Der große Antifaschist Rudolf Gelbard ist verstorben

Rudolf Gelbard ist in der Nacht auf den 24. Oktober 2018 in Wien 87-jährig verstorben. Antifaschisten und Antifaschistinnen in Österreich haben mit ihm eine ihrer wichtigsten und eloquentesten Stimmen verloren und einen der letzten Zeitzeugen und Holocaustüberlebenden.
24. Oktober 2018 |

Rudolf Gelbard war schon des längeren im Spital, aber er hat es manchmal auf eigene Verantwortung vorgezogen, auf die Straße zu gehen um eine antifaschistische Demonstration mit seiner Teilnahme zu bereichern. „Für ein paar Stunden habe ich mich entlassen“, meinte er dann, ohne jegliche Effekthascherei.

Die Sorge um unsere Zukunft, darum, dass sich die Gräuel der nationalsozialistischen Terrorherrschaft wiederholen könnten, trieb ihn aus dem Spital auf die Demonstrationen. Er sparte nicht mit deutlicher Kritik an der FPÖ und ihren Kaderschmieden, den deutschnationalen Burschenschaften.

 

Auf der Demonstration gegen den von der FPÖ ausgerichteten Burschenschafterball in der Hofburg am 26. Jänner 2018, auch Ball der Holocaustleugner (Hans-Henning Scharsach) genannt, sagte er zu der Menge: „Nachdem das Magazin der freiheitlichen Akademiker, die Aula, uns Holocaustüberlebende als Verbrecher bezeichnet hat, wurden sie in der letzten Instanz verurteilt. Und die Freiheitliche Partei, die mit doppelter Zunge spricht, hat dann in den nächsten Nummern große Inserate der Freiheitlichen Partei geschalten“ (um die Aula finanziell zu unterstützen).

Wut über Burschenschafter

Als vor einem Jahr am 9. November so viele deutschnationale Burschenschafter wie noch nie im Parlament angelobt wurden, führte Gelbard die Gegendemonstration an. Er empörte sich darüber, dass diese Männer noch heute den schlimmsten Nazikriegsverbrechern „ein ehrendes Andenken“ bewahren und nicht daran denken, diese aus ihren Reihen der Burschenschafter auszuschließen, was ja nichts anderes als ein offenes Bekenntnis zum Nationalsozialismus bedeutet.

Strache selbst hat 2004 eine Rede auf einer Ehrung der Burschenschafter für solche Nazimonster gehalten. Dazu zählen der Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, der Mordzentrale des Dritten Reiches, Ernst Kaltenbrunner (Burschenschaft „Arminia Graz“), der Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka, Irmfried Eberl („Germania Innsbruck“) und Gerhard Lausegger („Suevia Innsbruck“), Führer eines SS-Kommandos in der Reichspogromnacht und Mörder des Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde in Tirol und Vorarlberg.

„Diese Fakten muss man kennen, dann versteht man meine Empörung“, sagte Gelbard und als einer der letzten Überlebenden der Schoah forderte er die Demonstrant_innen auf: „Ihr müsst die Stafette weitertragen!“

Überleben als Betriebsunfall

Gelbard war eines von 200 Kindern, die das KZ Theresienstadt überlebt haben, 15.000 Kinder wurden dorthin verschleppt und ermordet. „Dass ich selbst überlebt habe, war ein Betriebsunfall, wie es der Literaturnobelpreisträger und Auschwitz-Häftling Imre Kertész formuliert hat.“ Als 12-jähriger wurde er gemeinsam mit seinen Eltern deportiert. Vater und Mutter haben den Holocaust zwar auch überlebt, waren aber gebrochene Menschen und sind jung verstorben.

Der 15-jährige Überlebende engagierte sich sofort nach Kriegsende gegen die Nazibrut, die keinerlei Reue zeigte und keinerlei Scheu ihre Gesinnung zur Schau zu stellen – auch nach dem Bekanntwerden des industriellen Massenmords an Juden, Roma und Sinti nicht. „Man glaubt es nicht, bei den Studentenwahlen 1946 haben wir die Außenseite der Universität besetzt. Junge Weltkriegsteilnehmer, rechte Studenten hatten Versammlungen anderer Studentenorganisationen gestört. Bei den Studentenführern der anderen Fraktionen war Rabofsky, der dann später ein berühmter Arbeitsrechtler war. Und er hat ihnen gesagt: ‚Mein Bruder wurde geköpft. Ich war dabei.‘ Und sie haben ihn verspottet.“

Das erzählte Rudolf Gelbard beim Fest der Freude am 8. Mai 2018 am Heldenplatz. Er war auch auf der Demonstration gegen den antisemitischen Wirtschaftsprofessor Taras Borodajkewycz, bei welcher der Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von einem Neonazi ermordet wurde. Und er protestierte gegen den Holocaustleugner David Irving, als der 1989 in Wien den Holocaust als eine „Fantasie“ von Überlebenden bezeichnete. Der heutige Vizekanzler Heinz-Christian Strache war an vorderster Front unter den Anhängern Irvings. Kein Wunder, dass Strache 15 Jahre später von den Burschenschaftern zu ihrem Führer auserkoren wurde.

Wenige, die die FPÖ in aller Öffentlichkeit so hart angriffen, fanden auch Gehör. Wir werden Rudolf Gelbard sehr vermissen.