Indien/Pakistan:
Ein neuer Krieg in Kaschmir droht

Die Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan in der Grenzregion Kaschmir droht wieder zu eskalieren. Die Ursprünge des Konflikts liegen in der Kolonialgeschichte – Großbritannien hat das Land willkürlich entzweit.
8. April 2019 |

Der Konflikt zwischen Indien und Pakistan um die umkämpfte Grenzregion Kaschmir droht eine neue Hölle zu entfesseln. Die indische Luftwaffe griff gezielt „Training Camps“ in Pakistan an, um einen Autobombenanschlag, der letzten Monat auf die Polizei in Kaschmir verübt wurde, zu vergelten. Berichten zufolge wurden zwei Jets im pakistanischen Luftraum abgeschossen.

Wurzeln des Konflikts

Dass zwei Nuklearkräfte wieder am Rand eines Krieges stehen, sollte uns alle erschrecken – und dafür sorgen, dass wir die Wurzeln der Auseinandersetzung verstehen wollen. Wenn im Westen über Kaschmir berichtet wird, wird entweder so getan, als wäre es ein weiterer uralter Konflikt in einem weit entfernten Land oder aber ein weiteres Beispiel für das „muslimische Problem“.

Das kommt daher, dass die umkämpfte Region nur verstanden werden kann, wenn man das Britische Empire und seine Trennungs- und Herrschaftspolitik betrachtet. 1947 zogen sich die Briten aus Indien zurück und teilten es in Indien, wo die Mehrheit Hindu sind, und in Pakistan, mit einer muslimischen Mehrheit. Großbritannien hatte keinen Plan, was mit den Regionen Jammu und Kaschmir geschehen soll.

Trotz der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung wurde es von einem hinduistischen König, Hari Singh, regiert. Er entschied, dass Kaschmir Teil Indiens werden soll. Seit ihrer Geburt befanden sich die beiden Länder im Krieg über das Territorium und es brauchte die United Nations (UN), um 1949 einen Waffenstillstand zu vermitteln. Dieser Deal teilte Kaschmir entlang einer willkürlich gezogenen Linie, die Gemeinden auseinanderriss. Sie bildet immer noch die Grundlage der heutigen Grenze.

Kampf um Selbstbestimmung

Pakistanische Kräfte haben in der Hoffnung, die lokale Bevölkerung für einen Aufstand gegen den König zu gewinnen, in Kaschmir gekämpft. Sie waren überrascht, dass die Muslim_innen dort nicht daran interessiert waren, sich einem der beiden Länder anzuschließen. Stattdessen stellten sie sich hinter den Sozialisten Sheikh Abdullah, dessen Partei National Conference für ein selbstregiertes Kaschmir kämpfte.

Das UN-Friedensabkommen versprach, dass die Einwohner_innen Kaschmirs über ihre Zukunft abstimmen sollten. Aber ohne die Zustimmung des indischen Premierministers Jawaharlal Nehru findet eine solche Wahl nicht statt. Es war weder im Interesse Indiens noch Pakistans, eine Abspaltung zu erlauben. Abdullahs Partei gewann überwältigend bei den Wahlen im Jahr 1951 und er wurde zum Premierminister ernannt. Doch anstatt ihm das Amt in der indischen Regierung zu übergeben, warfen sie ihn ins Gefängnis. Arbeiter_innen starteten einen 20-tägigen Generalstreik als Antwort und übernahmen die Straßen. Indische Truppen schossen auf sie und töteten bis zu 1.000 Menschen.

Brutale Repression

Nur etwas mehr als ein Jahrzehnt später tauchte die Kaschmir-Krise wieder auf. Nach seiner Rückkehr von einem Besuch in China wurde Abdullah wieder eingesperrt. Pakistan wählte diesen Moment für eine Invasion, da sie erwarteten, dass Kaschmir angesichts der immensen Brutalität vonseiten Indiens bereit sein würde, sich ihnen anzuschließen. Sie lagen falsch. Der erwartete pro-Pakistan-Aufstand blieb aus, stattdessen wurde ein neues UN-Friedensabkommen unterzeichnet.

Aber auch Abdullahs Partei befand sich in einer Sackgasse – ohne die Möglichkeit, Unabhängigkeit zu erreichen, wurden ihre Führer korrupt und gingen Kompromisse ein. Als die Unabhängigkeitsbewegung Kaschmirs in den späten 1980er Jahren wieder an die Oberfläche trat und mehr als eine Million Menschen an einem Protest teilnahmen, schlugen wieder indische Truppen den Aufstand nieder. Es wurden über 100 Demonstrant_innen getötet.

Unabhängigkeitskämpfe

Das brachte eine breite Schicht von kürzlich radikalisierten jungen Leuten in einen Guerilla-Krieg. Kaschmir wurde von schwer bewaffneten indischen Truppen, bewaffneten Milizen und verschiedenen kriminellen Gangs überschwemmt. Heute, nachdem das blutige Durchgreifen Indiens dutzende Tote und hunderte Verletzte hinterlassen hat, brach die regionale Regierung nach einer neuen politischen Krise zusammen. Viele werden auf die Handlungen Indiens und Pakistans schauen und sie zu Recht für das andauernde Blutbad verurteilen.

Doch die Wurzeln liegen in Großbritanniens Bestreben, sich an die Macht zu klammern, indem sie Hindus und Muslime, die gemeinsam für ein freies Indien kämpften, gespalten haben.

Originalartikel erschienen im britischen Socialist Worker

Übersetzung aus dem Englischen von Katharina Anetzberger