Neues Buch über den „Black Jacobin“ Toussaint Louverture
Am 14. August 1791 begann der Aufstand in Haiti. Motiviert wurde er vom Versprechen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit durch die französische Revolution. Anfangs weigerten sich die französischen Revolutionär_innen aber ein Bündniss mit den ehemaligen Sklaven zu suchen. Erst im Zuge der Machtübernahme der Jakobiner anfang Juni 1973 in Frankreich, kam es zu einem Bündnis zwischen Frankreich und Haiti. Die Jakobiner verkündeten die Abschaffung der Sklaverei und drei Delegierte aus Haiti nahmen an den Sitzungen des revolutionären Parlaments (Nationalkonvent) teil. Nach dem Zusammenbruch der Jakobinerherrschaft endete dieses Bündniss wieder. Zwischen 1791 und 1803 gelang es den haitanischen Rebellen unter der Führung Toussaint Louvertures die drei mächtigsten Armeen der Welt die französische, englische und spanische vernichtend zu besiegen.
Dieser revolutionäre Elan schlug sich auch in der haitianische Verfassung von 1802 nieder: Nicht nur die Abschaffung der Sklaverei wurde verkündet, sondern auch, dass Weiße über keinerlei Besitztümer verfügen dürfen. Dies galt aber nur für ehemalige Sklavenbesitzer. Deutsche oder polnische Arbeiter_innen, die von den Franzosen nach Haiti gebracht worden waren, wurden, genauso wie Kinder weißer Frauen, die auf der Insel geboren worden waren, juristisch als Schwarze definiert. Die haitianische Verfassung versprach allen Unterdrückten umfassende Freiheiten.
Umkämpfte Geschichtsschreibung
Das wichtigste Buch, das sich mit der Geschichte der Revolution auseinandersetzt, ist das Meisterwerk des schwarzen Revolutionärs C.L.R. James The Black Jacobins: Toussaint L’Ouverture and the San Domingo Revolution. Bürgerliche Historiker kritisieren das Buch von James als parteiisch und historisch lückenhaft. Gegen diese Kritik richtet sich das neues Buch von Christian Høgsbjerg und Charles Forsdick: Toussaint Louverture: A Black Jacobin in the Age of Revolutions.
Revolutionär oder Opportunist
Beispielsweise kritisiert der Historiker Philippe Girard die Darstellung von Toussaint Louverture als Urvater der Sklavenbefreiung und des schwarzen Nationalismus. Seiner Einschätzung nach war Louverture der Inbegriff des amerikanischen Selfmademan. Diese These stützt er unter anderem auf Toussaints lebenslanges Streben nach bürgerlicher Bildung. Das ist erstens ein beindruckend dummes Argument gegen seine revolutionäre Rolle und zweitens: Sich als schwarzer Sklave autodidaktisch weiterzubilden, ist rebellisches Verhalten per Definition.
Schwerer wiegt Girards Argument, dass Toussaint zum Zeitpunkt der Revolution nicht nur kein Sklave mehr war, sondern selbst Sklaven besaß. Außerdem war er in seiner Zeit als Sklave nicht für körperliche Arbeit zuständig, sondern für administrative Aufgaben. Doch Forsdick und Høgsbjerg antworten: „Als Schwarzer, der in einer nichtrevolutionären Situation in einer barbarischen Sklavengesellschaft lebte, in der Schwarze aus einer Laune heraus von Weißen ganz selbstverständlich getötet werden konnten, stellte das bloße Überleben selbst eine Form des Widerstands dar. Toussaint Louverture machte nicht die Revolution, die Revolution machte ihn“. Im Zuge der revolutionären Entwicklung entließ er all seine Sklaven in die Freiheit.
Gerade das Zusammenfallen von Französischer Revolution und Widerstandskultur der Sklaven wird von Høgsbjerg und Forsdick brilliant herausgearbeitet. In einer der interessantesten Passagen des Buches wird die revolutionäre Rolle der Voodoo-Religion dargestellt, eine Mischung von christlicher Religion und afrikanischer Kultur, durch die sich die Sklaven eine kollektiv-widerständige Identität schufen. Schon lange vor der französischen Revolution kam es zu Widerstandsakten der Sklaven. Doch erst die Wucht der französische Revolution führte zum Massenaufstand der Sklaven.