Wenn wieder Konzentrationslager und Sonderklassen errichtet werden
Im Hauptverhandlerteam von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gehören vier der fünf Delegierten deutschnationalen Verbindungen an: Strache selbst ist Mitglied der „Vandalia Wien“, Norbert Hofer ist Ehrenmitglied der „Marko-Germania“, Norbert Nemeth gehört zur berüchtigten „Olympia“ und Anneliese Kitzmüller, die „Familienministerin“ werden könnte, zur „Mädelschaft Sigrid“. Der Fünfte im Bunde, Herbert Kickl, ist zwar kein Burschenschafter, aber wohl „Deutscher im Geiste“.
Aber nicht nur die Leitungsgruppe ist in teutscher Hand, sondern auch die Untergruppen, die sogenannten „Cluster“. Knapp jeder zweite FPÖ-Verhandler ist Mitglied in einer deutschnationalen Verbindung oder Burschenschaft, wie das Profil recherchiert hat: 34 von 71 Personen.
Schießübungen und Bespitzelung
Strache könnte Vizekanzler, Verteidigungsminister und Minister für „Heimatschutz“ werden. Schon jetzt treiben „Identitäre“ und Mitglieder des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) im Bundesheer ihr Unwesen: Laut Standard organisierten RFS-Mitglieder, die sich im Umfeld der „Identitären“ bewegen, in Kooperation mit einem offiziellen Bundesheer-Verein ausgerechnet in Braunau am Inn einen Schießbewerb. Abgehalten wurde der Bewerb auf einen polizeilichen Schießplatz, die Teilnehmer durften sogar in einer Kaserne übernachten.
Der künftige „Heimatschutzminister“ Strache trainierte bei Wehrsportübungen Ende der 1980er-Jahre für den Bürgerkrieg. Kurze Zeit später tauchten Videos dieser Übungen auf, die Teilnehmer dabei zeigten, wie sie mit Messern den Mord an politischen Gegnern übten. Foto: Archiv Horaczek
Die FPÖ verlieh mitten in den Koalitionsverhandlungen einem deutschnationalen Burschenschafter in Bundesheeruniform und schwarz-rot-goldener Schärpe unter dem Schutzschirm des Parlaments eine Medaille um besondere „Verdienste um die Demokratie“ – und zwar deshalb, weil dieser einen antifaschistischen Vortrag an seiner Schule verhindern ließ. Er verpetzte den Vortragenden bei seinem Vater, dem FPÖ-Nationalratsabgeordneten Roman Haider, und dessen Chef Manfred Haimbuchner ließ prompt eine Online-Denunziationsstelle gegen „politisch Andersdenkende“ einrichten. Dieses Spitzelwesen könnte im „Heimatschutzministerium“ ausgebaut werden, was dann unter der Bezeichnung „Bürgerbeteiligung“ laufen würde.
„Heimatschutz“
Eigentlich sollten die Alarmglocken schon beim Begriff „Heimatschutz“ läuten. Bereits im Wahlkampf forderte die FPÖ ein „Ministerium für Heimatschutz und Leitkultur“. Als „Österreichischen Heimatschutz“ (besser bekannt als „Heimwehr“) bezeichneten sich die paramilitärischen, faschistischen Milizen in der Zwischenkriegszeit. In der Steiermark waren diese Verbände vor allem Sammelbecken für Nazis, angeführt von dem deutschnationalen Burschenschafter Walter Pfrimer. Dieser initiierte 1931 den „Pfrimer-Putsch“, der die Heimwehren an die Macht bringen sollte.
Das entsprechende Verhandlungsteam „Sicherheit, Ordnung, Heimatschutz“ wird angeführt von einem Mitglied der Burschenschaft „Libertas“ (Walter Rosenkranz), die als erste Burschenschaft in Österreich bereits 1881 den „Arierparagraphen“ eingeführt hat (lange bevor die Burschenschaften dieses Prinzip im „Waidhofener Prinzip“ für allgemeingültig erklärten). Sie hat diesen Paragraphen, der Jüdinnen und Juden und „Andersrassige“ von der Mitgliedschaft ausschließt, bis heute als „Abstammungsprinzip“ verteidigt – zuletzt im Jahr 2011, als die Libertas im Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ mit anderen rechten Elite-Korporationen eine „Erklärung zum volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ unterzeichnete.
Rosenkranz erklärte 2009, der studentische Antisemitismus habe seinen Grund in der Tatsache, dass „überdurchschnittlich viele Juden Hörer an den Universitäten waren“.
„Sonderklassen“
Ausgerechnet jener Rosenkranz könnte Bildungsminister werden. Die für Schulen zuständige Verhandlungsgruppe „Zukunft“ wird von einem Mitglied der „Germania Graz“ und „Thessalia Prag“ (Axel Kassegger) geleitet. In derselben Ausgabe der rechtsextremen Aula, in der Überlebende des KZ Mauthausen als „Massenmörder“ und „Landplage“ diffamiert wurden, ist eine Rede von Kassegger abgedruckt, die mit den Worten endet: „Heil Deutsche Burschenschaft!“
Die von Kassegger geführte Gruppe plant eine Absonderung und Brandmarkung von ausländischen Schüler_innen. Strache kündigte die Einführung von verpflichtenden „eigenen Deutschklassen für Schüler, die die Unterrichtssprache nicht ausreichend beherrschen“ an, bevor eine „Verankerung in das Regelschulsystem“ folgen könne. Ebenso sollen diese Schüler zu „Sommerkursen“ verpflichtet werden. Schulen und Kindergärten, die sich nicht daran halten, drohen Sanktionen; säumigen Eltern könnten die Sozialleistungen gekürzt werden.
Unter den Nazis wurden jüdische Kinder von den Klassengemeinschaften abgesondert. Mit der 1. Verordnung zum Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25. April 1933 begann, was die Schriftstellerin und Schauspielerin Erika Mann als „Kreuzzug“ gegen jüdische Gymnasiasten und Studenten beschrieb. Unmittelbar nach der Reichspogromnacht 1938 wurde Juden der Besuch deutscher Schulen verboten, da laut Runderlass „keinem deutschen Lehrer“ zugemutet werden könne, an „jüdische Schulkinder Unterricht zu erteilen. Auch versteht es sich von selbst, dass es für deutsche Schüler unerträglich ist, mit Juden in einem Klassenraum zu sitzen“.
Braune Speerspitze
Das Unter-Verhandlungsteam zu „Staat und Gesellschaft“ leitet ein Mitglied der radikal antisemitischen Burschenschaft „Olympia“ (Harald Stefan), die 1938 den „Anschluss“ an Hitlerdeutschland und ihre Eingliederung in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) mit einer „eindrucksvollen Feier im großen Konzerthaussaal“ feierte (nachzulesen in der „Festschrift“ der Olympia). Die Olympia gehörte zur Speerspitze der Nazis in Österreich – sie führte bereits 1933, kurz nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland, das „Führerprinzip“ ein.
Die deutschnationalen Burschenschaften, die sich nie von den NS-Traditionen verabschiedet haben, dürfen seit Jahrzehnten in den repräsentativsten Gebäuden de der Republik abhalten. Jetzt ziehen sie in die Regierung ein. Bild: Screenshot Youtube
Heute gehen in den Räumlichkeiten der Olympia die prominentesten Neonazis Europas aus und ein. So referierten der NPD-Kader Jürgen Schwab oder der Rassentheoretiker Rolf Kosiek auf ihren „Bildungsseminaren“, eine Veranstaltung mit dem Holocaustleugner David Irving wurde kurzfristig abgesagt, weil dieser verhaftet und vor Gericht gestellt wurde. Auf den „nationalen Liederabenden“ der Olympia spielte Michael Müller, der das Udo Jürgens-Lied „Mit 66 Jahren“ umdichtete zu „Mit sechs Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an, bis sechs Millionen Juden, da ist der Ofen an“, und Frank Rennicke, der für seine „Hitlerballaden“ bekannt wurde und ein Benefizkonzert für die untergetauchten NSU-Mitglieder gab.
In der von Stefan geleiteten Untergruppe wird der Generalangriff auf die Arbeiterkammer und die Gewerkschaften geplant. Die „Pflichtmitgliedschaft“ in den Kammern soll abgeschafft, beziehungsweise die Beiträge drastisch gesenkt werden. Die FPÖ soll der ÖVP dabei helfen, den Befreiungsschlag für das österreichische Unternehmertum zu schaffen: die Umsetzung der sogenannten „Arbeitszeitflexibilisierung“, den 12-Stunden-Tag.
Konzentrationslager
Die Verhandlungsgruppe „Soziales, Fairness und neue Gerechtigkeit“ wird von Dagmar Belakowitsch-Jenewein angeführt. Ihre Gruppe bereitet eine Wartefrist für Ausländer auf Sozialleistungen von fünf Jahren, die von sechs auf zehn Jahren verlängerte Anwartschaft für die Staatsbürgerschaft und die Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte auf 500 Euro vor. Asylwerber sollen kein Geld, sondern nur mehr Sachleistungen bekommen. Das wird dazu führen, dass sich Flüchtlinge keine privaten Wohnungen mehr leisten können und sie in Lagern, verharmlosend „organisierte Quartiere“ genannt, konzentriert werden.
Für die den Verhandlungsgruppen untergeordneten Fachgruppen hat die FPÖ weitere Korporierte nominiert, darunter Reinhart Waneck von der „Wartburg zu Wien“. Noch nie waren so viele Burschenschafter im Parlament wie heute. 20 von 51 freiheitlichen Abgeordneten des künftigen Nationalrats kommen aus deutschnationalen Verbindungen (39 Prozent) – unter Jörg Haider waren es, als 2000 die schwarz-blaue Regierung angelobt wurde, noch 8 von 52 Mandataren (15 Prozent). Die Burschenschafter haben sich, wie Hans-Henning Scharsach in seinem Buch Stille Machtergreifung – Hofer, Strache und die Burschenschaften eindrücklich darlegt, nie von den Traditionen des Nationalsozialismus gelöst. Die von ihnen ausverhandelten Maßnahmen tragen braun-schwarzen Stallgeruch.