Kickl unter Beschuss: Medien vergleichen FPÖ endlich mit der NSDAP
„Ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht.“ FPÖ-Innenminister Herbert Kickl sorgte vergangene Woche mit seinem Frontalangriff auf die Menschenrechte im ORF-Report für eine riesige Welle der Empörung. Weiter sagte er: „Da brennt das Haus, dort liegt der Schlauch. Wir wissen genau, dass wir den Schlauch nehmen müssen, um das Feuer zu löschen, und dazwischen gibt es irgendwelchen seltsamen rechtlichen Konstruktionen, teilweise viele, viele Jahre alt, die uns daran hindern, das zu tun, was notwendig ist.“
Kurz vor dem internationalen Holocaustgedenktag erhielt er, wenig überraschend, am FPÖ-Akademikerball Unterstützung von Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Klubobmann Johann Gudenus. Strache stärkte in seiner Eröffnungsrede Kickl den Rücken: „Es ist nicht nur unser Recht, sondern unsere Verpflichtung, diese Gesetze abzuändern.“ Gegenüber Journalisten sagte Gudenus vor dem Ball: „Wir sind vom Volk beauftragt, Recht zu setzen und Recht zu verändern.“
„Selten hat eine Aussage eines Politikers so viele ablehnende Reaktionen hervorgerufen“, leitete die ORF-Moderatorin der Zeit im Bild am Freitagabend den Beitrag über Kickl ein.
Zivilgesellschaft steht auf
Im Kurier schreibt Daniela Kittner in einem Kommentar: „Diesmal ist die Nazi-Keule für Kickl wirklich angebracht. Zum einen haben die Nazis mit ähnlichen, entmenschlichenden Sprachbildern (das brennende Haus) gegen Menschengruppen gehetzt. Zweitens ist die Europäische Menschenrechtskonvention eine Antwort auf den Holocaust […].“ In den sozialen Medien wird Kickls Aussage mit einer Rede von Adolf Hitler am Reichsparteitag 1934 verglichen. In dieser sagte der „Führer“ nach der Machtergreifung: „Nicht der Staat befiehlt uns, sondern wir befehlen dem Staate.“
Über 200 österreichische Schriftsteller_innen, darunter Michael Köhlmeier und Elfriede Jelinek, Kunst- und Kulturschaffende und die drei größten Autorenverbände, haben inzwischen den Aufruf „Kickl muss gehen“ unterzeichnet. Die Petition vergleicht Kickls Aussage mit dem Nationalsozialismus: „Dieser Grundsatz galt tatsächlich in unseligen Zeiten, als etwa die NSDAP Rechtsorgane schriftlich anherrschte, es sei ‚völlig abwegig und ausgeschlossen, dass die Staatsanwaltschaft die Gesetzmäßigkeit von Maßnahmen der Verwaltungsbehörde oder einer Parteidienststelle überprüft‘, die Mord und Totschlag zur Folge hatten.“
Kerngedanke der NS-Rechtsphilosophie
Norbert Mayer meint in der Sonntagsausgabe der Presse, der ehemalige Student der Philosophie Kickl könnte „zu viel Bösartiges vom deutschen Staatsrechtler und NS-Apologeten Carl Schmitt gelesen“ haben. Mayer zitiert einen Artikel von Schmitt am 1. August 1934 in der Deutschen Juristen-Zeitung: „Der Führer schützt das Recht vor dem schlimmsten Missbrauch, wenn er im Augenblick der Gefahr kraft seines Führertums als oberster Gerichtsherr unmittelbar Recht schafft […] Der wahre Führer ist immer auch Richter.“
Der Chefredakteur der Kleinen Zeitung, Hubert Patterer, bezieht sich ebenfalls auf Schmitt, nachdem er zuvor mit dem Grazer Rechtsphilosophen Peter Strasser korrespondierte. Patterer schreibt: „Lassen wir einmal den Führer weg, aber im Sound ist das Jetzige vom Damaligen nicht mehr allzu weit entfernt. Das lässt ein Unbehagen in einem hochkriechen.“
Die Redaktion von Mein Klagenfurt benennt den „Wunsch, die Politik möge über dem Recht stehen“ unmissverständlich als „Kerngedanken der nationalsozialistischen Rechtsphilosophie“.
Deutsche Volksgemeinschaft
Andreas Koller schreibt im Leitartikel für die Salzburger Nachrichten: „Dunkel erinnert man sich an Zeiten und an Regime, wo es nicht Recht und Gesetz waren, die an oberster Stelle standen und von dort das staatliche Handeln bestimmten, sondern der vorgebliche Wille einer ‚Volksgemeinschaft‘.“ Man könnte sagen, die FPÖ ist nur konsequent: Unter Norbert Hofer wurde 2011 das Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft – ein Begriff, der seine brutale Wirkung eben im Nationalsozialismus entfaltete – wieder in das Parteiprogramm aufgenommen.
Die ehemalige ORF-Journalistin und Präsidentin der Reporter ohne Grenzen in Österreich, Rubina Möhring, zieht im Standard Parallelen zur Unterdrückung der freien Presse kurz nach der Machtergreifung der Nazis im Jahr 1933. Nach einem regierungskritischen Kommentar in der Berliner Morgenpost wurden auf Initiative von Joseph Goebbels politische Kommentare verboten und die Eigentümer später enteignet, der Besitz arisiert. „Heute leben wir im 80. Jahr nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges. Und schon wieder nistet sich in Politikerköpfen die autoritäre Theorie ‚Politik vor Recht‘ ein“, warnte Möhring.
„Nazi-Keule“ schwingen
Doron Rabinovici brachte den Innenminister in seiner Rede zum Holocaust-Gedenken im steirischen Landtag mit Faschismus in Verbindung. „Wie soll ich vom Widerstand reden, ohne von jenem Minister zu sprechen?“, fragte Rabinovici. „Wie soll ich [dem Widerstandskämpfer und Überlebenden des Holocaust] Hans Landauer gerecht werden, ohne aufzuzeigen, wie das Innenministerium unter Kickl das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eigens von einem rechtsrechten Polizeioffizier stürmen ließ, der dafür bekannt wurde, Postings von Antisemiten und Neonazis auf Facebook zu teilen?“
Wir wissen spätestens seit der Aufdeckung der Nazi-Liederbücher, dass in den Buden der Burschenschaften die Ermordung der siebten Million Jüdinnen und Juden besungen wird. Es sind diese faschistischen Verbindungen, die die FPÖ kontrollieren und in denen bis heute die schlimmsten Nazikriegsverbrecher geehrt werden. Wer den Opfern des Nationalsozialismus, des blutigsten Regimes der Menschheitsgeschichte, gerecht werden will, muss die FPÖ als Nachfolgepartei der NSDAP in Österreich (Anton Pelinka) bekämpfen. Strache und Kickl wissen: Das kann ganz böse ausgehen.