Von Wahlen, unverhohlenem Rassismus und Widerstand

„Mundtot ist untot, wer wäre gerne ein Zombie kapitalistischer Scheindemokratien? Ich nicht und ich denke, die meisten meiner Mitmenschen ebenfalls nicht.“ Elfriede Grömer aus Trimmelkam ist antifaschistische Mundartdichterin und Musikerin.
18. September 2017 |

Zunehmend fällt es mir immer schwerer, meinem fortgesetzten Entsetzen über den unverhohlenen Rassismus bis in höchste Regierungskreise, über die unmenschliche Asylpolitik, den zynischen Sozialabbau und über einen wachsenden faschistoiden Nationalismus Ausdruck zu verleihen, weil mir dazu einfach die Worte fehlen. Und nun scheint dieser Wahlkampf diejenigen zu demaskieren, denen ich bis vor Kurzem einen derart abscheulichen Zweckpopulismus, gepaart mit anbiederndem Rassismus niemals zugetraut hätte.

Kern, der einer geifernden Wirtin das Burkaverbot anpreist, als ob er ihr ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk überreichen wollte, hat mich nicht übermäßig überrascht. Mir war klar, dass er die Sozialdemokratie um jeden Preis vor der Bedeutungslosigkeit retten will, wobei ihm jedes Mittel recht ist. Kurz, der bisher noch keine respektable Persönlichkeit entwickelt hat und der sich rechts neben den Rechten positioniert hat, muss nur die Worte „Sperre der Mittelmeer-Route“ skandieren, schon wollen ihn christlich-abendländische ScheinhumanistInnen an die Spitze der Regierung hieven. Von den Blauen erwarte ich mir weiterhin schlimmste Agitation gegen alle humanitären Gruppierungen und gegen Einzelpersonen, die dieser fatalen Entwicklung entgegen steuern.

Aber dass sich Pilz als derartiger Speichellecker der erstarkenden Rechten entpuppt, hätte ich niemals für möglich gehalten. Sein gezwungenes Bemühen, den Ängsten der breiten Bevölkerung Verständnis entgegen zu bringen, hat für mich eine bräunlich-grüne Patina, vermutlich einfach Ausdruck seiner Angst, zukünftig etwas weniger „Ichwichtigkeit“ zu erfahren. Dazu greift er in die Schublade voll braunem Müll und bedient die schlichten Gemüter, die sich in ihrer „völkisch-idealisierten Heimattümelei“ bestätigt fühlen. Und wenn sie diese Bestätigung nun sogar von ehemaligen vorgeblich links-grünen Idealisten serviert bekommen, was soll sie davon abhalten, das zu tun, was ich schon seit Jahren kommen sehe? Willige Helfershelfer gewissenloser Machtmenschen zu werden, die mit großem Einsatz auf die Errichtung eines totalitären Staatsgefüges hinarbeiten.

Aber ich sehe auch, dass sich sehr viele, vor allem jüngere Menschen, mit aller Kraft dieser Entwicklung entgegen stemmen. In der außerparlamentarischen, marxistischen Organisation „Linkswende jetzt“ hat sich für mich ein gangbarer Weg heraus kristallisiert, der mir hilft auch hier, in einem überwiegend rechtslastigen, konservativen Umfeld argumentativ dagegen zu halten. Manches, was viele meiner Bekannten ungefiltert als breite Meinung übernehmen, kann ich doch so weit hinterfragen, dass es sich eben nicht mehr als allgemein gültig präsentiert. Das sollte doch das mindeste Bemühen meinerseits für eine zukünftige, gerechtere Gesellschaft sein auch wenn es mir zunehmend immer schwerer fällt. Doch es existiert keine Alternative zum Widerstand.

Mundtot ist untot, wer wäre gerne ein Zombie kapitalistischer Scheindemokratien? Ich nicht und ich denke, die meisten meiner Mitmenschen ebenfalls nicht.

Elfriede Grömer
Trimmelkam

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