Über sadistische Behörden im Asylwesen

Magda (Namen geändert) engagiert sich seit 2015 als ehrenamtliche Helferin für Menschen mit Fluchterfahrungen in Niederösterreich. In ihrem aktuellen Leserinnenbrief beschreibt sie die Methoden des BFA, um gutintegrierte Menschen deportieren zu können.
16. Juli 2018 |

Amir ist im Iran aufgewachsen, da seine Eltern wegen des Krieges in Afghanistan dorthin geflohen sind. Schon früh hat er erlebt, dass man als afghanischer Staatsbürger im Iran ein Mensch zweiter Klasse ist und keine Rechte besitzt. Nach einigen schlimmen Erlebnissen, flüchtet der damals 17-jährige Junge aus Verzweiflung nach Europa. Anfang 2016 erreicht er Österreich.

Im November 2016 wird er von der Polizei aus der Schule abgeholt und nach drei Tagen Schubhaft nach Kroatien rückgeführt.

(Es war eine menschliche Tragödie und hat bis heute Spuren hinterlassen.)

Amir hatte zu diesem Zeitpunkt in Tulln bereits viele Freunde gefunden, besuchte die Schule, war Mitglied unseres Laufteams und in einer Fußballmannschaft aktiv. Wir setzten alle Hebel in Bewegung, damit Amir wieder zu uns nach Tulln kommen durfte. Das schien vorerst aussichtslos, aber wir haben auf dem Rechtsweg und mit viel Engagement geschafft, die aufschiebende Wirkung erteilt zu bekommen.

Im März 2017 kam der große Augenblick und wir durften Amir nach Hause holen. Der Bub war gezeichnet von den Strapazen des Aufenthalts in der berüchtigten Unterkunft in Zagreb.

Nach dem richtungsweisenden negativen Urteil des europäischen Gerichtshofes wurde im Herbst 2017 seine außerordentliche Revision beim VwG zurückgewiesen. Eine neuerliche Abschiebung drohte ihm. Amir hatte inzwischen trotz seines langen Fernbleibens in der Schule, das Unterrichtsjahr mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen. Er stellte im Dezember 2017 einen neuen Asylantrag und bekam ein Verfahren in Österreich.

Anfang März kam es zur Einvernahme am BFA Wiener Neustadt. Diesen Tag werden wir wohl nie vergessen. Diese möchte ich als damals anwesende Vertrauensperson kurz schildern: Amir, der inzwischen schon gut Deutsch sprechen konnte, fragte den Referenten, ob er das Interview in deutscher Sprache führen dürfe, wurde von diesem zurechtgewiesen, dass er ihm nicht zeigen muss, dass er Deutsch kann. Er wisse eh, dass er in die Schule geht und überhaupt wisse er alles über ihn. Das Interview gestaltete sich als bewusstes Verwirrspiel und Verhöhnung, und er wurde von Beginn an als Lügner hingestellt. Seine Fluchtgeschichte war für den Referenten eher uninteressant, es ging nur um Geburtsdaten – Umrechnung vom Shamsi Kalender in den gregorianischen Kalender.

Seine Integrationsmappen wollte der Referent gar nicht sehen, da er vorgab sowieso alles über Amir zu wissen. (Zitat Referent: „Ihre zahlreichen österreichischen Unterstützer können Ihnen ja Geld nach Afghanistan schicken!“. „Es sind nur Migranten, die da zu uns kommen!“ „Die wollen nur ein besseres Leben!“…) Zu mir gewandt: „Sie wissen eh, wie das heute ausgehen wird?“

(mitten in der Befragung)

Nach drei Tagen kam dann der negative Bescheid. Die Beschwerde ging dann Ende März an das BVwG.

Am 26. April kam dann ein Brief von der niederösterreichischen Landesregierung, dass Amir sich spätestens am 4. Mai in einem Vollversorgungslager in Nö einzufinden hat, weil sein Verfahren rechtskräftig negativ beschieden worden sei und ihm sonst die Grundversorgung gestrichen würde. Das negative Erkenntnis war noch nicht zugestellt worden. Dieses bekam er erst nachdem wir eine Rechtsanwältin eingeschaltet hatten und diese es anforderte (am 15. Mai!).

Sein zuständiger Richter hatte das Urteil am 11. April ohne Verhandlung gefällt. Es erfolgte aber keine Zustellung.

Magda (Namen geändert)

Leser_innenbriefe spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider