Wir stellen vor: Plattform „Border Crossing Spielfeld“

Aktivist_innen in der Steiermark verhelfen Menschen zu ihrem Recht. Gerichtsurteile könnten die berüchtigte Obergrenze für Flüchtlinge zu Fall bringen, bevor diese zur totalen Abschottung Österreichs führt.
3. August 2016 |

„Border Crossing Spielfeld“ ist ein Zusammenschluss von Aktivist_innen, die helfen und nicht mitansehen wollen, wie am Grenzübergang Spielfeld in der Steiermark die Menschlichkeit und das Recht mit Füßen getreten wird. Über 700 Flüchtlinge wurden von den Grenzbehörden in den drei Wochen vor der Schließung der legalen Einreisemöglichkeiten im März ausgesondert, unter fragwürdigen Bedingungen festgehalten und ohne angemessenes Verfahren nach Slowenien zurückgeschoben. Darunter befanden sich sehr viele Familien mit Babies und Kleinkindern.

Menschenrechtsaktivistin Petra L. beschreibt das Leid der Abgewiesenen: „Die Menschen und ihre Träume wurden zerbrochen. Am Schlimmsten war die erdrückende Stille der Zurückgewiesenen auf Weg nach Slowenien.“ Sie ist Gründungsmitglied der Plattform „Border Crossing Spielfeld“.

Zerrissene Familien verhindern

Es kamen viele Suchmeldungen wegen zerrissener Familien. Männer wurden von ihren Kindern und ihren Frauen getrennt. Viele Freiwillige machten es sich zur Hauptaufgabe sicherzustellen, dass nicht noch mehr Familien auseinander gerissen werden. Beamte hatten oft wenig Verständnis.

Das lag auch an der Sprachbarriere, daher meldeten sich viele Freiwillige um beim Vermitteln und Dolmetschen zu helfen. Auch die Kommentare von den unzähligen solidarischen Menschen auf der Facebook-Seite waren wichtig: sie brachten Aktualität und interaktive Vernetzung.

Deportationen nicht hinnehmen

Ein Syrer, dessen Eltern zurückgewiesen worden waren, hat auf Facebook um Hilfe gebeten. Ein Rechtsvertreter wurde kontaktiert. Schnell war klar, es gibt hunderte Betroffene. Dutzende Schutzsuchende aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, die im Februar und März 2016 am Grenzübergang Spielfeld willkürlich aus den hunderten Einreisenden ausgesondert und nach Slowenien zurückgewiesen worden waren, meldeten sich.

Über akribische Kleinarbeit konnten in drei Wochen 588 Betroffene aufgespürt werden. Drei Delegationen von helfenden Jurist_innen und Dolmetschenden fuhren nach Slowenien. Slowenische Aktivist_innen halfen, fanden heraus wo Deportierte hinkamen und verschafften Zugang in die Lager. Das Gerichtsverfahren könnte die Eilverfahren und damit die gesamte Obergrenzenregelung wegen ihrer Rechtswidrigkeit zu Fall bringen.

Die Plattform

Begonnen hat alles mit Engagement vieler Menschen an der Grenze in Spielfeld. Das Areal ist ein riesiger, unübersichtlicher Platz. Aus dieser praktischer Notwendigkeit starteten zwei Helferinnen die Plattform um andere Helfenden zu unterstützen. Inspiriert und unterstützt wurden sie von Nickelsdorfer Helfer_innen. Vernetzt haben sich die Aktivist_innen vor Ort, österreichweit und international. Sie kannten sich großteils nicht, hatten aber ein gemeinsames Ziel. In der ersten intensiven Zeit halfen sie täglich hungrigen, frierenden, durstigen Menschen. Sie haben die Zustände öffentlich gemacht, damit sich was ändert. Und es hat sich vieles geändert!

Vor dem Einlass in den Transitbereich waren tausende Schutzsuchende – vom Staat unversorgt dem Elend überlassen – im „Niemandsland“. Tagelang mussten Flüchtlinge in Kälte ausharren, niemand durfte helfen. Damals erlaubten die Behörden nur im Transitraum Tee auszuschenken. Täglich musste sie befürchten, dass die fürchterliche Kälte die Geschwächten töten könnte. Über das Niemandsland fanden sie heraus: Es ist österreichisches Gebiet, hier liegt die Verantwortung! Öffentlichkeit wurde geschaffen, falsche Medienberichte kommentiert.

Prozessbericht: Eilverfahren in Spielfeld

Prozessbericht: Eilverfahren in Spielfeld

Gefragt, was das bisherige Fazit ist, antwortet eine Aktivistin: „Das Border Crossing Team wird von Vielen getragen und jede_r ist wichtig. Sonst wäre nie alles so erfolgreich gegangen. Nur durch die Kooperation von vielen unterschiedlichen Menschen aus Österreich, Kroatien und Slowenien hatten die Betroffenen die Chance, die Maßnahmenbeschwerde einzureichen und vors Gericht zu bringen. Wir haben alle den gemeinsamen Wunsch nach Gerechtigkeit und Solidarität statt Willkür und Existenzvernichtung. Es geht ja um mehr. Wir prägen alle unsere Gesellschaft und in welchem Land wir leben. Unsere Erfahrung zeigt, dass wir viele sind und viel verändern können. Jede und jeder ist wichtig!“

Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass es die zigtausenden solidarischen Menschen noch immer gibt.

Mehr Infos und Aktuelles zur Plattform auf Facebook.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.