Mehr Gelassenheit im Umgang mit Nazis?

Wer von Faschismus keine Ahnung hat, sollte über den Umgang mit Neonazis schweigen. Wenn man Tuten und Blasen keine Ahnung hat, sollte man besser die Klappe halten. Denn sonst kann eine derart gemeingefährliche Verharmlosung von Faschisten herauskommen, wie sie Christian M. Träger und Tim Zeidler am 24. August 2019 in den Salzburger Nachrichten zum Besten gegeben haben.
9. September 2019 |

In ihrer Titelgeschichte „Sind die Identitären Nazis?“ wünschen sich Christian M. Träger und Tim Zeidler allen Ernstes „mehr Gelassenheit im Umgang mit den Identitären“.

Diese beiden Tintenstrolche meinten in der Selbstdarstellung des Führers der „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, erkannt zu haben – weil dieser weder „die Meinungs- und Pressefreiheit einschränken noch die Gewaltenteilung aufheben oder politische Gegner in Lager sperren“ will –, dass es sich um eine mehr oder weniger harmlose Truppe handle, die lediglich „einen ethnischen Volksbegriff wieder salonfähig machen“ wollte.

Die beiden Blitzgneißer bringen es tatsächlich zustande, den Identitären die Erfindung des Begriffes „Bevölkerungsaustausch“ anzudichten, ohne zu merken, dass sie genau den Fehler machen, den sie der Linken  und dem Autor dieser Zeilen vorwerfen – dass wir uns angeblich nicht mit den Inhalten der „Identitären“ auseinandersetzen. Euch ist schon klar, dass die Kategorien „Bevölkerungsaustausch“ und „Umvolkung“ lange vor den „Identitären“ von der FPÖ verwendet wurden? Dass bereits die Nazis mit dieser Verschwörungstheorie, wonach die die „Minderwertigen“ durch vermehrte Fortpflanzung die „Höherwertigen“ austauschen würden, gehetzt haben?

Abgesehen davon, es muss doch nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs klar sein, dass man heute als moderner Nazi nicht den nächsten Holocaust hinausposaunen kann. Muss man die Herren an die Liederbuch-Affäre erinnern? Im Übrigen hat sich auch Hitler nicht öffentlich zu Konzentrations- und Vernichtungslager bekannt. Man darf deshalb nicht den Fehler machen und bei Faschisten nach einem offen ausgesprochenen „Programm“ suchen. Ihre Distanzierungen sind eine notwendige Taktik. 

Darüber hinaus ignorieren die Autoren einfach die Gewalt, die von den Identitären ausgeht und mit der sie doch, trotz ihrer angeblichen Friedfertigkeit, regelmäßig drohen – „Selbstverteidigung“ heißt das dann im Spagat. Als Sellner am Wiener Schottentor mit einer Pfefferspraypistole um sich geschossen hat, nahm er danach politisch Bezug auf die „Türkenbelagerung“ (im Prinzip alles von der FPÖ geklaut) und rief de facto dazu auf, auf Muslime zu schießen: „Man hat ein Recht dazu, ja man hat sogar die Pflicht dazu sich zu verteidigen und ich werde das auch wieder tun.“

Die Identitären verstehen sich selbst, wenn man genauer hinhört, als „ergänzende Bewegung“ zum Parlamentsflügel der FPÖ. Natürlich laufen sie aus bereits genannten Gründen nicht herum und sagen, wir wollen die nächste Sturmabteilung (SA) aufbauen. Dass sie in ihrem Projekt nicht vorankommen, ist allein ihrer Dämonisierung als Nazis und den antifaschistischen Mobilisierungen, die Träger und Zeidler so verteufeln, zu verdanken.