Warum das Abkommen der EU mit Afghanistan eine Sauerei ist

Der EU hat Anfang Oktober ein seit langem geplantes, bisher geheimes „Rückführungsabkommen“ mit Afghanistan veröffentlicht. Im Jahr 2015 kamen 150.000 afghanische Flüchtlinge in die EU. Alle, die keinen positiven Asylbescheid haben, sind nun von der Abschiebung bedroht. Die treibende Kraft hinter dem Abkommen war Deutschland.
28. Oktober 2016 |

Der einzige Punkt, in dem sich alle EU-Mitgliedsländer beim Thema Flüchtlinge einig sind: Man muss möglichst viele Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückschicken. Bis jetzt war es relativ schwierig, afghanische Flüchtlinge, die einen negativen Asylbescheid erhalten hatten, zurück zu deportieren. Mit dem Abkommen wird das für die europäischen Behörden deutlich leichter. Laut EU sind bis zu 80.000 Afghan_innen von dem Abkommen betroffen.

EU erpresst Afghanistan

Kurz nach Bekanntwerden des Deals über die „Rückführungen“ verkündete die EU, sie werde in Zukunft die Finanzhilfen für Afghanistan aufstocken. Bis 2020 soll Afghanistan jährlich 1,75 Milliarden Dollar erhalten, davon vier Millionen aus Österreich. Die EU behauptet zwar nach wie vor, die Hilfsgelder haben nichts mit dem Abkommen zu tun. Doch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier fand schon eindeutigere Worte: „Unsere Hilfe muss erreichen, dass Menschen in ihren eigenen Ländern eine Zukunft finden. Wir erwarten von Afghanistan eine Kooperation in den Migrationsfragen.“

Die grüne EU-Parlamentarierin Barbara Lochbihler kritisierte das Abkommen: „Die EU-Regierungen schreckten nicht davor zurück, die „finanzielle Abhängigkeit Afghanistans eiskalt auszunützen“. Der Deal verlangt von Afghanistan, die Rückführung aller afghanischen Asylwerber_innen mit einem negativen Bescheid binnen vier Wochen sicherzustellen. Dafür will die EU auch den Bau eines eigenen Terminals für Abschiebeflüge am Hamid Karzai-Flughafen finanzieren.

Afghanistan nicht sicher

Die EU rechtfertigt das Abkommen mit der Behauptung, Afghanistan sei mittlerweile ein sicheres Herkunftsland. Aber Afghanistan ist mittlerweile unsicherer als jemals zuvor. Laut einem neuen Bericht der UN starben 1.600 Zivilist_innen in den ersten sechs Monaten des Jahres 2016 bei Anschlägen oder Polizei Razzien, weitere 4.000 wurden verletzt. Die UN gibt den Bericht seit 2009 heraus; 2016 ist das Jahr mit den meisten zivilen Opfern.

Die US-Invasion im Jahr 2001, an der sich auch NATO-Staaten beteiligten, ist für die derzeitige katastrophale Lage im Land verantwortlich. Der Einmarsch ist in jeder Hinsicht gescheitert, er kostete tausende Menschenleben, die Wirtschaft des Landes ist komplett zerstört und die Korruption wurde befeuert.

Laut der US-amerikanischen Zeitschrift The Long War Journal kontrollieren die Taliban mehr als 10 Prozent des afghanischen Territoriums und weitere 12 Prozent stehen unter ihrem Einfluss – und das trotz jahrelanger Drohnenangriffe und Foltergefängnissen.

„Überall herrscht jetzt Krieg“

Selbst in der Hauptstadt Kabul ist die Lage nicht sicher. Dazu sagt Shokat Ali Walizadeh vom „Verein Afghanische Jugendliche – Neuer Start in Österreich“ gegenüber der Neuen Linkswende: „Wie uns bekannt ist, gibt es in Afghanistan leider sehr viel Korruption, wodurch auch Offiziers-Titel bei der Polizei gekauft werden. Die derzeitige Situation ist die reinste Katastrophe, und Sicherheit kennt dort fast niemand mehr.“

Shokat Ali weiter: „Der Krieg wurde vom Süden in den Norden gebracht. Früher wurde der Norden als sicherer eingestuft, heutzutage herrscht jedoch überall Krieg. In Kabul, wo es viel Polizei und Militär gibt, sollte es normalerweise sicher sein; jedoch weiß zum Beispiel ein Familie trotzdem nicht, wenn Ihre Kinder und ihr Mann aus dem Haus gehen, ob sie wieder alle am Abend retour kommen.“

Nachbarländer nicht sicher

Früher konnten afghanische Flüchtlinge in die unmittelbaren Nachbarländer fliehen. Mittlerweile ist die Flucht in Länder wie Pakistan oder den Iran gefährlich geworden. Sowohl in Pakistan als auch im Iran sind sie von brutalem Rassismus betroffen. Afghanen, die in den Iran fliehen, werden vom Staat nach Syrien deportiert und gezwungen, für das Assad-Regime zu kämpfen.

Abschiebung nach Afghanistan heißt Deportation in den Krieg

Abschiebung nach Afghanistan heißt Deportation in den Krieg

Pakistan zwingt momentan tausende Langzeit-Flüchtige aus der Region Peshawar zur Rückkehr nach Afghanistan. Die Flüchtlinge werden einfach über die Grenze gefahren und in der Nangarhar-Provinz ausgesetzt. In der Nangarhar-Provinz ist der IS besonders stark, er zwingt immer wieder Flüchtlinge sich ihm anzuschließen.

Europa ist die letzte Möglichkeit für afghanische Flüchtlinge. Mit diesem Abkommen soll ihnen der letzte Ausweg genommen werden.

Großdemonstration #LetThemStay#LasstSieBleiben: 26. November, 14 Uhr Westbahnhof. Mehr Infos: menschliche-asylpolitik.at | Facebook
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.