Kongress gegen Schwarz-Blau: Das war „Marx is Muss 2018“ in Wien!

Drei Tage lang begeisterten zahlreiche Sprecher_innen und internationale Gäste die über 110 Besucher_innen des „Marx is Muss“-Kongress in Wien. Die Bewegung gegen Schwarz-Blau und viele Jubiläen prägten die Diskussionen: Marx’ 200. Geburtstag, 100 Jahre Frauenwahlrecht und Österreichische Revolution, 50 Jahre 1968er-Revolte. Wir haben viele Stimmen, Fotos und Videos der Vorträge gesammelt, um das Wochenende noch einmal Revue passieren zu lassen.
8. Mai 2018 |

Von 4. bis 6. Mai ging in Wien der Kongress „Marx is Muss 2018“ über die Bühne! Über 110 Besucher_innen beteiligten sich an dem vielfältigen Programm mit Vorträgen, Diskussionen und Musik und nutzten diese Plattform, um sich über Strategien des Widerstands gegen die schwarz-blaue Regierung auszutauschen. Organisiert wurde der Kongress von Linkswende jetzt.

Benny ist aus Graz zum Kongress angereist.

Benny war extra aus Graz zum Kongress angereist. Er fand es „sehr inspirierend, dass so ein buntes, internationales Publikum da war. Diese Mischung aus Praxis und Theorie ist genau das, was wir jetzt brauchen! Es haben sich wirklich spannende Debatten ergeben. Insgesamt war die Stimmung immer sehr locker und trotzdem hat man gemerkt, dass alle es richtig ernst meinen und wirklich etwas verändern wollen! Die Gesprächskultur hat mir auch sehr gut gefallen,  ich werde versuchen, das auch bei anderen Veranstaltungen einzubringen.“

200. Geburtstag von Karl Marx!

Am Eröffnungspodium diskutierten Axel Magnus von den SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen gegen Notstandspolitik und Karin Wilflingseder (Betriebsrätin, Linkswende jetzt) über den dringend nötigen Widerstand gegen Schwarz-Blau und politische Alternativen zu den etablierten Parteien. „Wir sollten den Sozialstaat verteidigen und müssen aus der Verteidigung in die Offensive kommen“, sagte Magnus. Wilflingseder machte klar, dass die Kopftuchdebatte die Arbeiter_innenklasse spalten soll: „Wir brauchen die offiziellen Gewerkschaften auch an unserer Seite und wir müssen gleichzeitig Antirassismus in die Bewegungen hineintragen.“

 

Ein besonderer Höhepunkt war für die Teilnehmer_innen der Vortrag über Karl Marx. Anlässlich seines 200. Geburtstags am Samstag, 5. Mai sprach Volkhard Mosler, Aktivist bei DIE LINKE und marx21 in Deutschland, über den Philosophen, Ökonomen und Revolutionär. Am Abend wurde unter Anleitung der Poetry-Slammerin Clara Felis und der Liedermacherin Elfriede Grömer noch ein Geburtstagsständchen für den revolutionären Jubilar gesungen. Mit den beiden Künstlerinnen konnte man den Tag noch mit fantastischen, antifaschistischen Texten und Liedern ausklingen lassen.

„Whose streets? Our streets!“

Antifaschismus war angesichts des weltweiten Rechtsrucks ein dominierendes Thema. Manfred Ecker (Linkswende jetzt) erinnerte im Auftakt an die vergessene österreichische Revolution von 1918 und sprach über den inspirierenden Arbeiterwiderstand gegen die Nazis.

Das internationale Podium „Whose streets? Our streets!“ gegen den Aufstieg der extremen Rechten mit Mark L. Thomas (SWP, Großbritannien), Nora Berneis (Aufstehen gegen Rassismus, Deutschland) und David Albrich (Linkswende jetzt) war mit Berichten von erfolgreichen Aktionen und Kämpfen gegen Rechte besonders motivierend.

 

Albrich und Thomas diskutierten unter dem Motto „How we beat the Nazis“ Strategien gegen Rechts. Albrich betonte die Standhaftigkeit der Antifaschist_innen in Österreich, die erfolgreich eine Etablierung der „Pegida“ (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes), Aufmärsche der rechtsextremen „Identitären“ und der FPÖ gegen Flüchtlingsheime verhinderten. Für Thomas war klar: „Die Faschisten werden immer wieder zurückkommen – bis wir Kapitalismus zerschlagen haben!“

Offene Grenzen verteidigen

Großen Zuspruch erhielt die antirassistische Veranstaltung „Öffnet die Grenzen“. Nora Berneis argumentierte, dass wir die offenen Grenzen verteidigen müssen, wenn wir Rassismus effektiv bekämpfen wollen: „2015 war keine Flüchtlingskrise, sondern eine Krise des Grenzregimes. Unsere Aufgabe ist es, für eine internationalistische Perspektive einzutreten.“

Walid* brachte seine Erfahrungen als Flüchtling aus Afghanistan in die Podiumsdiskussion ein: „Eine bessere Welt ohne Grenzen, oft kann ich das selbst nicht glauben. Als ich hierhergekommen bin musste ich feststellen, dass es Menschen gibt, die gegen Flüchtlinge und Menschenrechte sind. Ich bin dankbar, dass ich Leute von Linkswende jetzt getroffen habe, die für eine andere Welt kämpfen.“ Farid*,  der ebenfalls aus Afghanistan vor den Auswirkungen des nun bereits 40 Jahre andauernden Bürgerkriegs fliehen musste, hielt schon am Eröffnungspodium eine berührende Rede: „Wir wurden schon von der Vorgängerregierung nicht gerecht behandelt, aber mit der neuen [schwarz-blauen] Regierung ist es noch schwieriger geworden.“

Nino sagt: „Es ist genug für alle da!“

In der regen Diskussion plädierte auch Thomas für offene Grenzen: „Es war unglaublich zu sehen, wie Flüchtlinge Grenzen durchbrachen und die Menschen ihnen halfen. Es zeigte deutlich: Wir können Grenzen zerschlagen!“ Nino war empört über die Ungerechtigkeit und betonte: „Es ist genug für alle da, aber es ist nicht gewollt, dass auch alle etwas bekommen! Das Geld liegt auf den Banken einiger weniger, die kein Interesse haben, es für die Bekämpfung von Problemen, die uns alle bedrohen, einzusetzen. Wir hätten z.B. die Technologie, um den Klimawandel zu verhindern – aber sie machen es nicht. Meiner Meinung nach ist das ein sehr wichtiger Punkt: Es ist genug für alle da! Oder es wäre genug für alle da…“

Klimawandel stoppen

Besonders gut besucht war der Workshop zum Thema „Klimawandel und Kapitalismus – wir müssen beides bekämpfen“.  „Aufklärung ist nicht das Problem, die Mehrheit sieht Klimawandel als ernstes Problem“, sagte Erdwissenschafter David Heuser. „Wenn wir die da oben weiter machen lassen, gibt es eine Katastrophe. Wir müssen die Machtverhältnisse ändern.“

 

Simon und Mario deckten sich mit Broschüren ein.

Auch für Mario und Simon war dieses Thema ein besonderes Anliegen: „Die Publikumsdiskussion war sehr angeregt, man hat gemerkt, dass sich die Leute über den Klimawandel Gedanken machen und als ernstes Problem sehen. Es gibt so viele Möglichkeiten und neue Techniken, wir müssen es schaffen, sie gegen Umweltzerstörung und gegen Kapitalismus einzusetzen!“

Gegen die reaktionäre Wende in der Frauenpolitik

Nasfie Jonuzi vom Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft (NMZ) und Karin Wilflingseder von Linkswende jetzt sprachen zusammen als Schwestern im Kampf gegen antimuslimischen Rassismus. „Anti-muslimischer Rassismus wird aktiv geschürt und aufrechterhalten“, so Jonuzi zur neuerlichen Kopftuchdebatte. „Bewegungsverbote, Berufsverbote und andere Grundrechtsverletzungen sind womöglich erst nur der Anfang gewesen.“ Sie habe es satt, als „Ablenkungsmanöver für Sozialabbau“ herhalten zu müssen. Wilflingseder argumentierte, dass wir bei Islamfeindlichkeit gerade jetzt keinen Millimeter zurückweichen dürfen, wo die Herrschenden angesichts immer größerer Konflikte unter ihnen immer mehr auf dieses einigende ideologische, rassistische Band setzen.

 

Marilen Lorenz ging in ihrem Vortrag zu 100 Jahren Frauenwahlrecht auf die noch immer unerfüllten Forderungen der Frauenbewegung und die Verteidigung erkämpfter Rechte gegen neuerliche Angriffe durch die reaktionäre Politik von Schwarz-Blau ein: „Die Rechtsextremen haben zu Recht Angst vor selbstbewussten Frauen – damals und heute.“

Tina war von den Diskussionen begeistert.

 

Für Tina war die Veranstaltung zum Thema Frauenpolitik sehr wichtig. „Als Frau muss man immer 120% geben um überhaupt wahrgenommen zu werden. Wenn ich bei technischen Arbeiten genau die gleiche Arbeit übernehme, wie mein Bruder, werde ich als seine Assistentin bezeichnet. Wenn ich aber ein Kleid anziehe, werde ich dafür gelobt.“ In der Firma, in der Tina als technische Zeichnerin arbeitet, liegt der Frauenanteil bei 25%. Vor kurzem ließ sie sich die Haare kurz schneiden, die meisten ihrer Kolleg_innen reagierten darauf ablehnend oder ignorierten sie einfach. „Eine Frau mit Kurzhaarfrisur – das passt wohl nicht in ihr Rollenbild.“

50 Jahre 1968er-Revole

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der 1968er-Revolten lauschte ein voller Saal den spannenden Berichten von Volkhard Mosler, der selbst daran beteiligt und einer der Sprecher des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) war. In seinem Vortrag strich er die Rolle von Rudi Dutschke und seiner Anhänger_innen im (SDS) hervor. Diese betonten in Anlehnung an den großen marxistischen Philosophen Georg Lukàcs den subjektiven Faktor, also dass und wie die revolutionäre Partei den Lauf in der Geschichte beeinflussen kann: „Revolten und Bewegungen kommen und gehen. Was entscheidend ist, was bleibt übrig an organisierter Kraft. Weil sonst werden wir diesen Scheiß Kapitalismus immer am Hals haben.“

 

Insgesamt war der „Marx is Muss“-Kongress 2018 ein wirklich gelungenes Wochenende. Für die kommenden Proteste konnten hunderte Euro Spenden gesammelt werden und viele Menschen nutzten die Gelegenheit, sich über Möglichkeiten gegen Schwarz-Blau und Strategien gegen den Rechtsruck auszutauschen. Der Wissensdurst der Teilnehmer_innen war enorm. Besonders beliebt war die neue Broschüre Marx’ Politik von Alex Callinicos (mit dem Kommunistischen Manifest im Anhang) und eine Neuauflage von Die Arbeiter- und Soldatenräte in Österreich 1918-23 des österreichischen Historikers Fritz Keller (beide können über linkswende@linkswende.org bestellt werden).

Am Ende war für alle Beteiligten klar: Wir können die schwarz-blaue Regierung schlagen, aber nur, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Auch die Sprecher_innen (Hanni, Mahdi und Klara von Linkswende jetzt) des Abschlusspodiums betonten, wie wichtig es ist, sich zu organisieren und zusammen zu kämpfen. Ein einzelner Tropfen könne nicht viel ausrichten, sagte Klara, „Jetzt steh ich vor euch und sehe genau das. Eine Vielzahl von Tropfen. Schließt euch uns an. Werden wir zum Ozean.“

Die Vorträge können auf unserem Youtube-Kanal nachgeschaut werden.
*Die Namen wurden zum Schutz der Personen geändert.