ZeroCovid Fahrt die Wirtschaft runter!

Ein solidarischer Lockdown aller nicht gesellschaftlich notwendigen Bereiche, anstelle von Einschränkungen, die nur auf unser Freizeitverhalten abzielen, das fordert die ZeroCovid-Initiatve. Das Ziel, die Infektionszahlen gegen Null zu drücken, ist ambitioniert, aber in wenigen Wochen erreichbar.
8. April 2021 |

Zynische Politik beenden

Die Regierung opfert nicht nur einzelne Menschenleben, um die vorübergehende Schließung von Betrieben zu vermeiden. Sie opfert so viele, wie die Kapazitäten der Spitäler es erlauben. Hätten wir mehr Intensivbetten, würden sie mehr Infizierte und Tote in Kauf nehmen. Alles um ein Runterfahren der Wirtschaft zu verhindern.

Die Zero-Covid-Initiative vertritt zu 100 Prozent die gegenteilige Position zur Regierung: Fahrt die Wirtschaft runter. Erkrankungen und Sterben durch eine Infektion mit Covid-19 zu verhindern, ist das oberste Prinzip, nachdem sich die Maßnahmen zu orientieren haben. Jeder Tote ist ein Toter zu viel, und sogar jede Infektion ist eine zu viel, wenn man nur daran denkt, wie viele Menschen an Folgeerscheinungen („Long Covid“) laborieren.

Die Maßnahmen

Die Zero-Covid-Initiative stellt sich der verheerenden Lage und sagt: Drücken wir die Zahlen gegen Null und schützen wir so viele Menschenleben wie möglich. Im Grunde sind die Maßnahmen ganz einfach zu erklären. Wenn man dem Virus keine Gelegenheit gibt, sich auszubreiten, dann erlischt das Infektionsgeschehen. Zuvorderst müssen Kontakte zwischen Menschen aus verschiedenen Haushalten in geschlossenen Räumen verhindert werden. Wenn Arbeitsplätze, Schulen und Kindergärten für wenige Wochen nicht betreten werden, dann ist der größte Teil sozialer Kontakte schon einmal unterbunden. Begleitend muss man sich ansehen, wo man unterstützen muss, um der Ausbreitung Herr zu werden.

Obdachlose müssen ordentliche Unterkünfte bekommen. Menschen dürfen nicht weiter in Gefängnissen und Lagern eingesperrt werden.  Die berühmten systemrelevanten Bereiche, wie Spitäler und Lebensmittelversorgung, würden bald zu den letzten Zentren, wo das Virus noch Chancen hat überzuspringen, und brauchen Entlastung. Einkäufe können in Abholzentren kontaktlos stattfinden. Das Personal in den Spitälern gehört aufgestockt, braucht maximale Sicherheitsmaßnahmen und viel mehr Pausen. Dasselbe gilt für Betriebe, die nicht geschlossen werden können, wie in der Wasser- und Stromversorgung. Bei der Erstellung der Maßnahmen müssen die Beschäftigten viel stärker eingebunden werden.

Als das Lehrpersonal in Großbritannien im Jänner die Schließung der Schulen erzwungen hat, haben manche auch Listen von Schüler_innen erstellt, die unbedingt weiter in die Schulen kommen sollten. Viele Familien sind so arm, dass sie sich nicht selbst versorgen können, in anderen herrscht Gewalt. In allen Bereichen würden die Beteiligten ihr Wissen einbringen können, um die Schutzmaßnahmen sinnvoll und solidarisch ausgestalten zu können. „Die Pointe des ZeroCovid-Aufrufs ist, die Aufmerksamkeit von einer Verbotslogik weg, und hin zu einer Ermöglichungslogik zu lenken“, schreibt Daniel Loick in analyse&kritik. Und, dass die Richtung entscheidend ist, aus welcher der Entwurf und Umsetzung der Maßnahmen erfolgen: von unten!

Reisebeschränkungen

Eine große Hürde für die Senkung der Infektionszahlen gegen Null ist die Mobilität der Bevölkerung. Wir haben genügend Familien, die auf einer Seite der Grenze leben, und deren Mitglieder auf der anderen Seite arbeiten, oder dort in die Ausbildung gehen. Es kann zwar keine sehr große Schwierigkeit sein, das sinnvoll zu regeln, aber die Regierungen sind schon an kleineren Herausforderungen gescheitert. Skepsis ist also angebracht. Ohnehin gilt, dass ZeroCovid einen europaweiten solidarischen Lockdown fordert. Wenn man das weiterdenkt, wird schnell klar, dass die ganze Richtung, in die wir derzeit steuern, komplett verkehrt ist.

Die reichsten Nationen der Welt – mit 16 Prozent der Bevölkerung – haben sich 70 Prozent der Impfstoffe gesichert. Die Patente für die Produktion der Impfstoffe werden nicht frei gegeben. Diese Politik kostet hunderttausende Menschenleben und es schafft dem Virus Rückzugsorte aus denen es sich immer wieder aufs Neue ausbreiten kann. Und weil die reichsten Industrienationen sich abschotten, findet Migration ungeordnet und durch immer neue Schlupflöcher statt. Es gilt für die Pandemie, was auch für andere Katastrophen gilt: sie offenbaren schonungslos die Unzulänglichkeiten dieses Systems.

Arbeitsplätze

ZeroCovid wird einer Wirtschaft, die jetzt schon am Krachen ist, endgültig den Garaus machen und hunderttausende Arbeitsplätze kosten, sagen Kritiker. Ja, das stimmt, wenn die Rahmenbedingungen dieselben wie heute bleiben. Die Regierung hat zwar vorübergehend Betriebe und damit Arbeitsplätze gestützt. Aber jetzt laufen Schutzmaßnahmen aus, Kredite werden fällig gestellt, Mieten eingefordert, Beschäftigte gekündigt und die Notstandshilfe gekürzt. Unter diesen Umständen kracht die Wirtschaft so oder so. Aber wer sagt, dass diese Rahmenbedingungen nicht geändert werden können? Mieten können ausgesetzt oder vom Staat ersetzt werden.

Das Problem hier ist doch, dass das Recht auf Privatbesitz – an Immobilien oder Produktionsstätten – als höchstes und unantastbares Gut behandelt wird. Lieber lässt der Staat Mieter delogieren, als Hausbesitzer enteignen, und lieber Beschäftigte arbeitslos werden, als den Betrieb zu verstaatlichen. ZeroCovid fordert nicht umsonst einen „solidarischen“ Lockdown.

Kritik von links

Für die Durchsetzung aller Maßnahmen von unten, müssten die Gewerkschaften bzw. die Arbeiter_innenbewegung eine aktive und führende Rolle in der Politik rund um die Pandemie spielen. Das ist schwer vorstellbar, wenn man sich den aktuellen Zustand der Gewerkschaften vor Augen hält. Benjamin Optratko, Politikwissenschafter in Wien, wirft der Initiative vor, blind für diese Schwächen zu sein, und dass sie „die enorme Mobilisierung von staatlicher Macht, von Repression und Überwachung, die notwendig wäre, um einen echten, mehrwöchigen Shutdown durchzusetzen“, grob unterschätzt.

Ein guter Punkt, aber er ignoriert, was wir gerade durchmachen. Wie viele sollen noch sterben? Wir sehen Regierungen, die auf eine ZeroCovid Strategie setzen, wie China, Vietnam oder Neuseeland. Solche die auf Erreichen einer Herdenimmunität setzen, und damit völlig gescheitert sind, wie Trump, Bolsonaro und Johnson. Und wir haben den unerträglichen die-Kurve-flach-halten-Weg, den auch Österreich völlig erfolglos eingeschlagen hat. Letzterer ist ebenfalls mit Überwachung und Repression, Ausgangssperren und Reisebeschränkungen einhergegangen, wie Amnesty gerade veröffentlicht hat. Natürlich verfolgen die ZeroCovid-Regierungen andere Ziele als wir: Ihnen geht es darum, die Produktivität und Konkurrenzfähigkeit ihrer Unternehmen zu verbessern, uns geht es darum Menschenleben zu retten. Weil unser Ausgangspunkt die Interessen der Arbeiterinnen- und Arbeiterklasse ist, unterstützen wir jene Maßnahmen, die die Infektionszahlen senken, aber wir bekämpfen solche, die unsere Klasse schwächen, wie Demonstrationsverbote, die unter dem Vorwand der Pandemie eingeführt werden sollen.

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