Protest gegen FPÖ-Akademikerball: Tausende fordern Rücktritt des Innenministers

Die 4.500 Menschen, die am Freitag wieder in Wien gegen den jährlichen FPÖ-Akademikerball demonstrierten, verband eines: Die Ansage von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl, wonach sich das Recht der Politik unterordnen müsse, entsprach ebenjener Verachtung für die Demokratie, die die deutschnationalen Burschenschafter teilen. Linkswende jetzt hat am Protest mit Teilnehmer_innen gesprochen.
25. Januar 2019 |

„Ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht.“ Mit dieser Aussage im ORF-Report sorgte FPÖ-Innenminister Herbert Kickl für eine riesige Welle der Empörung. „Selten hat eine Aussage eines Politikers so viele ablehnende Reaktionen hervorgerufen“, leitete die ORF-Moderatorin der Zeit im Bild am Freitagabend den Beitrag über Kickl ein. Der Innenminister war auch das dominierende Gesprächsthema unter den 4.500 Menschen, die sich kurz zuvor zur Demo gegen den FPÖ-Akademikerball, den Ball der deutschnationalen Burschenschafter, vor der Universität Wien versammelt hatten.

„Die Burschenschaften stehen im allerrechtesten Eck. Das sind Faschisten“, erzählt Lisa gegenüber Linkswende jetzt. Sie ist bereits zum fünften Mal auf einer Demonstration gegen den Burschenschafterball. Wenn man fordert, dass sich das Recht der Politik unterordnen müsse, meint Lisa, habe man dafür „einen noch viel größeren politischen Spielraum. In anderen Ländern, in denen gegen die Menschenrechte vorgegangen wird, sieht man ja bereits, wozu das führt.“ In der Regierung würden die Burschenschafter zugleich die Gesellschaft mit ihrer Ideologie „versiffen“, als auch ablenken, wie etwa beim Kopftuchverbot.

Breite Front gegen Minister Kickl

Über 200 österreichische Schriftsteller_innen, darunter Michael Köhlmeier und Elfriede Jelinek, Kunst- und Kulturschaffende und die drei größten Autorenverbände, haben inzwischen einen Aufruf „Kickl muss gehen“ unterzeichnet. Rückendeckung für Kickl gab es wiederum, wenig verwunderlich, von Burschenschafter und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus direkt am Akademikerball. Gegenüber Journalisten sagte er: „Wir sind vom Volk beauftragt, Recht zu setzen und Recht zu verändern.“

In den sozialen Medien wird Kickls Aussage bereits mit einer Rede von Adolf Hitler am Reichsparteitag 1934 verglichen. In dieser sagte der Führer nach der Machtergreifung: „Nicht der Staat befiehlt uns, sondern wir befehlen dem Staate.“ Burschenschafter wie Ernst Kaltenbrunner, Irmfried Eberl oder Hermann Richter, dessen Nachfahren heute in der Hofburg ihr gesellschaftliches Image aufpolieren wollen, waren Hitlers treueste Weggefährten am Weg zur Macht, KZ-Kommandanten und SS-Offiziere.

Die Burschenschaften hätten sich seit ihrer Gründung vor über 100 Jahren „immer weiter nach rechts bewegt“, sagte Christoph Manz. „Sie sind immer schon ein Hort des Antisemitismus gewesen. Dass solche Leuten in Regierungspositionen sind, ist beängstigend.“ Kickls Angriff auf die Menschenrechte entspringe demselben Gedankengut. „Man sollte vermuten, dass dieser Sager aus Blödheit geschehen ist, aber es kann gut sein, dass es bewusst passiert ist.“ Christoph rät allen, dagegen auf die Straße zu gehen und im Umfeld, in der Familie und im Beruf offen seine Meinung zusagen.

Schrittweiser Abbau der Demokratie

Kurt Kann war bei der Demonstration im Jahr 1965 mit dabei, die von Burschenschaftern des Rings Freiheitlicher Studenten (RFS) angegriffen wurde und auf der der Antifaschist Ernst Kirchweger tödlich verletzt wurde. Für Kurt zeugt der Einzug der Burschenschafter in die höchsten Ämter des Staates vom „schleichenden Versuch“, immer stärker in die Politik einzudringen. „Man spricht zwar ständig von einem demokratischen Rechtsstaat, den man aber grundsätzlich ablehnt.“ Kickls Angriff auf die Menschenrechte, die Hetze gegen Flüchtlinge und Minderheiten und der schrittweise Abbau der demokratischen Grundsätze zeige eben gerade, „wofür die Burschenschafter stehen“.

Die Affäre Kickl hat inzwischen auch Deutschland erreicht. Die deutsche Justizministerin Katarina Barley (SPD) warf dem österreichischen Innenminister „Sabotage des Rechtsstaats vor“. Matteo aus Deutschland sagte auf der Demonstration, dass die für ihn faschistische Alternative für Deutschland (AfD) gleich weit rechts stehe, wie die FPÖ. In Österreich sei die Situation aber schlimmer, immerhin „ist die FPÖ hier schon in Regierungsverantwortung“. Damit es in Deutschland nicht auch so weit kommt, plädiert Matteo dafür, die „Mitte der Bevölkerung in die Proteste“ mit einzubeziehen.

Demokratische Maske muss fallen

Die Demonstration, organisiert von der Offensive gegen Rechts, zog von der Universität über den Ring und die Wipplinger Straße zum Stephansplatz zur Schlusskundgebung. Unter den Demonstrant_innen war auch Martha Bißmann, freie Abgeordnete im Parlament. Schon am Vormittag forderte das Bündnis Jetzt Zeichen SetzenSOS Mitmensch, Israelitische Kultusgemeinde, Mauthausen Komitee und andere – vor dem Bundeskanzleramt ÖVP-Regierungschef Sebastian Kurz auf, endlich gegen die rechtsextremen Umtriebe der FPÖ Stellung zu beziehen. Der „Schweigekanzler“ musste sich inzwischen erstmals zu Wort melden.

Bereits nach dem Protest gegen das FPÖ-Neujahrtreffen am vergangenen Samstag fürchtete FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, dass es nun verstärkt zu Straßenprotesten kommen könnte. Innenminister Kickl ließ wieder einmal einen Blick auf die gefährliche Gesinnung der FPÖ zu. Sorgen wir mit Massenprotesten dafür, dass die demokratische Maske der FPÖ und der Burschenschaften endlich gänzlich fällt.

Redaktionelle Mitarbeit: Manfred Ecker. Fotos: Lena Schilling. 
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