40 Jahre Schüleraufstand in Soweto: Steine gegen die Apartheid

Vor genau vierzig Jahren explodierte im südafrikanischen Township Soweto nahe Johannesburg eine Schülerrevolte. Die Schüler_innen, viele von ihnen gerade einmal knapp über zehn Jahre alt, trotzten am 16. Juni 1976 dem Apartheidsregime.
16. Juni 2016 |

Die Schüler_innen in Soweto kämpften gegen ein System, das Schwarzen sämtliche Rechte auf politische und wirtschaftliche Aktivität verweigerte. Es deklassieren sie über demütigende Rassentests, bestimmte wo sie leben durften und sperrte sie weg oder tötete sie gar, wenn sie sich dagegen auflehnten. Die Weißen, ein Siebentel der Bevölkerung, beherrschten Südafrika.

Der Zündfunke des Schüleraufstands 1976 war Afrikaans, die Sprache der Unterdrücker, die zur offiziellen Schulsprache werden sollte. Am 17. Mai begannen  1.700 Schüler_innen der Orlando West Mittelschule bis auf Widerruf der Schulsprache Afrikaans zu streiken. Kurze Zeit später, am 8. Juni, wurden Schülerproteste der Naledi -Oberstufe unter Einsatz von Tränengas niedergeschlagen.

Gegenwehr

Schüler_innen reisten aus der Umgebung an, um die Sowjeto Schülervertretung (SSRC) zu gründen, die zu einer Demonstration am 16. Juni aufrief. 15.000 Schüler folgten dem Aufruf und versammelten sich bereits um sieben Uhr früh – daraufhin wurde die Demonstration von der Polizei mit Tränengas und Schüssen angegriffen.

Anstatt sich nach den Attacken zurückzuziehen, kämpften die Schüler, schleuderten den Angreifern Steine entgegen. Dutzende der Protestierenden wurden von Polizisten und Soldaten erschossen, doch die Flamme des Protests brannte weiter. Schnell breitete sich die Bewegung auf andere Gebiete um Johannesburg wie Alexandra aus, und schließlich auf das ganze Land.

Hoffnung

Dem Regime gelang es erst Monate später die Rebellion zu beenden. Sicherheitskräfte hatten in der Zwischenzeit 700 Menschen ermordet, doch die Revolte hinterließ auch Stolz, Ärger und hitzige Debatten darüber, wie die nächste Protestwelle gewinnen könnte. Die Protestbewegung 1976 richtete sich gegen die unerträgliche Unterdrückung, aber sie gab auch Hoffnung, dass die Apartheid zerschlagen werden kann.

Der Aufstand in Soweto hat gezeigt, dass sogar das ruchloseste Regime gestürzt werden kann

Im Jahre 1974 brach das portugiesische Regime zusammen und die Staaten Angola und Mosambik im Süden Afrikas erlangten ihre Unabhängigkeit von ihren weißen Kolonialherrscher. Südafrikanische Soldaten sollten die Verbündeten in Angola stützen – aber wurden geschlagen. Der Historiker Bernard Magubane schrieb: „Junge weiße Rekruten, gefesselt von afrikanischen Händen, stellten das traditionelle Bild von Weißen als Gefängniswärter und Schwarzen als Gefangene auf den Kopf.“

Arbeitermacht

Die Expansion der südafrikanischen Industrie in den 1960er- und 1970-Jahren war wirtschaftlich äußerst profitabel, aber schuf gleichzeitig eine mächtige schwarzen Arbeiterklasse, die begann, ihre Muskeln gegen das Regime spielen zu lassen. 1973 streikten in Durban 100.000 Arbeiter_innen. Die Firmenchefs mussten zurückweichen und Zugeständnisse bei den meisten der Forderungen machen. Weitere Streiks folgten.

Im Zuge der Soweto-Rebellion trat das Argument, dass die Arbeiter_innen selbst die Kraft hatten, das Apartheidsregime zum Fall zu bringen, in den Vordergrund. Werktätige selbst waren von Beginn an als Eltern, Brüder und Schwestern involviert. Die schiere Größe der Kämpfe machte es für Lohnabhängige oft schwierig zum Arbeitsplatz zu gelangen, aber sie beteiligten sich auch ganz bewusst an den Protesten.

Schüler und Arbeiter

Tsietsi Mashinini, der Führer des SSRC, meinte, die Schüler_innen wären so weit gegangen, wie sie konnten, und so wandten sie sich im August den Arbeitern zu. Die Schüler machten sich daran, einen Streik zu organisieren. Vom 23. August an legten 80 Prozent der Arbeiter_innen in den Sowetos für drei Tage die Arbeit nieder.

Ein Personalchef sagte: „Der meisten Abwesenden waren manuelle Arbeiter. Ich frage mich, ob dies nicht eher eine Demonstration ihrer Stärke ist, als das Ergebnis von Einschüchterung.“ Die Arbeiterbewegung blühte zwar noch nicht vollständig auf, aber 1976 meldete sie sich erstmals zu Wort. Es waren die Massenstreiks in den 1980er-Jahren und die militanten Gewerkschaften, die in Verbindung mit den Aufständen in den Townships die Apartheid zu Fall brachten.

Offene Rechnung

Seit 1976 hat sich vieles verändern, aber bei weitem noch nicht genug. Als das Apartheidsregime 1994 endgültig auf den Müllhaufen der Geschichte landete, stellen sich Millionen Schwarze, die für Jahrzehnte unterdrückt wurden, in Schlangen an, um Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten zu wählen.

Aber die Versprechen des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) nach „Frieden, Arbeit und Freiheit“ wurden nach dem Ende der weißen Herrschaft nicht erfüllt. Der Kapitalismus bestand weiterhin, nur in einer anderen Form. Die derzeitige Regierung Südafrikas feiert die Soweto Rebellion, aber sie stehen immer noch an der Spitze eines Systems, in dem  Schwarze unter Arbeitslosigkeit, niedrigen Löhnen und Rassismus leiden.

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Das Massaker von Marikana 2012, bei dem die Polizei 34 streikende Minenarbeiter ermordete, gilt als Sinnbild für die fortgeführte Repression nach dem Ende der weißen Herrschaft. Aber nach 40 Jahren brennen der Universitätscampus wieder und die Arbeiter_innen beginnen sich erneut zu wehren. Das Gedenken an 1976 ist eine wertvolle Erinnerung an den Heldenmut der Schüler_innen. Der Aufstand in Soweto hat gezeigt, dass sogar das ruchloseste Regime gestürzt werden kann – und dass die arbeitende Klasse hierfür ihre vereinte Kraft aufbringen muss.

Artikel ist zuerst auf Socialist Worker erschienen. Übersetzung aus dem Englischen von Lukas Zehentner.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.