Bekommen FPÖ-Studenten Konkurrenz durch Neonazi-Liste?

Die rechtsradikale Splittergruppe Die Stimme überlegt, bei den kommenden ÖH-Wahlen dem rechtsextremen Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) Stimmen streitig zu machen. Es zeichnet sich ein Sektenkrieg ab, wie er im Buche steht. Die Stimme wird von Markus Ripfl angeführt, einem aus der FPÖ ausgeschlossenen Rechtsextremen, der seinen Neonazismus zu offen zur Schau gestellt hat. Zu ihren Anhängern gehört auch jener Kamerad des Neonazi-Führers Gottfried Küssel, der sich als Security in den BVT-U-Ausschuss geschmuggelt hat. Die Verflechtungen reichen bis zur FPÖ-Spitze.
28. November 2018 |

Lächerliche 3,05 Prozent erhielt der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) bei den Wahlen zur Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) 2017. Vor den kommenden Wahlen im Mai 2019 bahnt sich ein besonderes Spektakel an. Eine Liste um die rechtsradikalen „Olympia“-Burschenschafter Markus Ripfl und Viktor Erdesz, Die Stimme, überlegt, ebenfalls bei den Wahlen anzutreten. Sie fürchten, dass nach dem Personalwechsel an der Spitze des RFS dessen Programm „in Richtung thematischer Ausrichtung der [neoliberalen] JUNOS“ wandere.

Offenbar handelt es sich um einen schweren Fall narzisstischer Kränkung. Ripfl wurde zu Beginn des Jahres aus der FPÖ ausgeschlossen, weil er ein Lied der Neonazi-Band „Division Germania“ geliked hatte. Bereits 2015 veröffentlichten die Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN) Fotos, die Ripfl als Jugendlichen mit Kühnengruß und Keltenkreuz-Fahne zeigen. Beides „Neonazi-Symbole“, wie die NÖN richtig urteilte. Der Kühnengruß gilt in der rechtsradikalen Szene als Ersatz für den verbotenen Hitlergruß und die Keltenkreuz-Fahne ist eine abgewandelte Hakenkreuz-Fahne, die in Deutschland sogar verboten ist.

Klassischer Antisemitismus der Nazis

Ripfl blieb seiner Gesinnung treu. Seine neue „Partei“ (eine derartige Witzfigurentruppe als Partei zu bezeichnen, wäre an sich lustig) versteht sich (und das ist weniger lustig) als „heimatliebend-soziale Bewegung“ – offenbar eine direkte, wenn auch verklausulierte Anspielung auf die „national-sozialistische“ Bewegung. Das Logo der Partei erinnert an die Hakenkreuzfahne: ein schwarzes Megafon auf rotem Kreis und weißem Grund. Zwar sind das Weiß und Rot vertauscht, aber die Eingeweihten wissen – so wie bei der blauen Kornblume – die Zeichen richtig zu deuten.

Wie die originalen Nazis verbreitet Die Stimme offen antisemitische Verschwörungstheorien, nach der die Juden die Weltherrschaft anstreben und alle Menschen in die „Zinsknechtschaft“ treiben würden. Die Stimme wettert gegen den „Globalisten“ George Soros, der „vor allem durch Finanzspekulationen sein Geld“ verdiene. Bundesobmann Ripfl erklärt Soros in einwandfreiem Nazi-Sprech zum „Volkszerstörer“, der seine „Universität der Volksfeinde“ von Budapest nach Wien verlegen wolle. Er sei „brandgefährlich“, halluziniert Ripfl, weil „er ein irrsinniges Kapital“ und „sich ein riesiges Netzwerk aufgebaut“ habe.

Verflechtungen ins Neonazi-Milieu und in die FPÖ

Die entsprechenden Beiträge werden – oh Wunder! – von bekennenden Neonazis geliked. Da wäre etwa der wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilte Franz Radl, wie Recherchen von Linkswende jetzt belegen (Radl war übrigens jener Burschenschafter, den Strache damals mit dem Kühnengruß grüßte). Dazu gehört auch (der schon tote) Uwe „Onkel“ Baar aus der Neonazi-Gruppierung Unsterblich Wien. Rechtsradikale riefen nach einem „Trauermarsch“ für Baar im Jahr 2011 „Scheiß Juden“ und zeigten den Hitlergruß, wie der Ballesterer berichtet hat. Bei den Stimme-Fans). Und da darf schließlich auch ein gewisser „Baldur Wien“ (eine Anlehnung an den Wiener NS-Reichsstatthalter Baldur von Schirach) nicht fehlen, ebenjener Anhänger des Neonazi-Führers Gottfried Küssel, der sich als „Sicherheitsmann“ in den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Affäre im Verfassungsschutz eingeschlichen hat. Fotos der Antifa Recherche Wien vom März 2017 zeigen Stimme-Führer Ripfl mit dem späteren RFS Wien-Vorsitzenden Gernot Schmidt und „Baldur Wien“ am Schottentor vor der Universität Wien.

Die Verstrickungen der Stimme-Führung, die sich aus der Burschenschaft Olympia rekrutiert, reichen bis in die FPÖ-Spitze. Hans-Henning Scharsach urteilt über die Olympia in seinem Buch Stille Machtergreifung: Hofer, Strache und die Burschenschaften (2017): „Keine der österreichischen Burschenschaften trägt ihre Verwurzelung in den Traditionen des Nationalsozialismus so offen zur Schau wie die Wiener Olympia, der einige der einflussreichsten FPÖ-Politiker angehören.“ Der Direktor der FPÖ-Parlamentsklubs, Norbert Nemeth, ist Olympia-Mitglied, genauso wie die Abgeordneten Martin Graf und Michael Siedler, Mitarbeiter der dritten Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller.

„Deutsche Volksgemeinschaft“

Alexander Markovics – ebenfalls Olympia-Mitglied, erster Obmann der Identitären Bewegung und 2017 noch Kandidat für den RFS bei den ÖH-Wahlen – hielt bei der Stimme einen Vortrag zum Thema „Sind Österreicher Deutsche?“. Das Aussterben des deutschen Volkes dürfte überhaupt die schlimmste Sorge der Stimme sein. Sie schreiben verzweifelt an ihre Anhänger auf Facebook: „Wacht auf! Sollten wir nicht bald den Migrantenanteil in Wien reduzieren, dann stirbt unser Volk aus! Die Situation ist tragisch!“

So umgibt man sich sorgsam mit pflichtbewussten treudeutschen Kameraden in dieser „Bewegung“. Bundesgeschäftsführer der Stimme ist ein gewisser Bernhard Neuhofer, Mitglied der Leobener Burschenschaft „Leder“, der sich offenbar dadurch bewährt hat, dass er einem SS-Obersturmführer auf Facebook huldigte, wie die Sozialistische Jugend Steiermark aufgedeckt hat. Ripfls Stellvertreter, Viktor Erdesz, wechselte von der Burschenschaft Germania Hamburg zur Wiener Olympia. Für die Stimme verteidigte er zuletzt für die Neonazi-Ausschreitungen im Spätersommer 2018.

Antifa heißt Angriff

Muss erwähnt werden, dass sich eine Schwerpunktkampagne der Stimme gegen den Bau eines neuen Holocaustmahnmals in Wien richtet? „Unser Volk braucht eine Zukunft und kein Holocaustdenkmal!“, zetern Ripfl und seine Kameraden wohl zum Teil aus Überzeugung, zum Teil aus Mangel an eigenen Ideen – zu offensichtlich ist der Vorstoß dem deutschen AfD-Führer Björn Höcke nachempfunden, der das Berliner Mahnmal für die Opfer der Schoah als „Denkmal der Schande“ bezeichnet hat.

Linkswende jetzt tritt ebenfalls bei den kommenden ÖH-Wahlen an und wird dafür sorgen, dass die braunen Träume der neuen alten Nazis von Mandaten im Studierendenparlament wie Seifenblasen in der Luft zerplatzen.