So habe ich die Demo gegen die Identitären erlebt

Am 11. Juni wollten die Faschisten der „Identitären Bewegung“ durch den 15. Bezirk in Wien marschieren. Die Polizei versuchte mit aller Macht den Aufmarsch durchzusetzen, doch es gelang über 1.000 Antifaschist_innen, ihre geplante Route zu blockieren. Gertrude Wagner erzählt von ihren Erfahrungen mit der Polizeibrutalität.
26. Juli 2016 |

Als wir mit der Demonstration am Gürtel ankamen sah ich, dass die Polizei die Identitären über die ganze Fahrbahnbreite vor unserer Gegendemonstration abschirmte. Ich suchte zu dieser Zeit eine Toilette und musste dazu auf den inneren Gürtel wechseln. Beim Zurückgehen kam ich auf Höhe der Polizei und Identitären wieder zum äußeren Gürtel, ging am Grünstreifen weiter in Richtung Gegendemonstration.

Zu dieser Zeit hatten alle Polizisten in der Reihe die Pfefferspraydosen zum Anschlag bereit. Zur Gegendemo waren einige Meter Abstand, einige von uns, die fotografierten, aber auch Pressefotografen, waren nahe an den Polizisten. Plötzlich und ohne Vorwarnung, da ja keiner der Polizisten angegriffen wurde, fingen diese an zu sprühen. Der Strahl aus den Sprühdosen reichte gut vier Meter weit.

Ich war über die plötzliche Brutalität so geschockt, dass es mir nicht mehr gelang Fotos zu machen. Daraufhin rannten auch einige von unserer Gegendemo in Richtung Polizei, wurden aber sofort brutal niedergesprüht. Auf eine Person, die durch den Angriff der Polizei mitten auf der Straße wehrlos zum Liegen kam, wurde von der Polizei in einem Abstand von ca. einem halben Meter weiter gesprüht. Die Situation eskalierte dann, Gegendemonstranten liefen weiter Richtung Polizei, warfen Plastikrohre von einer Baustelle auf die Straße, nicht aber auf die Polizei.

Ich befand mich zu dieser Zeit noch immer auf dem Grünstreifen, wo mich plötzlich eine volle Ladung Pfefferspray am Kopf, Rücken und den Armen traf. Dummerweise drehte ich mich um und bekam dadurch auch eine Ladung ins Gesicht. Eine Polizistin, die auch sprühte, rief: „na brennst ordentlich, dann ist´s richtig“. Da ich eine Wasserflasche dabei hatte, wollte ich mir die Augen auswaschen, wurde aber von einem Polizisten brutal weitergestoßen. Als ich halt sagte, ich müsse meine Augen auswaschen, meinte er nur, dann hätt ich halt nicht herkommen sollen und stieß mich weiter.

Aufmarsch von Neonazis konfrontiert und aufgehalten

Aufmarsch von Neonazis konfrontiert und aufgehalten

Von den Gegendemonstranten wurden dann auch Absperrgitter, die auf der Seite standen, vor die Polizei gestellt, die ganze Szene eskalierte, wobei die Polizei immer brutaler vorging. Ich konnte dann auf die andere Straßenseite Richtung Westbahnhof wechseln, mir endlich das Gesicht abwaschen. Dann sah ich, dass Gegendemonstranten in den Bahnhof laufen wollten, diese wurden von hinten mit Knüppeln von der Polizei attackiert. Ich rettete mich dann auf die Südseite des Bahnhofs, wo mir Andere beim Auswaschen meiner Augen behilflich waren und mir auch Tipps gaben, wie ich mich weiter behandeln kann.

Geschockt und zittrig machte ich mich mit der U-Bahn auf den Heimweg. Zu Hause duschte ich dreimal, aber das Brennen ließ nicht nach. Ich musste auch alle fünf Minuten auf die Toilette. Meine Schwiegertochter fuhr daraufhin mit mir ins Hanusch- Krankenhaus. Dort stellte man fest, dass auch mein Blutdruck extrem hoch war (240/135). Ich wurde darüber aufgeklärt, dass die Inhaltsstoffe des Sprays das Vegetativum angreifen und ich dableiben müsste bis der Druck runtergegangen ist. Ich erhielt Medikamente und durfte nach zwei Stunden, in Begleitung meiner Schwiegertochter, wieder nach Hause.

Ich bin 63 Jahre alt, war schon in meiner Jugend auf Demonstrationen. Trotzdem habe ich noch nie so eine Brutalität der Polizei, nämlich ohne tatsächlichen Anlass, erlebt. Mein Gefühl dazu war, die hatten ihre Freude an der Aktion, man sah es in den Gesichtern. Dazu die extrem zynischen Bemerkungen, siehe Polizistin oben.

Gertrude Wagner

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.
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