sich über die „Symbolministerin“ Elisabeth Köstinger (ÖVP) lustig, die Presse spottete, die Ministerin „schwurbelte sich um die Plastikberge im Slalomkurs herum“. Köstinger gab in der Pressekonferenz zum Gipfel und auch eingangs im Interview mit der „Zeit im Bild 2“ selbst ohne Umschweife zu, dass es sich beim Plastiksackerl-Verbot lediglich um ein „Symbol gegen die Wegwerfgesellschaft“ handle. Gleich darauf verriet sie, warum die Regierung dieses „Zeichen“ setzen wolle: weil die Bevölkerung ihr recht gebe. In einer profil-Umfrage Ende 2018 waren 86 Prozent für ein Plastiksackerl-Verbot. Die Regierung versucht, das für sich zu nutzen.

Kein Umwelt- und Klimaschutz

Mit dem Verbot verspricht sich die ÖVP-FPÖ-Koalition eine jährliche Einsparung von 5.000 bis 7.000 Tonnen Plastikmüll. Diese Zahl ist schon hinterfragenswert. 2017 waren laut Tragetaschenbericht 2018 des Nachhaltigkeitsministeriums 388 Millionen sehr leichte Tüten („Obstsackerl“) und 48 Millionen leichte und schwere Tragetaschen im Umlauf. Bei einem spezifischen Gewicht von 3 Gramm für Obstsackerl beziehungsweise 30 Gramm für Tragetaschen ergibt das in Summe 2.600 Tonnen Müll. Das wären damit nicht die von den Medien zu recht bekrittelten zwei Prozent des gesamten Plastikmülls (2016 knapp 300.000 Tonnen), sondern noch einmal deutlich weniger, nämlich lediglich 0,9 Prozent.

Überhaupt stiegen laut Eurostat (Daten, auf die sich auch der Statusbericht 2018 von Köstingers Nachhaltigkeitsministerium stützt) die Kunststoffabfälle in den letzten zehn Jahren um 60.000 Tonnen. Wenn man annimmt, dass das Verbot bereits 2014 in Kraft getreten wäre (für diesen Zeitraum gibt es verfügbare Zahlen für die Plastiksackerl im Umlauf), hätte das den Anstieg des Kunststoffmülls praktisch überhaupt nicht beeinflusst (siehe blaue Linie in der Grafik).

Jährlich fällt in Österreich mehr Plastikmüll an (rote Linie). Die blaue Linie nimmt an, dass bereits 2014 sämtliche Plastiksackerl aus dem Verkehr gezogen worden wären. Grafik: Linkswende jetzt, Quellen: Eurostat, Nachhaltigkeitsministerium


Wie die Regierung ihr Ziel, jährlich 20 bis 25 Prozent des Kunststoffmülls zu reduzieren (60.000 bis 70.000 Tonnen), umsetzen will, wurde am Plastik-Gipfel gar nicht erst versucht zu erklären, wie die Umweltschutzorganisationen Global 2000 und Greenpeace der Regierung vorhalten.

Negative Ökobilanz

Mindestens genauso absurd ist die Argumentation, ein Plastikverbot würde zu einer wesentlichen Treibhausgasreduktion führen. Die Kommission der Europäischen Union (EU) verspricht sich von dem etwas umfangreicheren Verbot von Einmalgeschirr, Strohhalmen, Wattestäbchen und anderer Wegwerfartikeln aus Plastik einen Rückgang der CO2-Emissionen um 3,4 Millionen Tonnen. 2016 emittierten die EU-28-Staaten laut European Environment Agency (EEA) insgesamt 4,3 Milliarden Tonnen, die lächerliche Plastik-Einsparung macht davon gerade einmal 0,7 Promille aus.

Schlimmer: Wenn statt der Plastiksackerl andere Einwegartikel eingeführt werden, könnte die ökologische Gesamtbilanz sogar schlechter ausfallen, wie der WWF warnt. Die Produktion einer Papiertasche benötigt doppelt so viel Energie wie die eines Plastiksackerls. Zwar wird dabei nur die Hälfte CO2 ausgestoßen, aber durch das Zusetzen von Stickoxiden, Schwefeldioxiden und anderen Chemikalien, mit denen die Zellstofffasern behandelt werden müssen, wird die Umwelt insgesamt stärker belastet. Außerdem kann eine Papiertasche nicht so oft wiederverwendet werden, Papier ist ganz offensichtlich nicht so reißfest und nicht wasserabweisend.

Eine Ausweitung des Recyclingsystems oder ein ausgeklügeltes Pfandsystem wurden beim Gipfel überhaupt nicht konkret besprochen. Man wolle „positive Lösungen“ finden, so Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) in der Pressekonferenz nach dem Gipfel. Leere Worte, die kurz darauf Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, wie Seifenblasen in der Luft zerplatzten ließ. Dieser kündigte nüchtern an: „Es ist sicherlich zu erwarten, dass mehr im Papierbereich stattfinden wird.“ Die Zahl der Papiertragetaschen hat sich schon jetzt von 20,5 Millionen im Jahr 2016 auf 47,2 Millionen im Jahr 2017 mehr als verdoppelt.

Inszenierung aufbrechen

Auch mehrfach verwendbare Tragetaschen aus Baumwolle sind nicht zwingend umweltfreundlicher. Eine Studie der Federal Laboratories for Material Testing and Research an der ETH Zürich ergab, dass bei der Herstellung einer Papiertasche 60 Gramm Kohlendioxid emittiert werden, bei einer Plastiktasche 120 Gramm und bei einer Baumwolltasche 1.700 Gramm. Eine Baumwollsackerl müsste demnach mindestens vierzehn Mal häufiger als ein Plastiksackerl verwendet werden, damit es sich ökologisch rechnet.

Das Plastiksackerl-Verbot zeugt von der Unfähigkeit und dem Unwillen der Regierung im Klima- und Umweltschutz. Sie lässt, ganz im Gegenteil, die großen Klimasünder – die großen Erdölkonzerne und die Automobilindustrie – ungeschoren davonkommen, und beschleunigt Umweltverträglichkeitsverfahren, um klimaschädliche Projekte wie die Dritte Piste am Flughafen Wien schneller durchzuboxen. Es liegt an der Klimagerechtigkeitsbewegung, die Inszenierungen der „Nachhaltigkeitsministerin“ öffentlich zu zerlegen und für echte Umweltschutzmaßnahmen auf die Straße zu gehen: eine echte, radikale Umgestaltung unserer Wirtschaft und des Transportwesens.