Kassenreform – Größter Sozialraub der Geschichte

Die Unternehmer feiern, die Arbeitnehmerseite und der Rechnungshof gehen scharf mit der Regierung ins Gericht. Johann Kalliauer, Vorsitzender der Arbeiterkammer in Oberösterreich mahnte, wir müssen das gesamte Bild sehen: hier geht es nicht um irgendeine Reform, die Kassenreform ist eine Enteignung der Arbeitnehmer_innen im ganz großen Stil.
22. Oktober 2018 |

Die Begutachtungsphase für die „Reform“ der Sozialversicherungen ist am 19. Oktober abgelaufen, nur zwei Arbeitstage später soll sie im Ministerrat beschlossen werden. Die Gewerkschaften und Arbeiterkammern haben ein Bild davon bekommen, was die Regierung plant. Nichts weniger als der größte Sozialraub der Geschichte der Zweiten Republik versteckt sich hinter der Zwangsfusionierung und der Verwaltungsreform. Außerdem ist absehbar, dass sich das System erheblich verteuern wird und die Unternehmer werden das mit Sicherheit zum Anlass nehmen, Leistungen für die Arbeitnehmer_innen zu kürzen. Die Regierung gibt sich außerdem eine Handhabe Selbstbehalte von den Patient_innen einzufordern.

Selbstverwaltung wird abgedreht

Die Lohnabhängigen finanzieren die österreichischen Sozialversicherungen, die Allgemeinen Krankenkassen, die Unfallversicherung, deren Spitäler und Rehabilitationszentren aus ihren eigenen Lohnbeiträgen. 71% kommen direkt von Arbeitern und Angestellten, und die restlichen (Unternehmer-)Beiträge werden ebenfalls von den Werktätigen erwirtschaftet und von den Löhnen abgezogen. Deshalb war es immer selbstverständlich, dass die Einzahler ihre Institutionen auch selbst verwalten. In Zukunft sollen die Bosse darüber entscheiden können, wie diese Gelder verwaltet und eingesetzt werden. Per Gesetz sollen nicht mehr die Vertretungen der Arbeiter_innenklasse die Mehrheit in den Aufsichtsräten der Sozialversicherungen stellen, die Arbeitgeber bekommen die Hälfte der Posten und, weil es auch ÖVP-ler und FPÖ-ler aufseiten der Arbeitnehmer_innen gibt, gewinnen die Unternehmer mit einem Handstreich die Kontrolle.

In den Generalsversammlungen der Gebietskrankenkassen (GKKs) haben die Arbeitnehmer_innen bisher eine 4:1 Mehrheit gegenüber den Arbeitgebern. Schließlich sind in den GKKs ausschließlich Lohnabhängige versichert. Die Regierung will das per Gesetz ändern, und ein Verhältnis von 6:6 einführen.

Bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), wo ebenfalls ausschließlich Arbeitnehmer_innen versichert sind, haben die Werktätigen eine 2:1 Mehrheit gegenüber den Unternehmern. Das soll mit einem Handstreich ebenfalls zu einem 6:6 Verhältnis verschoben werden.

Und im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (SV) sollen in Zukunft die Unternehmer überhaupt eine 6:4-Mehrheit haben, obwohl die Arbeitnehmer_innen 85 Prozent der Versicherten stellen. Bis zur ersten schwarz-blauen Regierung gab es hier eine klare Mehrheit der Arbeitnehmer-Vertretungen.

Trommelfeuer an Lügen

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache haben diese Zerschlagung mit einem Feuer an nachweislich falschen Vorwürfen gegenüber den Sozialversicherungen schon Im Frühling vorbereitet. Mit den Geldern der Versicherten würde an den Börsen spekuliert, warfen sie in den Raum. Stimmt nicht: Wie es das Gesetz vorschreibt, haben die Versicherungen 1,3 Milliarden Euro an Rücklagen in mündelsicheren Wertpapieren angelegt, vor allem in Staatsanleihen.

Dann behaupteten die beiden, die Kosten für die Verwaltung seien exorbitant hoch. Tatsächlich belaufen sich die Kosten für die Selbstverwaltung aller Krankenkassen auf nur 3,5 Mio. Euro pro Jahr. Alleine die Politbüros von Kurz und Strache verschlingen eine halbe Million mehr, nämlich 3,9 Millionen Euro pro Jahr an Steuergeldern.

Die Kassen leisteten sich 160 Luxuskarossen, wurde weiter unterstellt. Es sind 161, korrigierte der Hauptverband – 143 davon werden für Sachtransporte, oder für Mitarbeiter, z.B. bei der Beitragsprüfung eingesetzt. Nur 18 sind echte Dienstautos.

Nur Streik kann helfen

Der Regierung geht es um nichts anderes, als den Sozialstaat zu zerschlagen und den Unternehmern Geschenke zu machen. Diese „Reform“ wird wohl nur verhindert werden können, die Gewerkschaften einschreiten und die Versicherungen vor der Übernahme durch die Bosse zu bewahren. Wie im Juni 2003, als die Gewerkschaften mit einem beeindruckenden Generalstreik gegen die Pensionsreform aufstanden, müssen die Gewerkschaften auch heute gegen den geplanten Raubzug der Regierung kämpfen, diesmal bis zum Sieg.