Sie machen die FPÖ stark!

Die FPÖ wird die nächsten Nationalratswahlen gewinnen. Sie wird von ihren Gegnern künstlich und unnötig oder aus Naivität und Dummheit stark gemacht. Sie wird von einem System gefördert, das seit jeher Kompromisse mit dem Faschismus eingeht und ihn verharmlost.
19. Dezember 2022 |

Österreich hat Antifaschismus in der Verfassung verankert, aber das ist leeres und gefährliches Blabla! Schon 1949 durfte der „Verband der Unabhängigen“ bei Parlamentswahlen antreten und zwar ganz unmissverständlich als die politische Vertretung ehemaliger NSDAP-Mitglieder. Daraus ging die FPÖ hervor, weshalb sie zurecht als die indirekte Nachfolgepartei der NSDAP in Österreich bezeichnet wird. Und die Geschichte ging so weiter. Wie die Nazis nach 1945 verhätschelt wurden, so tut man es noch heute mit der FPÖ.

Die Blindheit ihrer Gegner und zukünftiger Opfer für Faschismus im modernen Gewand ist nur ein Teil des Erfolgsrezepts der FPÖ – dazu später. Die FPÖ bekommt weitaus mehr als nur die rechtsextremen Stimmen Österreichs, sie bekommt Stimmen potentieller SPÖ- genauso wie von ÖVP-Wähler_innen. Sogar zwischen den Liberalen, Grünen, der Bierpartei, der KPÖ und der FPÖ gibt es Wechselwähler_innen. Das alleine demonstriert schon die Gefährlichkeit der FPÖ, denn im Schafspelz infiltriert der Wolf die Herde – bis er sie genüsslich massakriert. Und auch hier ist ein genauerer Blick gefragt. Es sind bei weitem nicht nur vom sozialen Abstieg gefährdete oder betroffene Menschen, die zur FPÖ wechseln, sondern Menschen aus allen sozialen Lagen. Also weder nur die Verarmten, noch nur die Rechtsextremen wählen FPÖ, ihr Aufstieg lässt sich nicht auf soziale oder ideologische Ursachen reduzieren. Die entscheidende Rolle spielt sowohl die Politik der großen Parteien und Institutionen als auch die der Straße.
Man muss die erkennbaren Faktoren, die heute rechtsextreme und faschistische Parteien auf der ganzen Welt begünstigen von den spezifisch österreichischen auseinanderhalten, wenn man den Hebel, um Faschismus zu verhindern, an der richtigen Stelle ansetzen möchte.

Ideologische Gründe

Weiße Männer führen einen verzweifelten Kampf gegen ihren kulturellen Niedergang, wird behauptet, und gehen deshalb massenweise zu den Faschisten, aber das ist einfach zu entkräften. Wären Einwanderung aus muslimischen Ländern, Feminismus oder Regenbogenparaden wirklich der treibende Grund für den Rechtstrend, warum ist dann die FPÖ besonders in ländlichen Regionen stark, wo weder das eine noch das andere sichtbar ist? Und warum ist sie in den städtischen Bezirken mit den höchsten Ausländeranteilen am schwächsten? Wahr ist unbestritten, dass die Propaganda von der Überforderung weißer Männer schon verbreitet Fuß gefasst hat. Auch in Polen oder in Ungarn, wo es so gut wie keine muslimischen Einwanderer gibt, ist dieses Thema zentral für Regierungspropaganda und für die politische Arbeit der Faschisten. Aber die Verbreitung des Märchens vom „Großen Austausch“ ist ein politisches Programm. Die kulturellen Argumente sind politisch – und arbeiten mit der Konstruktion eines künstlichen Kollektivs einer weißen Gesellschaft unberührt von außen.

Soziale Ursachen

Unter Linken oder unter Antifaschist_innen ist das wohl das verbreitetste Erklärungsmodell. Die Lohnabhängigen erleben seit Jahrzehnten einen Verlust ihrer Einkommen, den Niedergang der sozialen Absicherung, unsichere Altersversorgung, usw., während die Reichen reicher werden. Die Passivität und Ratlosigkeit von Sozialdemokratie und Gewerkschaften summieren sich zum ausgewachsenen Verrat an den Werktätigen, die dann aus Wut zur extremen Rechten überlaufen. Warum war dann die FPÖ über Jahrzehnte bei relativ hohen Lebensstandards in Österreich so viel stärker als faschistische Parteien im restlichen Europa? Warum konnte sie sogar während der letzten Jahre des Wirtschaftsaufschwungs und der niedrigen Arbeitslosigkeit dazu gewinnen? Dieses Erklärungsmodell hat große Lücken bzw. einen blinden Fleck bei Rassismus. Während all der Jahrzehnte wurde der soziale Abstieg der Lohnabhängigen begleitet von einem gewaltigen Rechtsruck des politischen Zentrums. Heute wird von der ÖVP sogar die UN-Menschenrechtskonvention infrage gestellt. Von ÖVP bis GRÜNE stellen alle Parlaments-Parteien das Asylrecht infrage. In den USA und in manchen europäischen Ländern wird den Frauen strittig gemacht, frei über einen Schwangerschaftsabbruch zu bestimmen. Aber um es ganz klar zu machen, das spiegelt nicht Trends in der Bevölkerung wieder. Es gibt offensichtlich nur indirekte Zusammenhänge zwischen sozialem Abstieg und Rechtsruck und das Bindeglied dazwischen ist die Politik.

Antiliberalismus

Die armseligste Reaktion auf die zunehmende Wut auf das politische Zentrum ist das permanente Einmahnen von politischer Korrektheit, ohne auf Ursachen für die Stimmung einzugehen. Wir werden ständig den Erfolg besonders unternehmerischer, agiler Menschen hingewiesen. Zufriedenheit wird mit Erfolg gleichgesetzt und ist immer ein Resultat individueller Leistungen. Wenn es auf dich nicht zutrifft, dann, weil du persönlich versagt hast, nicht der Staat, nicht das Sozial- oder Bildungssystem, du bist verantwortlich! Und je weniger das noch auf Resonanz treffen kann, je hohler die Versprechen, desto stärker setzen die Eliten auf Individualität als Bollwerk gegen kollektive Aktion. Umgekehrt, je ferner kollektive Aktion als gemeinsamer Ausweg für die Arbeiter_innenklasse erscheint, umso mehr schauen sich die Individuen nach anderen Wegen um. Besonders augenscheinlich war das an der Zusammensetzung der Coronaproteste zu erkennen – angeführt von „hard core“-Neonazis marschierten tausende Menschen, die genauso gut auf gewerkschaftlichen oder antirassistischen Protesten mitmarschieren würden. Nur gab es von dieser Seite kein Angebot.

Rechtsruck der politischen Parteien

Eine Tendenz kann man mit wenigen glorreichen Ausnahmen weltweit feststellen – die politischen Parteien des Zentrums – konservative, liberale und sozialdemokratische – sind scharf nach rechts gegangen. Die Positionen der Rechtsextremen sind massentauglich geworden. „Das Boot ist voll!“ kommt von der SPÖ, die Islamlandkarte wurde von der ÖVP-GRÜNEN Koalition eingeführt! Überhaupt ist die ÖVP ein Musterbeispiel dafür, wie der Rechtsruck einer Zentrumspartei die Faschisten stärkt. Nur fünf Jahre nach dem Ibiza-Skandal hat die FPÖ in Umfragen schon ein Mal den Platz Eins errungen. Wenn die SPÖ den aktuellen, jeder Konfrontation ausweichenden, Kurs fortsetzt, wird sie im Finish verlieren müssen. Kickl scheut keine Auseinandersetzung und auch nicht die Mobilisierung auf die Straßen. Und sie wird bei den kommenden Wahlen den Sieg in der direkten Auseinandersetzung mit der SPÖ ganz einfach davon tragen, wenn die SPÖ den aktuellen Kurs beibehält, und weiter eine Mobilisierung der Basis gegen die herrschenden Zustände ausschließt.

Wenn die SPÖ den aktuellen, jeder Konfrontation ausweichenden, Kurs fortsetzt, wird sie im Finish verlieren müssen.

Letzte Hoffnung

Bleibt die außerparlamentarische Opposition als einzige Hoffnung, die FPÖ zu verhindern. Sträflich unterschätzt für ihre Fähigkeit die politischen Entwicklungen zu prägen, hat sie das Potential die FPÖ wirklich aufzuhalten. 2016 haben nur Proteste es geschafft, Norbert Hofer als deutschnationalen Faschisten zu demaskieren, der von den Medien und den Parteien wie einer der ihren behandelt wurde. Straßenproteste haben ihn in die Defensive gezwungen, weil unter seiner und Straches Führung FPÖ-Abgeordnete die blaue Kornblume, der österreichische Ersatz für das Hakenkreuz, im Parlament getragen haben. Antifaschistische Proteste haben die Jahre davor jede von ihnen konfrontierte FPÖ-Kundgebung zum Rohrkrepierer werden lassen. Die Linke muss erst wieder zu ihrer Form auflaufen, wenn ihr das wieder gelingen soll. Und wir werden radikaler werden müssen. Um die Faschisten von der Straße zu vertreiben, müssen wir zuerst die Polizeireihen überwinden, die die Faschisten begleiten und beschützen. Aber wenn sie einmal davonrennen, dann erholen sie sich nicht mehr so leicht davon.