Uni Wien: Polizeigeleitschutz für Nazis durch antifaschistische Kundgebung

Am Mittwoch, 8. November – ausgerechnet am Tag vor der Reichspogromnacht – führte die Wiener Polizei einen Demonstrationszug von antisemitischen, uniformierten Burschenschaftern mitten durch eine antifaschistische Kundgebung vor der Universität Wien. Das ist eine unerhörte Provokation und zeigt den Doppelstandard des neuen Versammlungsrechts, dessen vorgesehener „Schutzbereich“ offenbar nur linke Bewegungsfreiheit einschränken soll.
8. November 2017 |

Regelmäßig am Mittwoch treffen sich deutschnationale Burschenschafter zum harmlos klingenden „Studentenbummel“ auf der Rampe der Universität Wien. In den 1920er- und 1930er-Jahren trafen sich dort dieselben antisemitischen Burschenschafter, bewaffnet mit schweren Stöcken, und verprügelten jüdische Studierende und Professoren. Damals sah die Polizei tatenlos zu. Kurz darauf, in den Novemberpogromen, leiteten diese Burschenschafter die SS-Kommandos, die Jüdinnen und Juden ermordeten.

Heute geleitet die Polizei die Burschenschafter durch die Universität und schützt sie vor Gegenprotesten, wenn sie von der Rampe zum „Siegfriedskopf“ im Arkadenhof marschieren und dem gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch am 9. November 1923 gedenken (der Siegfriedskopf wurde am selben Tag von antisemitischen Studenten als „Kriegerdenkmal“ errichtet). Dass die Universität Wien dieses faschistische Denkmal nicht schon längst entfernt hat, zeugt vom ungebrochenen Einfluss der Burschenschafter in den Hochschulen.

Uni Wien geht in die Knie

Die Burschenschafter selbst sind an der Uni aber eigentlich eine politische Randerscheinung, so wie ihr politischer Arm, der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS). Bei den letzten ÖH-Wahlen erhielt er lächerliche drei Prozent der Stimmen, die überwältigende Mehrheit der Studierenden versteht sich als links und hasst die FPÖ. Dennoch lässt sich die Universitätsleitung vom RFS vor sich hertreiben.

Nachdem der RFS-Vorsitzende Markus Ripfl (von ihm gibt es Fotos mit „Kühnengruß“, der in der einschlägigen Szene als Ersatz für den Hitlergruß gilt), die Universität Wien dazu drängte, antifaschistische Plakate im Universitätsgebäude zu entfernen, bedankte sich die Unileitung bei Ripfl via Twitter und ließ die Plakate entfernen. Als eine Mitarbeiterin des Studiengangs „Internationale Entwicklung“ eine Einladung zur antifaschistischen Lichterkette von SOS Mitmensch am 15. November verschickte, erwägt der RFS dagegen zu klagen.

Doppelstandard

Am 8. November setzte die Wiener Polizei noch einen drauf: Sie führte einen Demonstrationszug von 10 bis 15 Burschenschaftern durch eine angemeldete antifaschistische Kundgebung vor der Universität Wien. Aktivist_innen von Linkswende jetzt mobilisierten dort für eine Demonstration gegen die Angelobung eben solcher Burschenschafter im Parlament (am 9. November). Dass die „Korporierten“ gerade deswegen provozieren wollten, musste der Polizei bekannt gewesen sein, immerhin waren Verfassungsschutzbeamte anwesend, die wöchentlich unsere Infotische observieren.

Die Polizei setzte sich über das neue Versammlungsrecht hinweg, das einen „Schutzbereich“ von mindestens 50 Meter zwischen gegnerischen Kundgebungen vorsieht. Nachdem wir uns lauthals beschwerten, verteidigte die Polizei ihr Vorgehen damit, dass die Burschenschafter ihre Versammlung schon vorher „aufgelöst“ hätten, und dementsprechend das Gesetz nicht mehr gelte. Man stelle sich umgekehrt vor, wir würden eine antifaschistische Kundgebung auflösen um dann mit einem Demonstrationszug durch eine FPÖ Kundgebung zu marschieren? Die Polizei würde Tränengas und Knüppel einsetzen, sicherlich gäbe es keinen Geleitschutz für uns.

Außerparlamentarische Bewegung

Schon vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes haben Aktivist_innen davor gewarnt, dass die neue Regelung vor allem gegen Linke eingesetzt werden wird. So auch in der gegenständlichen Auseinandersetzung: Regelmäßig untersagt die Polizei Proteste gegen den „Burschi-Bummel“ unter Berufung auf den „Schutzbereich“ im neuen Versammlungsgesetz – und die Universität Wien schaut zu, wie die Ewiggestrigen wieder ihr Unwesen treiben.

Wir sind empört über das Vorgehen der Polizei und der Unileitung – allerdings überrascht es uns auch nicht. Faschisten erhielten in der Vergangenheit Rückendeckung vom Staat, und sie bekommen ihn heute wieder. Faschismus muss auf der Straße geschlagen werden.

 

Donnerstag, 9. November, 10:00 Uhr: Protest gegen die Angelobung der FPÖ-Burschenschafter im Parlament. U2 Schottentor, Universität Wien.
Details und Belege über die Burschenschaften im Buch von Hans-Henning Scharsach Stille Machtergreifung – Hofer Strache und die Burschenschaften.