Schläge für den amerikanischen Martin Sellner

Donald Trumps Angelobung als US-Präsident am 20. Jänner sorgte weitgehend für Aufregung. Als er seine düstere und nationalistische Antrittsrede vortrug und das mächtigste Amt der Welt übernahm, protestierten Linke in Washington – und schlugen einem bekannten Neonazi ins Gesicht.
28. Januar 2017 |

Einige Stunden nach der Angelobung von Donald Trump fanden manche von uns einen kleinen hellen Fleck an diesem ansonsten schwarzen Tag. In den sozialen Medien verbreitete sich ein Video, in dem einem Mann in Anzug und Krawatte während eines Fernsehinterviews von einem in schwarz gekleideten Mann mit Sturmhaube ins Gesicht geschlagen wird. Der Geschlagene ist ein bekannter amerikanischer Neonazi aus dem weiteren Umfeld Donald Trumps.

Das Video wurde zunächst auf die Webseite der Washington Post hochgeladen –  mit der Schlagzeile: „White nationalist Richard Spencer punched in the face on camera“. Sofort wurde es geteilt, und mit Bildern vom Comic-Held Captain America beim Schlagen von Nazi-Bösewichtern unterlegt, oder und es wurde mit Liedern wie „Born in the USA“ von Bruce Springsteen und „The Boys are Back in Town“ von Thin Lizzy ge-remixed.

Hitlergrüße und „Hail Trump“

Warum wurde das Video so bejubelt? Abgesehen davon, ob oder wann beziehungsweise unter welchen Umständen es gerechtfertigt ist, Gewalt gegen einen politischen Gegner auszuüben oder diese zu jubeln, muss man sich mit Richard Spencer als Persönlichkeit auseinandersetzen, um diese Frage beantworten zu können. Wer genau ist dieser selbst ernannte „White nationalist“ und wie ist er politisch einzustufen?

Das Schag-Video war nicht die erste Medienaufmerksamkeit, die Spencer in seinem Leben bekam. Er wurde vielen Amerikaner_innen durch ein am 21. November erschienenes Video der Zeitschrift The Atlantic vorgestellt. In diesem Video spricht er vor einem weißen, überwiegend männlichen Publikum über die angebliche Ausbeutung der Weißen durch anderen Ethnien und dessen Leugnung durch eine „Lügenpresse“ – er benutzt den deutschen Begriff – die er mit der antisemitischen Chiffre „soulless golem“ (seelenloser Golem) beschreibt. Am Ende der Rede schreit er „Hail Trump, hail victory!“ (Sieg heil) und er und seine Zuhörer heben den Arm zum Hitlergruß.

Die Rede wurde im Rahmen einer Konferenz gegeben, die vom National Policy Institute (NPI), einem sogenannten „Thinktank“ in der Nähe von Washington, D.C. veranstaltet wurde. Seit 2016 ist Spencer selbst der Direktor des Instituts.

Befürworter ethnischer Säuberung

Das NPI propagiert Rassismus der extremsten Art in einem neuen Gewand. Die völlig in Verruf geratene Eugenik wird darin zu „human biodiversity“ umbenannt, um dann für ein Amerika als Ethnostaat für weiße Menschen mit europäischen Vorfahren zu argumentieren. So wollen sie sich vom Image des deklassierten Skinheads, mit dem Neonazismus meist assoziiert wird, distanzieren. Damit fällt es ihnen leichter, ihre Ansichten salonfähig zu machen.

Spencer hat schon mehrmals abgestritten, dass er ein Nazi ist. Ihm sei die Bezeichnung „Identitarian“ lieber. Im österreichischen Kontext wird man sofort an die FPÖ-nahe „Identitäre Bewegung“ und dessen Führer Martin Sellner erinnert. Sellner behauptet auch, er sei trotz seiner Verbindungen mit bekannten Nazis selbst kein Nazi.

Auch bei Sellner dreht sich alles um neue Namen für alte Schuhe: Verteidigung einer „ethnokulturellen Identität“ der weißen Europäer, die durch die Einwanderung von Menschen nicht westeuropäischer Herkunft und eine Ideologie des Multikulturalismus bedroht sei. Sellners Verständnis von Kultur als eine unveränderliche Gegebenheit, die mit der (biologischen) Ethnie erworben wird, stellt die angebliche Harmlosigkeit dieses Gedankengutes in Frage.

Gewalt

Es ist durchaus verständlich, dass manche Leute, die gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind, sich unbehaglich fühlen, wenn sie das Schlagvideo ansehen oder den Jubel darüber mitbekommen. Aber diese Leute sollen nicht den Fehler machen, die Gewalt des Schlags mit der Gewalt einer ethnischen Säuberung zu vergleichen, wie es in den letzen paar Tagen manche Liberale – teils unbewusst – in den sozialen Medien gemacht haben.

Die Identitäre Bewegung: Norbert Hofers Sturmtruppen

Die Identitäre Bewegung: Norbert Hofers Sturmtruppen

Persönlichkeiten wie Spencer und Sellner können bei manchen einen positiven Eindruck erwecken, weil sie gut gekleidet, wortgewandt und medienerfahren sind. Allerdings vertreten sie ein Gedankengut mit höchst gewaltsamen Implikationen. Ihre Funktion besteht daraus, diese Implikationen zu verbergen.

 

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.